KLR: Teil 3 bis Teil 4

  • Ich habe gestern mit dem vierten Teil begonnen.


    Konstantin Dmitrijewitsch Ljewin wird mir immer sympathischer und ich kann die Reue, die Kitty empfindet, sehr gut nachvollziehen. Denn auch wenn er manchmal etwas zickig ist, ist er doch ein herzensguter Mensch, der ihr die Liebe geben könnte, die sie verdient, und die sie bei Wronskij kaum jemals erfahren hätte.


    Diese Sympathie steht ganz im Gegensatz zu den Gefühlen bezüglich Alexej Alexandrowitsch Karenin!! Man könnte sein Verhalten ja verstehen, wenn er durch die Untreue seiner Frau verletzt wäre, aber offensichtlich geht es ihm nur darum, sein Ansehen zu retten und darum, sie (zusätzlich) zu demütigen.


    Langsam kommt auch die absolut verzweifelte Lage heraus, in der sich Anna Karenina befindet. Sie weiß nicht wie ihr Leben weitergehen soll, wenn ihr Mann sie verlässt, (was sie einerseits hofft), weil sie sich jetzt schon Wronskijs Liebe nicht sicher ist. Eifersuchtsszenen werden einen Mann wie ihn aber eher von ihr wegtreiben, als ihn zu binden. Und obwohl sie sich darüber im Klaren ist, kann sie ihre Gefühle nicht beeinflussen.


    Morgen fahre ich weg, aber ich werde das Buch im Urlaub bestimmt fertiglesen und melde mich spätestens am Sonntag zurück. Bin schon sehr auf viele, viele Antworten von euch gespannt!! :)


    Lg
    Susannah

  • Liebe Susannah!


    Ich wünsche dir einen schönen Urlaub! :flower:


    Erhol dich und viel Spaß beim Lesen!

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +

  • Hallo! Bin jetzt fast mit dem dritten Teil fertig! Bin irgendwie von Wronskijs Art bis jetzt irritiert. Dieser bis jetzt doch durch und durch leidenschaftliche Mensch scheint nun vollkommen sachlich, verstandesmäßig und berechnend über die Zukunft seiner Beziehung zu Anna zu entscheiden. Auch sein merkwürdiges Wertesystem hat mich doch sehr geschockt. Bisher habe ich ihn zwar als Hallodri und Casanova gesehen, doch allmählich glaube ich, dass er einfach nur egoistisch und unreif ist. Dazu passt ja auch, dass das Kind, dass Anna erwartet scheinbar vollkommen unwichtig für ihn ist...


    Mir tut Anna leid, denn sie wird sich nun darüber bewusst, dass sie eigentlich nur Spielball der beiden Männer ist. Weder ihre Ehe noch ihre Affäre kann sie selbst mitbeeinflussen geschweige denn darüber entscheiden.


    Meine Meinung zu Lewin ist ein bisschen zwiespältig. Einerseits mag ich seine natürliche, ungekünzelte Art, andererseits finde ich viele seiner Ideen und Gedanken seeehr arrogant (z.B. sein Desinteresse am Wohl des Volkes solange es nicht um seinen Vorteil geht) Auch sein nicht enden wollender Zorn auf Kitty finde ich total ungerecht. Sicherlich mag er anfangs gekränkt und auch sauer gewesen sein, doch nimmt er sich nicht zu wichtig, wenn er sie nicht mal Monate später treffen will???
    Also, wenn Tolstoi sich wirklich in Lewin sein Alter Ego geschaffen hat, dann war er wohl sehr von sich selbst eingenommen und hat das dann auch korrekt beobachtet. entwedwer fand er sein Verhalten dann vollkommen okay, oder er war sich selbst gegenüber anerkennend ehrlich...!
    Wie seht ihr die drei Charaktere?

  • Ich weiß nicht, ich finde Ljewin nicht arrogant. Dass er Kitty auch nach so langer Zeit nicht sehen will, führe ich darauf zurück, dass er Angst davor hat, wieder verletzt zu werden. Ich glaube, er fürchtet sich davor, dass seine Liebe neu entflammt, wenn er ihr begegnet, sie jedoch unerreichbar für ihn ist.


    Anna tut mir einfach nur unendlich leid. Man kann sich ihre Situation heutzutage wohl kaum in ihrer ganzen Tragweite vorstellen. Heute ist es normal, dass man sich scheiden lässt, wenn man in einer Ehe unglücklich ist und als Mutter hat man kaum je zu befürchten, dass man dadurch ein Kind verliert. Damals jedoch hatte der (gehörnte) Ehemann die ganze Entscheidungsgewalt, konnte darüber richten, ob es zu einer offiziellen Trennung kommt oder nicht. Und in dem speziellen Fall (ich weiß nicht, ob es generell so war) besitzt Alexei Alexandrowitsch genug Macht, um Anna den Sohn wegzunehmen, auch wenn er ihn in Wirklichkeit gar nicht liebt, und sie dadurch nur verletzen will.


    Wronskij ist die Persönlichkeit in dem Buch, die ich am wenigsten durchschaue. Einerseits scheint er Anna wirklich zu lieben, andererseits sehe ich ihn genau wie du, Sunnysideup, als berechnenden und oberflächlichen Menschen. Es scheint ihm nicht bewußt zu sein, wie sehr sie leidet.
    Dann wieder habe ich das Gefühl, er macht alles, um Anna glücklich zu machen, um ihr das Leben schön zu gestalten.
    Und sein Verhalten seinem ungeborenen Kind gegenüber kann ich ohnehin nicht nachvollziehen. Er verhält sich, als wäre es nie passiert. Als könnte er es dadurch, dass er es ignoriert, ungeschehen machen.


    Sehr sympathisch ist mir übrigens Darja Oblonskij. Sie ist eine einfühlsame, sensible und intelligente Frau, die sehr unter der Untreue ihres Mannes leidet, aber dennoch ihr Leben lebt.

  • Bin jetzt im 3. Teil, 14.Kapitel
    Ich finds schrecklich wie förmlich Karenin mit Anna umgeht. Der Brief, den er ihr schreibt nachdem sie ihm von ihr und Wronskij erzählt hatte - so unpersönlich.
    Lustig aber auch seltsam find ich die Stelle kurz danach, wo er das goldgerahmte Bild von ihr ansieht, und sich danach mit einem "brr" davon abwendet.
    Bin gespannt ob das mit Lewin und Kitty noch was wird, diese eine Wirtschafterin von Dolly fände Lewin passend als Mann? Hab ich das richtig verstanden?
    Schlimm wie sehr er ihr hinterhertrauert und wie schnell sein vorher gefasster Entschluss sich ändert, obwohl er nur einen kurzen Blick auf sie geworfen hat.

    "Wie soll auch eine Generation von Männern, die hauptsächlich von Müttern, Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen umsorgt und erzogen wurde, Frauen glücklich machen?"
    (Generation Doof)

  • @ susannah
    Ja, sicherlich hat Lewin Angst, von Kitty wieder verletzt zu werden. Das erklärt vieles in seinem Verhalten. Dennoch versucht er es erst garnicht aus Kittys Warte heraus zu sehen. Er blendet halt vieles aus, was ihn entweder nicht persönlich zum Vorteil gereicht oder was ihn sogar schmerzen könnte. So ist es auch kein Wunder, dass er den baldigen Tod seines Bruders nicht anspricht.


    Aber irgendwie trifft dieses Verhalten ja auf alle Männer dieses Buches zu! Stiwa lebt weiterhin sein Junggesellenleben ohne die Gefühle seiner Frau ernstlich zu bedenken. Er hat ja noch nicht mal ein schlechtes Gewissen... :evil:
    Wronskij lebt auch nur nach seinem Vorteil - man bedenke die Regeln, die er für sich aufgestellt hat...
    Alexandrowitsch sieht allein die Wichtigkeit, nach außen hin alles standhaft aussehen zu lassen. Scheinbar kann er alle anderen Gefühle halbwegs ausblenden - hauptsache der Ruf stimmt.. ](*,)


    Ist vielleicht ein interessanter Blick auf die damalige russische Gesellschaft...die Männer haben ihren Traum gelebt - ohne Rücksicht auf Verluste. Und wenn es Probleme gab, dann durften die Frauen es ausbaden bzw. galten als die Schuldigen (Stiwa geht fremd: Dolly ist nicht mehr schön genug, Lewin kriegt einen Korb: Kitty ist schlichtweg gemein, Die Ehe der Karenins zerbricht: alleiniger Grund ist, dass Anna frevelhaft ist, Alexandrowitsch findet keinen Bezug mehr zum Sohn: Annas Ehebruch ist Schuld, usw.) Ist vielleicht etwas überspitzt, aber irgendwie ist es schon so, oder? (Wobei das sicherlich in der damaligen Zeit auch für andere Länder gelten wird)


    Aber noch eine andere Frage: Ich verstehe Lewins Ansichten zum Bauerntum nicht...einerseits hält er die Bauern nicht für bildungswürdig u.ä., andererseits hegt er ja eine enorme Zuneigung für sie...ist er also ein Freund einer naturalistischen Gesellschaft? Warum aber fordert er dann immer wieder fortschrittliche Arbeitsweisen ein?

  • :bounce: ...bin jetzt mit Teil 3 und 4 durch! Bin wirklich erstaunt, wie schnell sich Tolstoi lesen läßt!! Aber noch mehr erstaunt mich die Vielschichtigkeit der Charaktere...! Denn nach meinem letzten Beitrag haben sich die männlichen Personen doch ganz anders verhalten als vorher.. :) Irgendwie hat sich alles umgedreht...Lewin und Kitty heiraten, Anna fährt mit Wronskij - der sich wegen Anna umbringen wollte..- ins Ausland und Alexandrowitsch - jetzt ein besorgter Vater...- läßt sie ziehen! Mhhm..wie es wohl weitergeht???

  • Nicht, dass der Eindruck entsteht, ich läse nicht mehr mit. Ich bin nur nicht sehr schnell, weil ich "Anna" nur zu zuhause lese, da es mir zu schwer für Bahnfahrten etc. ist. Da habe ich immer eine leichtere Zweitlektüre dabei.


    Nichtsdestotrotz bin ich nun mitten im 3. Teil - Anna wartet auf die Entscheidung ihres Mannes.


    Zitat von sunnysideup142

    Meine Meinung zu Lewin ist ein bisschen zwiespältig. Einerseits mag ich seine natürliche, ungekünzelte Art, andererseits finde ich viele seiner Ideen und Gedanken seeehr arrogant (z.B. sein Desinteresse am Wohl des Volkes solange es nicht um seinen Vorteil geht) Auch sein nicht enden wollender Zorn auf Kitty finde ich total ungerecht. Sicherlich mag er anfangs gekränkt und auch sauer gewesen sein, doch nimmt er sich nicht zu wichtig, wenn er sie nicht mal Monate später treffen will???
    Also, wenn Tolstoi sich wirklich in Lewin sein Alter Ego geschaffen hat, dann war er wohl sehr von sich selbst eingenommen und hat das dann auch korrekt beobachtet. entwedwer fand er sein Verhalten dann vollkommen okay, oder er war sich selbst gegenüber anerkennend ehrlich...!


    Ich finde Lewins Handlungen in sich schlüssig, denn er ist nun mal ein Mensch, der sehr stark empfindet und dementsprechend groß ist dann auch sein Stolz und die damit einhergehende Wut.


    Was Lewins Einstellung zum Volk angeht, so vertritt er eine Meinung, die nach der Franz. Revolution unter dem Einfluss der Gleichheit aller Menschen untergegangen ist. Für Lewin hat jeder Mensch einen bestimmten Platz im Leben, der anerkannt werden muss, egal wie dieser Platz aussieht. Anders als viele Revolutionäre setzt er aber Gleichheit nicht mit Chancengleichheit gleich.
    Ich finde seine Theorien auch mitunter verwirrend, zumal er sich selbst ja auch widerspricht - so z.B. als er seinen Platz als Adliger aufgeben will, um Bauer zu werden...


    Lewin romantisiert die Lage der Bauern und setzt sich daraus sein Wunschbild zusammen, und blendet alles negative aus.


    Dass Anna irgendwann aus sich herausplatzen muss, war klar. Und als Folge daraus geht es sowohl Alexej als auch ihr kurzzeitig besser. Wäre nicht Alekejs Stolz, könnten beide neu anfangen und glücklich werden. Aber da der gehörnte Ehemann jegliche Entscheidungsbefugnis hat, wird es wohl soweit nicht kommen.
    Wisst ihr, was für Beweise er bringen müsste, um sich scheiden zu lassen? Muss er das Liebespaar in flagranti erwischen oder so?
    Jedenfalls hat mich das Kapitel, in dem er seine Optionen erwägt, sehr amüsiert - insbesondere seine Gedanken zum Duell. :lol:


    Wronskij bleibt mir auch undurchsichtig, aber ich glaube schon, dass er Anna ernsthaft liebt!


    Und nun schnell noch ein Kapitel lesen bevor ich meine Essenseinladung wahrnehmen muss.


    Denächst mehr!

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  • Ich bin nun auch mit dem 4. Teil fertig und finde das Ende sehr spannend. Willigt Anna nur nicht in die Scheidung ein, um Seriosha nicht zu verlieren? Aber andererseits lässt sie ihn auch bei Alexej zurück. Was für eine Mutter muss man sein, wenn man seine beiden Kinder, das eine davon noch ein Säugling, verlässt? Ist sie so verblendet von ihrem Glück, dass sie nun vorerst mit Wronskij genießen kann, dass sie ihre mütterlichen Pflichten so außer Acht lässt? Wronskij schert sich ja auch kein bisschen um die kleine Anna. Anna und Wronskij scheinen ja prima zusammenzupassen... frei von jeglichen Bedenken gegenüber der Gesellschaft oder ihrer Pflichten frönen sie nur ihrer gegenseitigen Liebe und Freiheit.


    Da finde ich Alexej wesentlich beachtender, ja richtig sympathisch ist er mir in den letzten Kapiteln geworden. Er verzeiht Anna, kümmert sich um ein Kind, das nicht seins ist, und lässt Anna gewähren wie es ihr beliebt.


    Also mir ist Lewin sympathisch. Seine vorhergegangenen Schwierigkeiten mit Kitty kann ich vollkommen nachvollziehen - er war schwer verliebt, hat nur sie gesehen, und hat es dann endlich geschafft sie halbwegs zu vergessen - aber die Gefahr sich erneut so überwältigt seiner Liebe zu sehen ist nach wie vor möglich. Er hat sie ja nie dafür gehasst. Auch seine Zuneigung zu den Bauern finde ich sympathisch, wer von der höheren Gesellschaft würde sich denn solchen Träumen hingeben, wie er? Er besinnt sich zwar (leider?) eines besseren, aber er will seine Vorstellungen vom Landwesen vollbringen, und scheut keine Mühen. Ich fände es schade, wenn er dies nun aufgrund der neuen Situation mit Kitty außer Ach ließe.

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  • Diese Woche werde ich wohl noch den 3. Teil beenden können. Momentan lese ich das 27. Kapitel dieses Teiles. Lewin ist zu Besuch bei seinem Freund Swijashkij und das Gespräch dreht sich um Landwirtschaft, Leibeigenschaft und die Bauernbefreiung. Hier merkt man stark einen politischen, gesellschaftlichen Kommentar Tolstois.
    Leider kenne ich mich nicht besonders in der russischen Geschihte und die damit einhergehenden philosophischen Grundlagen aus, was gerade dieses Kapitel nicht einfach zu lesen macht.


    Zitat


    Original von fensterfisch
    Also mir ist Lewin sympathisch. Seine vorhergegangenen Schwierigkeiten mit Kitty kann ich vollkommen nachvollziehen - er war schwer verliebt, hat nur sie gesehen, und hat es dann endlich geschafft sie halbwegs zu vergessen - aber die Gefahr sich erneut so überwältigt seiner Liebe zu sehen ist nach wie vor möglich. Er hat sie ja nie dafür gehasst. Auch seine Zuneigung zu den Bauern finde ich sympathisch, wer von der höheren Gesellschaft würde sich denn solchen Träumen hingeben, wie er? Er besinnt sich zwar (leider?) eines besseren, aber er will seine Vorstellungen vom Landwesen vollbringen, und scheut keine Mühen. Ich fände es schade, wenn er dies nun aufgrund der neuen Situation mit Kitty außer Ach ließe.


    Ganz meine Meinung - zumal er in seiner Position mehr erreichen kann, als als Bauer. :thumright:


    Annas tut mir sehr leid - einerseits erkennst sie, dass sie ein lebendes Geschöpf ist, das lieben und leben muss, andererseits weiß sie, dass es für sie kein Leben ohne ihren Sohn geben kann (S. 437). Durch diese beiden Bedürfnisse wird sie leider erpressbar.


    Ein Satz aus dem 26. Kapitel hat mir übrigens sehr gut gefallen:


    Zitat

    Jedesmal, wenn Lewin versuchte, weiter vorzudringen als bis in die Empfangszimmer von Swijashkijs Geist, deren Türen allen offenstanden, merkte er, dass Swijashkij ein wenig verlegen wurde.


    Der gedanke, dass man geistige Empfangszimer haben kann, ist sehr erfrischend! =D>

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  • sunnysideup142:


    Vielen Dank für deinen Link aus dem Thread zu Teil 1+2. Bisher hatte ich noch nicht viel Zeit, dort zu stöbern, habe es aber gestern abend noch nachgeholt. Ich lese das Buch viel zu oberflächlich. :-s Erstaunlich, was mir alles entgangen ist...


    Interessant finde ich den auf der Seite vertretenen Ansatzpunkt, Alexeij Wronskij und Alekeij Karenin auf der Ebene ihres logischen Denkens und Pedantentums gleichzusetzen und dem Lewins und Annas impulsiven Lebensdrang gegenüberzusetzen.


    Zitat

    Levin and Anna are linked not only in the intensity of their lives but also in their recognition of the closeness of death.
    Quelle: Spark notes (Teil 3)


    Einmal darauf hingewiesen, liegt diese Verbindung auf der Hand, aber ich sah sie einfach nicht.

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  • Inzwischen habe ich das 12. Kapitel von Buch 4 beendet und nun eine bewusste Pause gemacht, denn es wird wohl mit Kitty und Lewin weitergehen. Ihre Freude aneinander begeistert mich! Beide sind bei ihrem ersten Zusammntreffen nach der Ablehnung von Lewins Antrag so verzückt voneinander, dass man als Leser staunend daneben stehen und sie beim Schwärmen füreinander beobachten möchte. :drunken:


    Dabei beginnt das 4. Buch wenig erfeulich - mit einer untragbaren Situation für Wronski, Alexej und Anna. Jeder, der festen Überzeugung alles würde sich bald klären. Aber wie?! Daran hat jeder andere Ansprüche und Erwartungen. Am extremsten sind wohl Annas Todesahnungen.


    Die Liebe zwischen Anna und Wronski besteht noch, hat sich aber abgekühlt:


    Zitat

    Kapitel 2
    Wie bei jedem Wiedersehen versuchte sie, ihr Phantasiebild von ihm (ein unvergleichlich schöneres, in der Wirklichkeit unmögliches Bild) mit seinem wahren Wesen in Einklang zu bringen.


    Aber auch bei Wronski hat sich eine gewisse Ernüchterung eingeschlichen und die ungestüme Verliebtheit verdrängt:


    Zitat

    Kapitel 3
    Er sah sie an, wie ein Mensch eine welke Blume betrachtet, die er abgerissen hat und in der er nur mit Mühe die Schönheit wiedererkennt, um derentwillen er sie abriss und vernichtete.


    Beide haben sich aufgrund der ungünstigen Umstände mittlerweile natürlich auch verändert. Sie sind nicht mehr die Charaktere, die einander anfangs verfielen. Insbesondere Anna fühlt sich gefangen, in einer untragbaren Abhängigkeit vom Ehemann, in der Erwartung bald geächtet zu werden und mit viel zuviel Zeit, sich Sorgen zu machen. Sie ist nicht mehr die lebendige, integere Frau, die auf Empfängen strahlte, sondern zu einer zweifelnden, eifersüchtigen und von Todesahnungen geplagten Person geworden, die zudem zunehmend ihr Schönheit verliert.


    Wronski scheint besonders darunter zu leiden, dass er Alexejs Handlungen nicht nachvollziehen kann. Er folgt dem Kodex des Zeitgeistes und jede Abweichung stellt ihn vor eine Mauer der Rätsel.


    Was Alexej angeht, möchte ich Tolstoi zitieren (so ein schöner Satz):


    Zitat

    Kapitel 4
    Er trug gleichsam die volle Seele seines Zornes vor sich her, besorgt, etwas davon zu verschütten und zugleich mit seinem Zorn auch die Energie zu verlieren, die er bei der Auseinandersetzung mit seiner Frau brauchte.


    Gerade in diesem Kapitel wird er als so hilflos dargestellt, wie er ist. Worte wie "Fistelstimme", "sprach so schnell, dass er stotterte" und "kreischend" charakterisieren seinen aufgebrachten Vortrag. Anna stellt für ihn das unlösbare Rätsel dar, das er selbst für Wronski ist.


    Dass Tolstoi im 5. Kapitel eine Übersicht über das russische Scheidungsrecht gibt, hat mir sehr geholfen, die Affäre einzuordnen. Die Gründe für eine Scheidung sind mitunter ja wieder sehr im Sinne der Männer:


    a) körperliche Gebrechen
    b) nach 5-jähriger Trennung
    c)Ehebruch


    Interessant auch, dass eine Kirchenbehörde die Scheidung beschließt! :!:


    In Kapitel 8 wird klar, dass Alexej längst nicht so integer ist, wie er selbst glauben möchte: er betrügt mit Hilfe der Fremdvölkerdelegation, um seine Position zu stärken.


    :?: Könnt ihr mir sagen, was genau "russische Fremdvölker" sind? :?:


    Puh, der Eintrag ist lang geworden und ich habe gar nicht alles angesprochen. Leider muss ich schon wieder los. Aber ihr seht: ich bin noch begeistert dabei! Liest außer mir eigentlich noch jemand?

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  • Die letzten 10 Kapitel des 4. Buches haben mir sehr gut gefallen. Lewin und Kitty werden heiraten, Alexej Alexandrowitsch hat die Kinder und Anna und Wronkij fahren nach Italien.


    Es sieht so aus, als sei oberflächlich alles gelöst.


    Oweh, hätte Lewin mir die Buchstabenfolge "A,S,m,a: D,k,n,s,b,d,n,o,n,d?" auf den Tisch geschrieben, hätten wir das Gespräch, dass zum ANtrag führte wohl nie gehabt... 8-[


    Was für eine romantische, einfallsreiche Art, um jemanden zu werben! :drunken:


    Dass Wronskij

    unternehmen würde, hat mich sehr überrascht!


    Ich bin gespannt, was der nächste Teil bringt! :study:

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  • Zitat

    Original von fensterfisch
    Willigt Anna nur nicht in die Scheidung ein, um Seriosha nicht zu verlieren?


    Ist sie so verblendet von ihrem Glück, dass sie nun vorerst mit Wronskij genießen kann, dass sie ihre mütterlichen Pflichten so außer Acht lässt? Wronskij schert sich ja auch kein bisschen um die kleine Anna. Anna und Wronskij scheinen ja prima zusammenzupassen... frei von jeglichen Bedenken gegenüber der Gesellschaft oder ihrer Pflichten frönen sie nur ihrer gegenseitigen Liebe und Freiheit.


    Ich glaube nicht, dass Anna "So verblendet von ihrem Glück ist", dass sie unbesorgt weggeht. Immerhin beibt sie der Meinung, es wäre besser gewesen, sie wäre gestorben statt zu leben. Daraus spricht für mich nicht Unbefangenheit.


    Man muss nunmal im Leben Entscheidungen treffen und hier finde ich Tolstois Vorgehen sehr gut: gerade an Anna merkt man, wie vielschichtig die Position einer Mutter und Ehefrau ist, wer von ihren Entscheidungen alles betroffen ist und wie zerrissen sie zwischen ihren Pflichten, Anschauuungen und ihrem Gefühl ist.


    Ich glaube, Anna will sich nicht scheiden lassen, weil sie dadurch ihr Sicherheitsnetz verlieren würde. Im vorletzten Kapitel erfährt man, dass geschiedene Frauen erst wieder heieraten dürfen, wenn ihr erster Mann verstorben ist.
    In dieser (egoistischen) Entscheidung wird für mich auch deutlich, dass sie Wronskij und ihrer gemeinsamen Leidenschaft nicht mehr 100% vertraut. Es wurde zwischendurch ja bereits mehrmals angesprochen, dass ihre Gefühle füreinander im Alltag abflauen. Erfahrungen, die Anna einkalkulieren muss.

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