Truman Capote – Sommerdiebe / Summer Crossing

  • Inhalt:


    Vor ihr liegt ein Sommer, in dem sie einen ganzen Kontinent zwischen sich und ihrer Familie weiß: Während ihre Eltern nach Europa segeln, bleibt die 17-jährige Grady McNeil allein zurück in einem New York ohne Aircondition, aber vielen Versprechen. Grady kann tun und lassen, was sie will. Und sie will eine Menge, bloss sich noch nicht in die reiche, feine Gesellschaft einfädeln, die sie nur müde macht. So verliebt sie sich in Clyde, einen jüdischen Jungen aus Brooklyn, der, zurück aus dem Krieg, als Parkplatzwächter arbeitet. Es ist ihr egal, dass sich ihre Mutter, einen anderen Schwiegersohn erträumt – eine standesgemässe, sichere Partie. Doch ein komfortables, risikoloses Leben ist das Letzte, was Grady interessiert. Sie schwirrt durch diese heißen Monate mit Clyde und seinen Kumpeln – erfüllt von einer Sehnsucht nach einer Welt mit lauter Unbekannten, wo nichts festgeschrieben ist und immer noch ein letztes Rätsel zu lösen bleibt.


    Zum Buch:


    Das Buch von "Sommerdiebe" (im Original "Summer Crossing") wurde erst im Jahr 2004 entdeckt. In einem Auktionskatalog von Sotheby's wurde ein Pappkarton von Capotes ehemaligem Housesitter aufgeführt. In dieser Kiste befanden sich auch vier handgeschriebene Schulhefte mit dem 1943 begonnenen, tasächlichen Debüt Capotes: ein Juwel de Weltliteratur.


    Meine Meinung:


    Ein feines kleines Buch, das viele Ansätze zu einer wunderbaren Familiensaga bietet. Ich fand die Leküre einfach bezauernd, prickelnd, lebensfroh und faszinierend. Wenn man bedenkt, dass Truman Capote zum Zeitpunkt der Entstehung erst 19 Jahre alt war, wird die Leistung noch bedeutsamer.
    Manche Stellen waren so brillant formuliert, dass mir fast die Tränen kamen.


    Ein amerikanischer Rezensent hat den Roman mit antialkoholischem Champagner verglichen - prickelnd wie richtiger Champagner, aber doch nicht so belebend.
    Dem möchte ich widersprechen - bei mir trafen Gradys spezieller Sommer und ihre erste große Liebe direkt ins Herz.


    Es ist von einigen kitisiert worden, dass die Charaktere flach bleiben, aber das Gefühl hatte ich nur bei Peter. Der Roman legt den Schwerpunkt auf Grady, deren Gefühlsleben ausführlich dargelegt wird, während die Männer der Geschichte zwar wichtig aber trotzdem eher Beiwerk sind.
    Allerdings waren meine Erwartungen an ein Manuskript von nur 139 Seiten nicht allzu hoch. Immerhin handelt es sich hier um eine Momentaufnahme, die Merkmale einer Kurzgeschichte aufweist (abrupter Anfang, überraschendes Ende).


    Wahrscheinlich liegt der Reiz für mich in Gradys Persönlichkeit: sie gehört der High Society New Yorks an, wehrt sich aber entschieden gegen ihre Position im Leben. So kann sie dem großen Wunsch ihrer Mutter Debütantin zu werden, nur ein müdes Lächeln abgewinnen und hoffen, dass die Zeit für sie spielt. Was sie auf eigentümliche Weise auch tut. :-# Sie ist mutig, hat einen eigenen Kopf, schräge Einfälle und lebt nonkonformistisch und spricht so die Rebellin in der Leser in an.


    Mir hat das Lesen jedenfalls viel Spaß gemacht und ich fühlte mich gut unterhalten.

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +

    Einmal editiert, zuletzt von Fezzig ()

  • Mir hat das Buch auch recht gut gefallen.
    Eine wunderbare, bildhafte Sprache fängt den Leser ein und trotz hohem sprachlichem Niveau ist das Buch mit seinen nur 140 Seiten rasch gelesen. Die Zeiten- und Sprachsprünge machten mir keine Probleme, doch es ist die volle Aufmerksamkeit des Lesers gefordert, da manche Dinge nur angedeutet und erst später (oder auch gar nicht) aufgelöst werden.


    Beeindruckend die Atmosphäre und die detaillierten Milieuschilderungen und auch Charaktere. Ich finde nicht, dass sie nur flach beschrieben sind. Ja, Peter vielleicht, aber er ist wohl genau so, wie er beschrieben wird - ein Schnösel ohne Tiefgang, nicht unsympathisch, aber doch oberflächlich.


    Das wohlbehütete Mädchen Grady aus der reichen Familie, deren Zukunft schon von den Eltern (v.a. der Mutter) zurechtgeschneidert wurde aber mit all dem nichts anzufangen weiß, will aus ihrer Welt ausbrechen und das Leben kennen lernen. Ihre Empfindungen werden meiner Meinung nach sehr gut beschrieben. Sie sehnt sich nach aufrichtiger Aufmerksamkeit und Geborgenheit.
    Im Gegensatz dazu das karge Daseins des Clyde mitsamt seiner Familie, die nicht gerade auf die Butterseite gefallen ist. Die Standesunterschiede werden schonungslos bewusst und auch die Tatsache, dass Grady wohl bei Clyde nicht das findet, wonach sie sucht.


    Ein wunderbares Buch für einen Nachmittag, und doch sehr beeindruckend, dass es von einem 19-jährigen geschrieben wurde!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Es handelt sich hierbei um Fragment, das sollte man als Leser wissen, ich bin leider ahnungslos in diese Lektüre hineingeschlittert :uups:


    Zitat

    aus dem Buch
    Selbst wenn es, an seinen späteren Werken und wahrscheinlich seinen eigenen Anspruch gemessen, noch kein perfekter Roman ist. Truman Capotes außergewöhnliches Talent sei jedoch schon klar zu erkennen. S. 145


    Ja, seine Sprachgewalt ist ganz deutlich zu erkennen, es gibt Passagen, welche so gut beschrieben sind, das man das Gefühl hat, direkt daneben zu stehen. Viele Metaphern und eine bildhafte Sprache versüßen dieses Werk wirklich. Oft kommen auch die Gedanken der Protagonisten sehr klar rüber, aber manchmal steht man auch total im Dunklen, oder er springt einfach weiter.


    Also insgesamt bin ich nicht ausreichend vom Werk überzeugt, höchstwahrscheinlich war das der dümmste Einstieg in Capote, den man nur machen kann. Ich denke, erst ein eingefleischter Capote Fan, weiß dieses Werk wirklich zu schätzen. (Werde es bestimmt noch einmal lesen, wenn ich andere Werke vom Autor gelesen habe.)

  • Das Manuskript von „Sommerdiebe“ wurde erst im Jahre 2004 entdeckt. Es gilt nun als der erste Roman von Truman Capote, sein tatsächliches Debüt. Vielerorts wurde der Roman als ein Juwel der Weltliteratur bezeichnet.
    Die 145 Seiten lesen sich sehr schnell und es ist kein Buch, welches Leben verändert oder welches einem sehr lange im Gedächtnis bleibt. Mit dem Lesen des Buches fühlt man zwei bis drei Stunden im Lesesessel mit angenehmer Unterhaltung aus – mehr nicht. Es ist eine nette Geschichte, in der die handelnden Personen nach meiner Meinung doch etwas konturlos sind. „Sommerdiebe“ ist sicherlich kein Meilenstein der Literaturgeschichte. Wegen dieses Romans würde ich den Kauf eines anderen Buches nicht zurückstellen.
    Seinen Erfolg verdankt das Buch sicher auch der Tatsache, das es erst vor zwei Jahren gefunden wurde und damit auch die Biographie von Truman Capote vielleicht in einigen Punkten geändert werden muss.
    Als eine literarische Sensation sehe ich die Veröffentlichung dies Debütromanes nicht.

  • Ich hatte dieses Buch auf meiner Geburtstagswunschliste stehen und habe es nach mehreren Anläufen letzte Woche beendet.
    Ich fand die Sprache von Capote sehr beeindruckend, aber wie Voltaire schon geschrieben hat, ist es eher etwas Kurzweiliges. Aber in meinen Augen sagt das nichts über die Qualität des Stückes aus, die ich in diesem Werk trotzdem entdecken kann.


    LG,
    Casoubon.

  • Ich finde auch, dass das Buch zeigt, welches Talent in Truman Capote steckt, doch als "literarisches Juwel" oder "Meilenstein der Literaturgeschichte" würde ich es nicht bezeichnen.
    @Voltaire: in wie weit müsste deshalb Capotes Biografie umgeändert werden? :?:

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Ich habe "Sommerdiebe" vor einigen Wochen gelesen und war sehr beeindruckt. Eure Meinungen zu diesem Buch verblueffen mich allerdings etwas, denn sie erwecken den Eindruck, als handele es sich um eine leichte, beschwingte Sommergeschichte. Das ist sie aber mitnichten! Sie beginnt so, wandelt sich aber bald und endet ganz anders.


    Auch dass das schmale Buch sich rasch lesen laesst, spricht nicht gegen sein literarisches Gewicht. Es ist erstaunlich, dass ein 19jaehriger schon eine so sichere, klare Prosa schreibt, die Gedanken, Gefuehle und Stimmungen nicht nur praezise wiedergibt, sondern sie zwischen den Zeilen noch nachschwingen, nachhallen laesst. Neben etlichen klugen Beobachtungen findet sich eine Fuelle von ganz eigenen Ausdruecken und Metaphern, mit denen er die Personen und ihre Beziehungen zueinander charakterisiert.


    Da ist das Upperclass-Girl Grady mit ihrem Lebenshunger, ihrem Grauen vor einem wohlgeordneten, abgesicherten Leben ohne Ueberraschungen, ihrer inneren Unrast und ihrer Zerrissenheit. Da ist ihr bester (und einziger) Freund Peter, der wie sie einzelgaengerisch und unangepasst ist, aber anders als sie nicht aus seinem Leben ausbrechen will (aus Feigheit oder aus der Erkenntnis heraus, dass es unmoeglich ist?). Flapsig und zynisch, wie er sich gibt, wird er sich immer staerker seiner mehr als freundschaftlichen Gefuehle fuer Grady bewusst. Und da ist der aus einem kleinbuergerlichen Milieu stammende, leicht machohafte Clyde, in den Grady sich verliebt hat. Bei ihm hofft sie, Abenteuer, Risiko, Lebensintensitaet zu finden, merkt aber langsam, dass ihre beiden Welten nicht zusammenpassen, dass sie die familiaere Enge und dumpfe Beschraenktheit seiner Welt geauso wenig ertragen kann wie die konventionelle, vorhersehbare Gediegenheit ihrer eigenen Welt. Clyde, dem sie intellektuell ueberlegen ist, ist ihr zwar ehrlich zugetan, aber er versteht sie nicht, im Grunde bleibt sie ihm fremd.

    Die flimmernd heissen, hoffnungsvollen Sommertage, die aufregenden, gluehenden Sommerabende, sie werden immer mehr zum Fieberwahn, zum bedraengenden und beklemmenden Fiebertraum...


    Ein literarischer Meilenstein ist das Buch sicher nicht - das sind nur wenige Buecher-, aber ein starkes literarisches Debuet ist es schon.

    Grady, Clyde und Peter und ihre Sommergeschichte, die so verheissungsvoll beginnt und so bitter endet, spuken mir jedenfalls immer noch im Kopf herum.

    Gruss Monika

    :study: Olga Tokarczuk - Gesang der Fledermäuse

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















    Einmal editiert, zuletzt von mofre ()

  • Meine Meinung:
    „Frühstück bei Tiffany“ ist eines der Bücher, die ich besonders gern mag. „Sommerdiebe“ ist das Jahrzehnte lang verschollene Erstlingsfragment des gleichen Autors. Und genau das ist es in meinen Augen, ein Fragment, auf eine ganz eigentümliche Art unfertig.
    Dabei fehlt es nicht an sprachlicher Gewandtheit oder gelungenen Beschreibungen. Grady ist ein Charakter, der dem Autor besonders gut gelungen ist. Die anderen blieben mir etwas farblos. So gefielen mir die Abschnitte, in denen die rebellische 17jährige in Erscheinung tritt besonders. In diesen Abschnitten war die Sprache ausgezeichnet, die gesellschaftlichen Unterschiede waren fein gezeichnet und man konnte das Können des Autors, mit dem er in späteren Werken brillierte, spüren. Dann kam es häufiger zu Brüchen in Sprache und Handlung. Meines Erachtens lässt der Roman zum Ende hin deutlich nach. Der abrupte Schluss ist dafür symptomatisch.


    Alles in allem war dieses Buch eine nette Unterhaltung, die sich an einem Nachmittag flüssig und leicht lesen ließ. Ich fand es etwas naiv, aber der Autor war ja zu dem Zeitpunkt, als er „Sommerdiebe“ schrieb, erst 19 Jahre alt. Ob es in seinem Sinn war, dass dieses Fragment veröffentlicht wurde?

  • Mario

    Hat den Titel des Themas von „Truman Capote - Sommerdiebe“ zu „Truman Capote – Sommerdiebe / Summer Crossing“ geändert.