Alles beginnt mit einem Blumenkauf und alltäglichen Erlebnissen, die wir alle schon einmal erlebt haben. Man schlendert durch die Straßen, durch den Park, begegnet Bekannten und denkt über sich und die Menschen um sich herum nach. Nur das dieser Roman in London unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg spielt, sodass die Atmosphäre oft angespannt und bedrückend ist.
Mrs Dalloway kauft also Blumen für die Party, die sie noch am Abend des gleichen Tages veranstalten will. Sie ist eine Frau von Welt und kann ohne eine geordnete Welt um sich herum sowie ohne Luxus nicht auskommen. Doch aller Wohlstand und ihre gesellschaftliche Sonderstellung verlangen ihr einen hohen Preis ab. Denn sie gibt sich nicht, wie sie ist, sondern verstellt sich, um zu gefallen. Zu spät wird ihr ihr Selbstbetrug klar, dass sie beinahe Angst vor sich selbst empfindet. Sie ist zu einer Marionette der Konvention geworden und hat ihre wahre, sonst so ausgelassene und unkonventionelle Art hinter sich gelassen. Dies wird ihr insbesondere klar, als sie ihre Jugendliebe Peter Walsh wieder trifft. Er bewegt sich genauso wie Mrs Dalloways ehemalige Freundin Sally, die lesbische Neigungen hatte, am Rande der Gesellschaftsnorm und erschrickt, als er sie als gezähmte Hausfrau und Mutter erlebt, die doch sonst immer für ihre kommunistischen und feministischen Ideale gekämpft hat. Wie kann sich ein Mensch so verändern? Weil die Gesellschaft ihn dazu zwingt?
Ein weiterer Handlungsstrang erzählt von Septimus Smith, einem ehemaligen Soldaten, der im Ersten Weltkrieg gedient hat und sogar für seinen Kriegsdienst ausgezeichnet worden ist. Doch seit der Krieg vorbei ist, schafft er es nicht mehr, sich in die Gesellschaft zu integrieren, muss immerzu an Kriegsgreuel denken, hört Stimmen und kann die Welt um ihn herum nicht mehr ertragen. Seine Frau versucht sein Leiden mithilfe von Psychologen zu lindern, er aber will keine Hilfe mehr. Das Leben hat seinen Sinn eingebüßt und diese Sinnlosigkeit des Lebens zwingt ihn, sich schließlich das Leben zu nehmen.
Höhepunkt des Ganzen ist schließlich die Party, wo Mrs Dalloway ihre Freunde Sally und Peter ignoriert und sich somit für die feine Gesellschaft entscheidet, die sie nicht aufopfern kann und will. Reichtum ist für sie wichtiger als wahres Glück. Denn für sie ist wahrer Lebenssinn materieller Natur. Erst am Ende merkt sie wie nichtig ihr Lebenskonzept gewesen ist, sodass sie zeitweise Septimus' Lebenssinnlosigkeit teilt.
Wie man sehen kann, ist das Buch, obwohl es eigentlich Alltagsprobleme mit mikroskopisch genauem Blick beschreibt, wesentlich mehr als das, da es existenzielle Fragen wie die Frage nach dem Sinn des Lebens durchleuchtet. Außerdem ist Mrs. Dalloway die Geschichte einer Frau, die die Möglichkeit gehabt hat, sich zu emanzipieren, sich aber dagegen entscheidet, sodass hier auch feministische Problematiken zur Sprache kommen. Das Buch gewährt Einblicke in die weibliche Psyche in einer Tiefgründigkeit, wie man sie nur selten antreffen kann und entführt uns in die Gedankenwelten ganz verschiedener Charaktere. Es ist wichtig sich mit Sinn- und Seinsfragen zu beschäftigen, denn das macht den Menschen aus. Außerdem zeigt Septimus' geistiger Verfall, wie schlimm Kriegsfolgen auch auf psychischer Ebene sein können. Dieser pazifistische Ansatz ist gerade heute unerlässlich.
sunflower