Knipfel, Jim - Blindfisch

  • Hallo,


    hier noch eine weitere Rezi von mir:


    Über den Inhalt:


    Rentinitis pigmentosa -- das klingt schlimm. Ist es auch: Es ist eine unheilbare Krankheit, die über Jahre hinweg zum schleichenden, aber doch unaufhaltsamen Erblinden führt. Rentinitis pigmentosa -- das klingt für den Icherzähler des Buches, den wir in diesem Fall ruhig mit dem Autor Jim Knipfel gleichsetzen dürfen, viel zu schlimm: Er hat diese Krankheit, doch was soll er mit solch bedeutungsschweren Begriffen um sich werfen: Jeder leidet unter irgendetwas, er erblindet halt langsam, kein Grund zur Wichtigtuerei -- er ist halt ein Blindfisch, was soll's?


    Wer glaubt, sich durch ein weiteres dieser unzähligen (und oft unerträglichen) "Mit einer schweren Krankheit zurechtkommen"-Bücher quälen zu müssen, dessen Befürchtungen werden schnell zerstreut: Jim Knipfel erzählt zwar seine von der Kindheit bis etwa zum 35. Lebensjahr reichende Krankengeschichte, doch er tut dies ohne jedes Selbstmitleid -- ganz im Gegenteil: Sein Leben war schon immer solch ein Scherbenhaufen, dass ihn diese lächerliche Krankheit nun auch nicht mehr aus der Bahn zu werfen vermag und er über sie nur lachen kann. Und das tut er ausgiebig!


    Meine Meinung:


    Ein prima Buch, was gut zu lesen ist, gerade weil der Erzähler sich nicht ständig selbst bemitleidet, sondern sein Schicksal fast zu "stoisch" entgegen nimmt. Oft möchte man ihn einfach nur schütteln und ihm ein paar aufmunternde Sätze sagen, obwohl man ahnt, dass er diese auch nur mit leeren Augen und einem Schulterzucken sich anhören würde.
    Für das Buch spricht auch, dass sich die Geschichte nicht ständig nur um die Augenkrankheit des Erzählers dreht, sondern dass sie eher den roten Faden darstellt, an dem das verkorkste Leben von ihm aufgefädelt wird.


    Das Buch gibt es auch in der "Brigitte-Edition" zu kaufen und wurde von Elke Heidenreich meiner Meinung nach zurecht für diese ausgewählt.

    Ein schönes Buch ist wie ein Schmetterling. Leicht liegt es in der Hand, entführt uns von einer Blüte zur nächsten und lässt den Himmel ahnen. (Lao-Tse)

  • Ich muss mich All_4_One anschließen!


    Originaltitel: Slackjaw


    Inhalt:


    Dies ist die Lebensbeschreibung von Jim Knipfel - ein junger Mann aus Wisconsin, der an Rentinitis pigmentosa erkrankt ist, eine Krankheit, die zu seiner Erblindung führen wird.


    Zudem führt eine Gehirnverletzung dazu, dass er mit Alltagsstress nicht so gut umgehen kann wie andere Personen. Der Stress staut sich bei ihm an und führt zu Depressionen und Selbstmordversuchen. Doch als diese Diagnose einmal gestellt ist, lassen sich diese Stimmungsschwankungen kontrollieren.


    Die Erblindung stellt für ihn verständlicherweise das größere und langfristigere Problem dar. Er muss sich Anfang 30 daran gewöhnen, über eine Umstellung seines Alltags nachzudenken, lernen Hilfe anzufragen und zu nutzen und sich mit dem Gedanken anfreunden, blind zu sein und damit einen seiner Sinne zu verlieren.


    Meine Meinung:


    Jim Knipfel schreibt geradehaus, schonungslos offen und mitunter schockierend. Sein Leben läuft bereits ab seiner Kindheit nicht gradlinig und er schließt sich teilweise seltsamen Jugendlichen an. Mehr als einmal versucht er, sein Leben zu beenden. Zum Glück ist immer jemand da, der ihm hilft, sein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen.


    Aus Wisconsin zieht er nach Chicago, von dort aus nach Philadelphia und schließlich folgt er seiner Ehefrau nach New York. Er schreibt als Kolumnist für die New York Press. Diese Kolumnen heißen "Slackjaw", was auch der Originaltitel dieser Biografie ist. Sie helfen ihm, sein Leben zu reflektieren und seine Aggressionen zu bändigen. Außerdem hat er Freude am schreiben! Wer sich einen Einblick in seinen Stil verschaffen möchte, kann hier die Kolumenen nachlesen: Slackjaw - NY Press


    Anfangs war ich sehr schnell in der Erzählung, hatte dann aber während seiner Pubertät einen Hänger. Doch nachdem er zum Twen wurde, hing ich an seinen Zeilen! Das Buch ist mitunter etwas derb, aber so ist sein Leben auch. Seine Fähigkeit, über gegebene Fakten zu lästern und zu lachen, finde ich sehr beeindruckend - vor allem, weil er es trotz aller Rückschläge schafft, weiterzumachen.

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +