Margaret Atwood - Der Report der Magd / Die Geschichte der Dienerin / A Handmaid's Tale

  • ich traute mich nicht, es zu gestehen.


    dafür gibt es gar keinen Grund :wink: Uns interessiert jede Meinung, auch wenn sie anders als die der Mehrheit ist - gerade dann ist es doch interessant, warum jemand so anders empfindet bei einem Buch.

  • @Squirrel
    ja da hast Du recht--stimmt.
    Also ich kam mit den kurzen Sätzen und dem Schreibstil nicht zurecht.
    Inhaltlich wäre es wohl interessant gewesen.
    Dennoch habe ich wenig erfassen können, weil ich oft zurücklesen musste um mir die beschriebene Situation vorzustellen.
    Es klickte nicht- leider.
    Habe meinem Liebsten ohne Meinungsäußerung den Roman zum einlesen gegeben.
    Nach einer halben Stunde sagte er : " Ich gebe auf , gefällt mir nicht " :|

  • Also ich kam mit den kurzen Sätzen und dem Schreibstil nicht zurecht.
    Inhaltlich wäre es wohl interessant gewesen.


    Das ist schade, denn der Stil ist zwar eigen, aber dem Buch, der Thematik, der Geschichte richtig gut angepasst. Aber wenn es einfach nicht passt, dann ist das halt so, denn erzwingen geht ja nun auch nicht. :wink:

  • Das Buch hallt immer noch in mir nach und das obwohl ich es vor fast einem Monat beendet habe. Der Grund dafür ist die unglaubliche Intensität, die ich beim Lesen verspürt habe. Ich habe mir vorgestellt, wie es wäre mit Scheuklappen durch die Gegend zu gehen, ohne den Blick heben zu dürfen, ohne meine Meinung äußern zu können und auf jedes Wort und jede Bewegung achten zu müssen, die ich von mir gebe. Es war wirklich schwierig und ich fühlte mich die ganze Zeit eingeschränkt und unwohl.
    Ebenso war es sehr erschreckend, wenn man darüber nachdenkt, dass dieses Szenario durchaus realistisch sein könnte. Es ist nicht so weit hergeholt, wie viele andere. Dennoch gibt es Sekten, die gewisse eigene Regeln haben und deren Mitglieder stark einschränken. Bei Verstoß wartet eine Strafe, also fügt man sich dem kleineren Übel und lebt ein Leben, welches man so im Grunde nicht mehr nennen kann. Die Argumente, die hier zum Tragen kamen, kann man sogar durchaus als schlüssig sehen, werden sie doch auf einer vorhergegangen Katastrophe aufgebaut. Ich kann mir gut vorstellen, dass, wenn der Schock tief genug sitzt, solche Entscheidungen sogar begrüßt werden, um eine weitere Katastrophe zu vermeiden.
    Durch die Ich-Perspektive der Protagonistin sind wir ganz nah an ihren Gedanken und Gefühlen, können uns die Welt in der sie nun lebt, nur stückweise zusammenbasteln. Das macht die Geschichte noch authentischer und intensiver.


    Fazit: Eine bedrückende Erzählung, die durchaus im Rahmen des Möglichen sein könnte :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Das Buch ist unglaublich komplex, und in seiner Komplexität beunruhigend glaubhaft. Alles ist stimmig, jedes Puzzleteilchen passt perfekt in das düstere Gesamtbild... Und das macht es so einfach, wenigstens für einen Moment daran zu glauben, dass diese Zukunftsvision Wirklichkeit werden könnte, so fremdartig die Republik von Gilead dem Leser auch erscheinen mag. Manchmal hatte ich fast den Eindruck, keine mögliche Zukunft zu lesen, sondern eine Vergangenheit, wie sie beinahe passiert wäre.


    Originell fand ich auch, wie die Autorin in ihrem Werk verschiedene Themen wie Rassismus, Frauenrechte, Umweltverschmutzung und Radikalisierung einfließen lässt - und beeindruckend, dass dabei etwas herauskommt, was sich auch nach 30 Jahren nicht wie ein angestaubtes Lehrstück liest, sondern spannend und bewegend.


    Der Leser folgt dem Alltag der Magd Desfred, die schon so weit gebrochen wurde, dass sie gar nicht mehr versucht, gegen das System zu kämpfen. Deswegen gibt es keine dramatischen Verfolgungsjagden oder Kampfszenen; Desfred rebelliert allerhöchstens im Kleinen und versucht, sich im Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten ein klein wenig Selbstbestimmung zu verschaffen.


    Schon der heimliche Besitz eines verbotenen Streichholzes kann für sie ein trauriger Triumph sein.


    Ihren größten Akt der Rebellion (eine heimliche Affäre) wagt sie erst, nachdem die Frau ihres "Kommandanten" sie fast schon dazu getrieben hat.


    Und dennoch hatte ihre Erzählung auf mich eine unwiderstehliche Sogwirkung. Das Grauen dieser Welt lag für mich gerade darin, wie schnell diese Theokratie ihrer Bevölkerung anscheinend jeden Kampfwillen geraubt hat, der über das Unmittelbare hinausgeht. Die meisten Menschen brechen die Regeln nicht, um das System zu stürzen, sondern um ihren Platz in diesem System zu verbessern.


    Die meisten der Charaktere lernt man nicht tiefgehend kennen. Das liegt allerdings nicht daran, dass das Buch schlecht geschrieben wäre, sondern daran, dass die Menschen sich in dieser Gesellschaft nicht mehr trauen können und deswegen leere Floskeln herunterbeten, statt sich ehrlich zu unterhalten.


    Einzig Desfred ist mir im Laufe des Buches ans Herz gewachsen, auch wenn ich mir oft gewünscht hätte, dass sie etwas mehr wagt und die Dinge nicht klaglos hinnimmt. Aber ich konnte sie auch verstehen, denn sie erlebt immer wieder, was Widerstand einen in Gilead kosten kann. Deswegen werden die Menschen ja gezwungen, sich Hinrichtungen anzuschauen! Ich fand ihre Gedanken herzzerreißend, und so nach und nach gewinnt man als Leser einen Eindruck davon, wer sie früher einmal gewesen sein muss, bevor die Demokratie fiel.


    Der Schreibstil ist manchmal karg, manchmal eindringlich und melancholisch, aber in meinen Augen immer meisterhaft und außergewöhnlich. Es schwingt ganz viel mit zwischen den Zeilen, im Ungesagten.


    Fazit:
    Eine totalitäre Theokratie in naher Zukunft, in der Frauen jegliche Rechte aberkannt werden. Eine "Magd", die gezwungen wird, sich von einem einflussreichen Mann als Leihmutter benutzen zu lassen. Eine unfassbar grausame, perfide durchstrukturierte Welt, in der niemand wirklich frei ist.


    Das Buch ist vor 30 Jahren erschienen, und es lässt sich nicht leugnen, dass es sich in Stimmung, Botschaft und Schreibstil stark von den den aktuell so beliebten Dystopien unterscheidet, die sich überwiegend an junge LeserInnen richten - in meinen Augen ist es eher mit "1984" verwandt als mit "Die Tribute von Panem". Das heißt meiner Meinung nach aber nicht, dass es sich für moderne junge LeserInnen nicht lohnt, ganz ihm Gegenteil! Aber es ist ein Buch, auf dass man sich einlassen muss und dem man Zeit geben muss.

  • Margaret Atwood hat gerade bekannt gegeben, dass im September 2019 The Testaments, eine Fortsetzung zu The Handmaid's Tale erscheinen wird. Die Inspiration zu diesem neuen Roman kommt aus den vielen Fragen der Leser zu Gilead und aus der Welt in der wir leben.

  • Ob ich das gut finde, weiß ich noch nicht; eigentlich freue ich mich über jedes Buch, das ein Einzelband ist und bleibt. Trotzdem: Bitte melden, wenn jemand etwas von einer Übersetzung weiß, denn lesen werde ich es auf alle Fälle.


    Auch ein guter Grund, "Der Report der Magd" dann kurz vorher nochmal zu lesen.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Eine Zusammenfassung des Inhalts und Angaben zur Autorin finden sich in Squirrel s Beitrag.

    Auch ein guter Grund, "Der Report der Magd" dann kurz vorher nochmal zu lesen.

    Manchmal setze ich meine guten Vorsätze tatsächlich in Taten um. Dieses Buch habe ich jetzt zum wiederholten Mal gelesen. Immer wieder interessant, wie unterschiedlich man in verschiedenen Lebenssituationen und –altersphasen empfindet.


    Mitte der 1980er hatte ich den Roman unmittelbar nach der Übersetzung ins Deutsche gelesen. Ich war ebenso erschüttert wie nach der Lektüre von „1984“; weniger wegen des Szenariums, sondern eher aus Mitgefühl der Protagonistin gegenüber. Die Möglichkeit, dass unser demokratisches System umschlagen könnte in eine Theokratie war absolut undenkbar, hatten wir uns doch gerade von Dogmen und Katechismusregeln befreit und unser Gewissens in punkto Moral und Ethik zur Eigenständigkeit erzogen. Was den Feminismus angeht: Nein, zufrieden waren wir nicht, aber viel war schon erreicht, und den Rest würde uns die Zeit bescheren.


    Um die Jahrtausendwende fiel der Fokus dann doch wieder auf die Rolle der Frau. Längst hatten sich nicht alle Wünsche und Forderungen der FrauenrechtlerInnen erfüllt, und längst waren nicht die herkömmlichen Rollenmodelle aus den Köpfen getilgt. Von einer bigotten Staatsform war der Westen zwar weit entfernt, doch die Schere zwischen denen, die das Sagen, das Geld und den Einfluss hatten und den anderen begann auf zu klaffen.


    Und jetzt, im Jahr 2019? Sind wir so weit, Atwood prophetische Gaben zu attestieren? Was Digitalisierung und Bewachung / Beobachtung der Bürger betrifft, ist sie auf der Spur, hat aber das Ausmaß noch nicht einschätzen können. Funktionalisierung und Entmenschlichung schildert sie, von denen man heute nicht weit entfernt ist. Die Szenarien mögen der Phantasie der Autorin entsprungen sein; die emotionale Reaktion der Opfer darauf scheint umso authentischer.

    Gut getroffen auch die Personen, die sowohl als Einzelnfiguren auftreten als auch für eine Gruppe stehen, drei Arten von Männern gegenüber drei Arten von Frauen: die mächtigen Kommandanten, die Engel (=Soldaten) und Wächter (Spitzel, Spione, Handlanger) / die Ehefrauen, die sich mit ihrer Rolle als hübsches Anhängsel arrangiert haben, die Mägde als Gebärmaschinen und Marthas, die den Haushalt führen und niedere Tätigkeiten verrichten.

    Was heute erschreckt, leider nicht mehr verwundert: Dass die umwälzenden Änderungen aus der Mitte eines demokratischen Staates wirksam werden. Dass der Protest erst auftritt, als es zu spät ist. Dass niemand einen Plan hat, wohin dieses Gesellschaftssystem rudert.


    Man darf auf einen Re-Read in ca. 10 Jahren gespannt sein.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Dieses Buch wurde bereits 1985 geschrieben und ist immer noch aktuell. Frauen haben dafür gekämpft, dass sie gleichberechtigt sind. Nicht alles war geschafft, aber wir befanden uns auf einem guten Weg. Doch in letzter Zeit wendet verändert sich diese Entwicklung und orientiert sich rückwärts. Es ist erschreckend.

    Aber genauso erschreckend ist es, was Desfred in der Republik Gilead erlebt. Man hatte sie vor eine Wahl gestellt, die kaum eine war. Entweder sie wurde an der Mauer gehenkt oder sie fügt sich in das Leben als Magd. Als Magd hat sie Kinder zu gebären für Frauen, denen es nicht möglich ist, ein Kind auszutragen. Nur dafür ist sie da, ansonsten hat sie keine Rechte. Alles in Gilead ist Regeln unterworfen und diese Regeln verbieten Frauen, dass sie Lesen und Schreiben dürfen. Sie müssen seltsame Kleidung tragen, an der man erkennen kann, was sie sind und die den Blick einschränkt. Es gibt Wächter, Tanten, Marthas und Mägde. Aber eines kann man nicht verhindern, dass Frauen denken.

    Der Schreibstil ist flüssig zu lesen, die Atmosphäre aber bedrückend und düster. Wir erfahren diese Geschichte aus der Perspektive von Desfred. Sie hat nicht viel zu tun und daher Zeit, Zeit zum Nachdenken. Ihre Gedanken schweifen immer wieder ab in die Zeit vor Gilead, als sie noch über sich selbst bestimmen konnte und Mann und Kind hatte. Diese Gedanken sind nüchtern und sehr sprunghaft. Die Charaktere blieben mir zu fremd, als dass ich hätte mit ihnen fühlen können.

    Auch wenn ich finde, dass das Buch Längen hat, so war es durchaus auch spannend. Das Ende lässt einen etwas ratlos zurück, denn es bleibt vieles offen.

    Es ist eine bedrückende Geschichte über eine Gesellschaft, die totalitär und patriarchalisch geprägt ist und mich eigentlich nur wütend gemacht hat.

  • Margaret Atwood - Der Report der Magd



    Desfreds düstere Welt


    Nach der Lektüre von "Der Report der Magd" von Margaret Atwood kann ich wieder nur staunen, was für ein unglaubliches Talent zum Schreiben diese Autorin hat. Ein mich derartig packendes Buch hatte ich schon lange nicht mehr, aber gut, das wird auch an diesem schon extrem düsteren Thema liegen und noch mehr daran, wie die Atwood das literarisch umsetzt. Perfekt gemacht in meinen Augen. Nun ist das Buch schon vor vielen Jahren erschienen (1985; deutsch 1987), man könnte denken es hätte einen etwas altbackenen Charme. Aber nein, ganz im Gegenteil, die Thematik passt sogar sehr gut in die heutige Zeit, hat ihre Relevanz nicht wirklich verloren, sondern eher in meinen Augen noch an Relevanz gewonnen. Gerade in den letzten Jahren hat es auf der Bühne der Welt viele Ereignisse gegeben, die mich etwas erschrecken lassen, mich sogar an der Intelligenz der Gattung Mensch zweifeln lassen. So dass vieles aus diesem Buch seine Entsprechung in der heutigen wie auch vergangenen Zeit findet. Gerade auch das Thema der Unterdrückung von Frauen in dieser patriarchalen Welt des Buches findet durchaus auch seine passenden Übereinstimmungen in heutigen wie auch vergangenen Zeiten quer über unseren Erdball verteilt. Und gerade das macht dieses Buch noch eine Spur düsterer in meinen Augen. Und obwohl das Buch eine Dystopie ist, wirkt manches in ihm gar nicht dystopisch, sondern erschreckend real!





    Zur Handlung: Die Erzählerin, Desfred, beschreibt ihr Leben als Magd im Hause ihres Kommandanten Fred im Staate Gilead. In diesem Staat Gilead, der auf dem Boden der heutigen USA angesiedelt ist, haben nach einer Naturkatastrophe, die einen größeren Teil der Welt verstrahlt hat, religiöse Fanatiker in einem Staatsstreich die Macht an sich gerissen. Die Bevölkerung wird durch Sicherheitskräfte dieser Fanatiker überwacht, ist in verschiedene Klassen gespalten, die durch den vorgeschriebenen Kleidungsstil ihrer weiblichen Mitglieder erkennbar sind. Durch die erwähnte Naturkatastrophe ist ein großer Teil der Bevölkerung verstrahlt und zeugungsunfähig, um ihr Volk zu erhalten müssen alle zeugungsfähigen Frauen als Mägde "arbeiten", müssen der höhergestellten Schicht zu Diensten sein, müssen empfangen, müssen gebären, haben ihre ehemaligen Namen/ihre Identität verloren, tragen nur noch eine Besitzangabe als Namen, Desfred, Deswarren, Desglen. Bei einer Weigerung der jeweiligen Frau könnte die Strafe ein Leben in den verstrahlten Kolonien sein, also ein langsames Sterben. Des Weiteren sind den Frauen arbeiten, der Besitz eines Kontos, lesen, schreiben, kommunizieren, ein selbstständiges Leben führen verboten, sie sind dem Manne untertan und verpflichtet ein sittsames/züchtiges Leben zu führen. Überwacht wird die Bevölkerung durch allgegenwärtige Sicherheitsorgane, die bei einem Zuwiderhandeln gegen das geltende Gesetz schreckliche Strafen gegen die Bevölkerung einsetzen, oft den Tod, hier zynisch die Errettung genannt. Ein Klima der Angst vor Repressalien und vor der Spionage deiner Mitbürger herrscht. Eine schreckliche Welt! noch schrecklicher ist es für Desfred, da sie sich noch an eine Zeit davor erinnern kann. In diesen Rückblicken berichtet sie wie es dazu kommen konnte. Und in diesen Erinnerungen tauchen auch ihr Mann Luke und ihre Tochter auf. Furchtbar!





    Diese Art der Geschichte ist schon schwer für die Leser zu ertragen, dazu erinnert noch vieles Geschriebene an Jetziges und Vergangenes und immer mehr erkennt man beim Lesen, dass das zwar eine Fiktion ist, aber vieles in den Köpfen von realen Menschen wiederzufinden ist. Und damit gewinnt das Buch eine unheimliche Relevanz und fördert beim Lesen eine gewisse Angst, aber auch einen starken Protest.





    Die Sprache der Atwood ist wie immer köstlich, man merkt ihr den Spaß an der Sprache an und das trotz der Übersetzung. man merkt diesen Tanz/dieses Spiel mit den Wörtern, dieses Gefühl für den Klang. Und das gefällt ungemein! Und ihr köstlicher, oft etwas zynischer Humor und eine bissige Sprache machen Spaß und lassen diese grausame Geschichte etwas leichter werden.



  • Ich habe das Buch heute beendet und ich bin immer noch sprachlos. Mal schauen ob ich es überhaupt schaffe meine Gedanken in Worte zufassen.

    Außerdem wollte ich noch kurz anmerken, dass ich dass Buch in Englisch gelesen habe. Das Englisch war sehr einfach, nur an den Schreibstil musste ich mich etwas gewöhnen (mehr dazu nachher).


    "A rat in a maze is free to go anywhere, as long as it stays inside the maze."


    Magaret Atwood hat mit Gilead ein Zukunftsszenario geschaffen, welches ein wahrer Alptraum ist. Durch zahlreiche Katastrophen sinkt die Geburtenrate der USA und eine Religiöse Gruppe sieht dies als Grund die Herrschaft an sich zu reißen. Es entsteht eine Klassengesellschaft, in der Männer ganz oben stehen. Was mich sehr abschreckt ist, dass dieses Szenario durchaus möglich sein kann und wie in vielen anderen Dystopien, würde ich in dieser Welt auf keinen fall leben wollen.


    Das gesamte Buch über begleiten wir Offred, die eine sogenannte "Handmaid" ist. Wir erleben alle Ereignisse die sie im Buch erlebt immer aus ihrere Sicht und zu dem bekommen wir auch noch Flashbacks, in denen sie aus der Zeit vor, während der Übernahme und kurz danach berichtet.

    Ich habe Offred am Anfang als einen sehr kalten Charakter wahrgenommen, was daraus schließen lässt, dass man anders in dieser Welt nicht überleben würde.

    Jedoch merkt man, dass sie sich in dieser grausamen Welt nur nach Liebe und Wärme sehnt.


    Wir lernen die verschiedensten Menschen kennen. Da wäre zum Beispiel Moira, die eine Freundin von Offred ist und die beiden sehen sich immer wieder. Dann gibt es noch die zwei Hausangestellten, die in ihrem neuen Haushalt arbeiten. Rita ist eher negativ auf Offred zu sprechen, Cora hingegen fiebert dem Eintreffen eines Baby entgegen. Beide waren sehr unterschiedlich, aber auch sie haben zusammen gehalten und ihr bestes in dieser Welt versucht.

    Als letztes möchte ich noch auf den Commander und seine Ehefrau eingehen. Die meisten Frauen können keine Kinder mehr bekommen und daher haben die "Ehefraue" auch einen Grund sehr eifersüchtig auf die "Handmaids" zu sein. Serena Joy scheint sich zu Anfang überhaupt nicht für Offred zu interessieren, obwohl sie ja "ihr" Kind austragen soll. Was man nicht vergessen darf ist, dass diese "Ehefrauen" fast genauso wenig Rechte wie alle anderen Frauen haben. Auch sie werden in ihrem Dasein eingeschränkt.


    Offred schweift in ihren Erzählungen oftmals zu den schönen Dingen, die sie in ihrer Umgebung sieht. Zum Beispiel werden sehr oft Blumen erwähnt und ich denke sie sieht darin einen Weg ihr Leben etwas heller zu gestalten.


    Dadurch ist auch der Schreibstil geprägt. Sehr oft werden Räume, Orte und Gegenstände sehr genau beschrieben. Auch gab es manchmal bei mir Verwirrungen, da ich öfters die Gedanken von Offred nicht ganz verfolgen konnte. Zum Beispiel vergleicht sie an einer Stelle Gott mit einem Ei und ich habe erst nicht verstanden was sie meint. Versetzt man sich jedoch richtig in die Charaktere, kann man sich gut herleiten was damit gemeint ist.


    Das Ende hat nochmal richtig reingehauen und ich bin sehr überrascht damit gewesen. Vor allem das aller letzte Kapitel hat mich sehr überrascht und ich hätte mir kein besseres Ende vorstellen können. Auch wenn ich schon neugierig bin...aber bevor ich gleich Spoiler einbaue, lest das Buch einfach selbst.


    Fazit


    Das Buch konnte mich sehr fesseln und ich bin begeistert von dem Werk das Magaret Atwood erschaffen hat. Sie hat hier eine Welt kreiert, die so authentisch ist, dass es schon fasst gruselig ist.

    Von mir gibt es 5 Sterne und ich sichere diesem Buch einen Platz bei meinen Jahreshighlights.

  • Vicisbookblog : Es gibt zu dem Roman auch eine Fortsetzung, die letztes Jahr erschienen ist.

    Die erreicht nicht mehr die Wucht des ersten Romanes, ist aber immer noch sehr lesenswert. Besonders wenn man die Serie gesehen hat, weil man hier einiges über Tante Lydia bzw, die Organisation der Tanten, im Allgemeinen, erfährt.

    Ansonsten volle Zustimmung, der Report der Magd ist auch eines meiner absoluten Lieblingsbücher. Gut das es die Serie gab, wer weiß wann ich es sonst entdeckt hätte.

    "Ich bin eitel, hochmütig, tyrannisch, blasphemisch, stolz, undankbar, herablassend - bewahre aber das Aussehen einer Rose" Pita Amor

  • Das Buch habe ich vor vielen Jahren gekauft und dann unbeachtet im Regal stehen lassen. Da jetzt die Fortsetzung erschienen ist, bin ich neugierig geworden und habe das Buch hervorgeholt, um mal kurz rein zu lesen. Dann habe ich gleich die ersten hundert Seiten verschlungen.

    Desfred, eine Magd, erzählt ihre Geschichte in der Ich-Form. Dadurch ist man unmittelbar in der Handlung. Es passiert eigentlich nichts, trotzdem ist es der Autorin gelungen, mich so zu fesseln, dass ich nicht aufhören wollte zu lesen. Die ganze Zeit habe ich mich gefragt, wie es in der Gesellschaft so weit kommen konnte und es sich niemand aufgelehnt hat. Im Laufe des Buches erfährt man dann doch, dass sich die einzelnen Personen kleine Freiheiten nehmen um die Situation erträglicher zu machen. Der Epilog war sehr aufschlussreich. Er hat mich einen neuen Blick auf das Buch werfen lassen.

    Da Ende fand ich etwas unbefriedigend. Ich hätte schon gern gewusst, was weiter mit Desfred passiert. Zum Glück habe ich die Fortsetzung "Die Zeuginnen" hier liegen, so das ich gleich weiter lesen kann.

    Besonders hat mich der Schreibstil von Frau Atwood beeindruckt.

    Sub: 5537:twisted: (Start 2024: 5533)

    Gelesen 2024: 14 / 1 abgebrochen

    gelesen 2023: 55/ 2 abgebrochen / 26075 Seiten

    gelesen 2022: 65 / 26292 Seiten

    gelesen 2021: 94 / 1 abgebrochen / 35469 Seiten


    :montag: Anders Roslund - Engelsgabe

    :study: John Katzenbach - Der Wolf


    Lesen... das geht 1 bis 2 Jahre gut, aber dann ist man süchtig danach.

  • Da Ende fand ich etwas unbefriedigend. Ich hätte schon gern gewusst, was weiter mit Desfred passiert. Zum Glück habe ich die Fortsetzung "Die Zeuginnen" hier liegen, so das ich gleich weiter lesen kann.

    Die Fortsetzung ist genauso gut geschrieben, ich bin fast durch. Allerdings erfährst du nichts über Desfreds Schicksal, nur so zur Vorwarnung. :wink:

  • Geburtenrückgang auf Grund Umweltverschmutzung, aber auch Selbstbestimmung von Frauen in Bezug auf Schwangerschaft, führt zu einer Revolution und der Entstehung eines totalitären, theokratischen Staates, Gilead genannt, in dem die Frauen auf ihre Fruchtbarkeit reduziert werden. Wie schon in der Bibel müssen Frauen, die sich als fruchtbar erwiesen haben, für unfruchtbare Frauen Kinder bekommen. Sie werden, in Analogie zur biblischen Geschichte von Jakob, Rahel und Bilha Mägde genannt.


    Eine dieser Mägde ist Desfred (im Original Offred), alleine dieser Name zeigt schon die ganze Perfidie, mit der Frauen hier behandelt werden – sie gehört dem Mann, dem sie gerade dient, als des Freds Magd oder of Fred. Auch der Geschlechtsakt zwischen Magd und Mann bzw. die Geburt des daraus entstandenen Kindes schlägt in die selbe Kerbe, denn die Ehefrau des Mannes ist immer dabei, im Grunde ist die Magd dabei nur eine Art Zwischenmedium und das Kind gehört der Ehefrau.


    Die Autorin lässt Desfred selbst in Ich-Form erzählen, immer wieder erinnert sich die Frau dabei an ihr Leben vorher mit Mann und Kind, aber auch an ihr Leben in der Umerziehungsanstalt, in der aus den fruchtbaren Frauen gehorsame Mägde gemacht werden. Doch Desfred hat sich ein Stück Unabhängigkeit erhalten, ihre Gedanken kann ihr niemand nehmen und im Laufe der Geschichte setzt sie ein paar Mal ihr Leben aufs Spiel. Hinrichtungen sind in Gilead an der Tagesordnung, und schon zu lesen kann eine Magd ihre Hand kosten. Männer sind durchaus auch gefährdet, aber es gibt auch geheime Clubs für Hochgestellte, in denen diese ihren Trieben frönen können.


    Am Ende bleibt offen, ob Desfred hingerichtet wird, überlebt oder sogar flüchten kann, erfährt der Leser nicht. Allerdings gibt es noch eine Art Nachwort, „Historische Anmerkungen“ genannt, in dem im 22. Jhdt. rückblickend der Staat Gilead analysiert wird und man dafür auch Desfreds Report heranzieht. Mittlerweile gibt es auch eine Fortsetzung „Die Zeuginnen“, in der man wohl mehr über Desfreds Schicksal erfährt.


    Der Roman ist erschütternd, aber, wenn man sich die Geschichte der Frauen anschaut, womöglich gar nicht so unrealistisch – und das ist eigentlich das erschreckendste daran. Dazu trägt auch Atwoods Sprache bei, denn Desfreds Report zeugt von einer gebildeten Frau, der ihre Bildung aber nahezu nichts mehr nützt. Dass es diesen Report überhaupt gibt, lässt hoffen, dass sie dem Regime entkommen konnte, denn dort war Frauen nicht nur das Lesen, sondern auch das Schreiben verboten. Der Roman ist aber auch sehr spannend, man leidet mit den Frauen, und als Desfred anfängt auch Verbotenes zu tun, hat man Angst um sie. Ich jedenfalls konnte mich in sie hineinfühlen und ich habe mich gefragt, was ich wohl in so einer Situation tun würde.


    Margaret Atwood schrieb diesen Roman bereits 1985, doch er ist immer noch aktuell, und wird es wohl auch bleiben. Die historischen Anmerkungen machen den Roman erst richtig rund, man sollte sie unbedingt lesen, denn sie gehören dazu.


    Der Autorin ist ein spannender Roman gelungen, der zum Nachdenken anregt und lange nachhallen wird. Ich kann ihn uneingeschränkt empfehlen und vergebe volle Punktzahl.

  • Ich finde es total schade, dass hier im BT Graphic Novels, die auf einer literarischen Vorlage beruhen, nicht als für sich stehende Werke aufgeführt werden, sondern automatisch mit der Vorlage verknüpft und somit rezitechnisch an diese angehängt werden. :( Dabei sind die notwendige Auswahl der Originalpassagen, die sinnvolle Zusammenfassung und Verdichtung sowie vor allem die stimmige grafische Umsetzung doch Leistungen, die aus meiner Sicht eine eigenständige Würdigung rechtfertigten. :-k


    Die unten verlinkte Ausgabe habe ich dieser Tage als eine Art Reread gelesen und betrachtet und war verblüfft, wie sehr die Illustrationen oft meinen eigenen Bildern im Kopf, trotz über zwanzig Jahre zurückliegender Erstlektüre von Atwoods Roman, ähnelten. Hat mir sehr gut gefallen! Die Künstlerin Renée Nault findet intensive, beklemmende Bilder für das kaum fassbare und leider oft doch so nahe Geschehen in Gilead. Was ein temporärer oder auch dauerhafter "Ausnahmezustand" mit Menschen macht, kann man ja aktuell u.a. in der Corona-Krise beobachten - im Guten wie im Schlechten. Ich ziehe meinen Hut vor Atwoods prophetischer Sicht und kann nur hoffen, dass weiterhin viele Menschen dieses Buch (und ähnliche Werke) lesen, wachsam bleiben, den Anfängen wehren... :-?


    Von fünf Sternen trennt das Buch die oft gewöhnungsbedürftige Rechtschreibung und Zeichensetzung. :lol:


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: Jutta Aurahs - Katzen :cat:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :musik: Satoshi Yagisawa - Die Tage in der Buchhandlung Morisaki

    :montag: Dietrich Krusche (Hg.) - Haiku (Reread)

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)