Margaret George - Heinrich VIII. Mein Leben / The Autobiography of Henry VIII

  • Englischer Originaltitel: "The Autobiography of Henry VIII"



    Über die Autorin:
    Margaret George, geboren in Nashville, Tennessee. lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Madison, Wisconsin. Sie hat 15 Jahre an ihrem Roman um König Heinrich VIII von England gearbeitet



    Klappentext:
    Er regierte England (1509-1547) und Irland und war ein stolzer Waliser. Er hatte sechs Frauen und ließ zwei von ihnen köpfen; er brach mit der römischen Kirche, weil sie ihm die Scheidung verweigerte, und gründete die anglikanische; er ließ seinen Freund Thomas Morus hinrichten und wünschte sich verzweifelt einen Thronfolger. Als machtbesessener, selbstherrlicher Monarch ist Heinrich VIII. in die Geschichte eingegangen. Doch es gibt noch ganz andere Seiten an ihm. Indem sie ihm selbst das Wort erteilt, befreit Margaret George den König von den Schichten blutrünstiger Legenden und rückt den Menschen und seine Motive in den Vordergrund. Der Herrscher verfasst seine Erinnerungen, kritisch und respektlos kommentiert von seinem Hofnarren Will. So entsteht das Bild eines Mannes voller Widersprüche, doch mit großer charismatischer Ausstrahlung, der mehrere Sprachen spricht, mit den Humanisten verkehrt, sich aber auch für das Glücksspiel, den Tanz, Ringkämpfe und die Jagd begeistert. Ein opulenter historischer Roman und zugleich ein fesselndes Stück Weltgeschichte.



    Meine Meinung:
    Ich bin ganz überrascht, das es noch keine Vorstellung des Buches gibt (ausser in der Rubrik "ich lese gerade.."). Deswegen möchte ich das Buch richtig vorstellen und es allen Lesern von historischen Büchern ans Herz legen.



    Der dicke Wälzer kann einen schon ein bisschen schrecken. Über 1300 Seiten harren des Lesens. Aber das Buch ging mir leicht und locker von der Hand, ich bin eingetaucht in das Leben dieses berühmten Königs. Ein wahrlichter Lesegenuss.


    Es beginnt etwas verstörend mit einem Briefwechsel von Heinrichs Hofnarr Will an eine uneheliche Tochter des Königs. Er übersendet ihr das Tagebuch und seine beigefügten Notizen. Aber nach wenigen Seiten beginnt das Tagebuch, bzw. eine Niederschreibung seines Lebens, denn Heinrich schreibt sie am Ende seines Lebens. Er schreibt quasi seinen eigenen Roman. Und sofort war ich drin in der Geschichte, die Autorin lässt Heinrich sich selber plastisch darstellen und, ob ich wollte oder nicht, diese Faszination, der er im Leben ausgeübt haben soll, entfaltet sich auch für mich als Leser.


    Sehr genau und ausführlich begleiten wir Heinrich, von seinen frühen Jahren als Zweitgeborener, der für ein Kirchenamt erzogen wird, bis er dann durch den Tod seines Bruders doch Thronfolger wird und gleich auch die Frau seines Bruders als Weib nimmt.


    Weiter geht’s durch Politik und natürlich seine weiteren Ehen. Nichts kommt zu kurz. Heinrich verwandelt sich vor meinen Augen von einem naiven, jungen, sympathischen Mann zu dem monströsen Koloss, der er zum Schluss wurde. Wir erleben, was die Königswürde aus einem Menschen macht, wenn niemand wirklich ehrlich zu einem ist und man immer nur in Spiegel zu schauen meint, die ein ungleich schöneres Bild als das wirkliche zurückwerfen. Er wächst in seine Herrschaft hinein und sie lässt in anmaßend, selbsteingenommen werden. Trotzdem bleibt er das naive Kind, das immer das glaubt, was es glauben mag, und verletzt und grausam um sich schlägt, wenn es den Verrat an seiner Person erkennen muss.


    Heinrich ist ein Mann mit vielen Fehlern gewesen. Ich weiß nicht mal, ob ich ihn, selbst jetzt nach dem Lesen, besonders mag, aber das Buch brachte ihn mir so feinfühlig und auch leichfüßig näher. Zum Schluss habe ich sogar ein wenig um ihn getrauert.


    Die Anmerkungen des Hofnarren Will bestehen aus gelegentlich zwischengeschobenen Bemerkungen. Sie rücken manches ein wenig ins rechte Licht. Allerdings hätten es ruhig ein paar Bemerkungen mehr sein können, denn oft erscheint Heinrichs Darstellung der Sachverhalte sehr verklärt und selbstverliebt. Zwar gibt es immer leichte Selbstzweifel und die Ahnung, dass etwas nicht so sein könnte, wie er denkt. Aber er ist der König, er hat immer Recht und sein Wunsch ist Befehl. Da hätte ich mir noch ein paar reflektierende Bemerkungen mehr gewünscht. Einfach, um die Dinge aus einem anderen Geschichtspunkt zu sehen als Heinrich selber (wenn denn schon dieses Stilmittel gewählt wurde).
    [Ich habe fast sofort im Anschluss „Königin von England“ von Rosalind Miles angefangen, da bekommt man gleich am Anfang auch schon mal wieder die Geschehnisse aus einem anderen Blickwinkel gezeigt]
    Von Will sind auch die Schlusskapitel, die Heinrichs Tod und seine Beerdigung beschreiben.



    Natürlich gibt es auch in so einem dicken Buch ein paar Längen und Hänger. Aber gesamt gesehen, ist es ein sehr schönes Lesegenuss gewesen und für alle, die sich für englische Geschichte interessieren, ein Muss. Ich bin jedenfalls schwer begeistert. Und da ich noch nicht so recht auftauchen mag aus dieser Epoche, lese ich jetzt, wie schon erwähnt, über Heinrichs Tochter.

    Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welte, aus den Stuben über die Sterne.
    (Jean Paul )

  • Hallo Darcy,


    Danke für deine schöne Rezi. Sie hat mich daran erinnert, dass ich diesen Wälzer auch auf meinem SUB habe. Eigentlich wollte ich "Heinrich VIII. schon lange lesen, aber immer wieder kommt etwas anders dazwischen. :wink:

  • Ich habe dieses Buch vor Jahren auch mit großer Begeisterung gelesen und sogar in der Nacht geträumt, am Tudorhof zu leben. :mrgreen:
    Wer sich nach dieser Lektüre für den dicken Heinrich interessiert, dem kann ich auch noch "The six wives of Henry VIII" von Antonia Fraser empfehlen.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Dieses Buch findet man komischerweise nur über die "Suchen"-Funktion, nicht aber im Rezi-Index. :-k


    Nun ja, egal. Ich habe es jedenfalls war ein paar Wochen beendet und bin begeistert! Meine Mutter hat mir eine alte gebundene Ausgabe davon ausgeliehen, das machte das Gefühl des "schweren Schmökers" perfekt. :wink: Ich hatte es direkt nach Rebecca Gablés "Das Spiel der Könige" angefangen, sozusagen als Fortsetzung im Stammbaum der Tudors, denn in Gablés Buch wurde ja das Leben von Heinrich VII, also des Vaters vom "dicken Heinrich", beschrieben.
    Dieses Buch bietet wirklich tolle Einblicke in das Leben Heinrichs VIII und man bekommt endlich mal eine ganz andere Vorstellung von diesem Mann, von dem jeder Durchschnittsmensch ansonsten ja wohl nur weiß, dass er unglaublich fett war und sechs Frauen hatte. Auch die Kommentare vom Hofnarren Will sind wirklich toll geschrieben, mal witzig und originell, dann wieder merkt man richtiggehend seine Verzweiflung über die "Blindheit" Heinrichs gegenüber seiner Frauen oder Beratern. Und nachdem ich bereits einige Monate zuvor das auch von €nigma erwähnte Buch "The Six Wives of Henry VIII" gelesen hatte, konnte ich die jeweiligen Ehefrauen von Heinrich auch gleich besser einschätzen. So hatte ich vor der Lektüre dieser beiden Bücher Heinrich immer für einen brutalen, herzlosen Despoten gehalten und fand Anne Boleyn einfach toll. Nun weiß ich, dass es auch ganz andere Seiten an Heinrich VIII gab und Anne Boleyn ist mir mittlerweile die unsympathischste seiner Frauen.
    Ich kann dieses Buch und auch das Buch von Antonia Fraser auch nur jedem empfehlen, der sich für die Tudors interessiert.

  • Heinrich VIII. – er ist bekannt für seine sechs Ehefrauen, von denen er zwei köpfen ließ, und für den Bruch mit der römisch-katholischen Kirche, weil sie ihm die Scheidung verweigerte, aber mehr über den Menschen Heinrich an sich und seine fast vierzig Jahre lange Regentschaft ist kaum bekannt. Aufgrund der mehr als 1200 Seiten mag Margaret Georges Romanbiographie über den umstrittenen Herrscher abschreckend wirken, doch lässt man sich einmal darauf ein, kann man sich dem Sog des königlichen Hofes kaum mehr entziehen.


    Es beginnt mit dem Briefwechsel zwischen Heinrichs ehemaligen Hofnarr Will Somers und Catherine Carey Knollys, einer offenbar unehelichen Tochter des Königs. Beiliegend zu seinen Briefen übersendet ihr Will das Tagebuch ihres Vaters mit der Bitte das Andenken Heinrichs VIII. in Ehren zu halten. Im Anschluss des Briefaustausches folgen Heinrichs Niederschriften, die er in den letzten Jahren vor seinem Tod verfasst hat. Auch Will hat dieses Tagebuch gelesen und selbst einige Anmerkungen hinzugefügt.


    Alles beginnt mit Heinrichs erster Erinnerung, als er im Alter von drei Jahren die Titel Ritter des Bath-Ordens und Herzog von York verliehen bekommt. Als zweitgeborener Sohn von König Heinrich VII. wird er für ein Kirchenamt erzogen, während sein Bruder Arthur nach dem Tod ihres Vaters dessen Nachfolge antreten wird. Durch den plötzlichen Tod Arthurs rückt schließlich Heinrich an die Stelle des Thronfolgers, wird 1509 zum König von England gekrönt und heiratet die Witwe seines Bruders, Katharina von Aragon. Bis auf einige Streitigkeiten mit dem französischen König Franz, den Schotten und dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, gibt es kaum kriegerische Ereignisse. Heinrichs Leben wird vor allem durch persönliche Schicksalsschläge, den Bruch mit dem Papst und durch die Reformation geprägt.


    Man lernt Heinrich als sympathischen Mann kennen, der sich für sportliche Aktivitäten, Musik, Poesie und vieles mehr interessiert. Trotz grausamen und vorschnellen Handlungen stellt ihn Margaret George nicht als Tyrannen dar, sondern als Mann, der sich öfters von seinen Gefühlen leiten lässt. Er war Zeit seines Lebens recht naiv und die Königswürde und die Menschen um ihn herum, die ihn verrieten, für ihre eigenen Zwecke benutzten, belogen und betrogen, machten ihn letztendlich zu dem Menschen, als der er in die Geschichte einging. Andererseits wird immer wieder seine Liebe zum Volk und zu seinen Kindern verdeutlicht und bedingungslose Liebe war es, die er auch bei jeder seiner Ehefrauen suchte und zumeist enttäuscht wurde. Durch die Erzählweise kann man sich sehr gut Heinrichs Lage hineinversetzen, sich mit ihm freuen und mit ihm leiden. Margaret George stellt ihn nicht als König dar, sondern als Mensch mit Fehlern, wodurch er mir richtig sympathisch wurde.


    Die Figuren sind insgesamt glaubhaft dargestellt und auch von allen anderen Persönlichkeiten, seinen sechs Frauen Katharina von Aragon, Anne Boleyn, Jane Seymour, Anna von Kleve, Catherine Howard und Catherine Parr sowie von seinen Vertrauten, z. B. Thomas Wolsey, Thomas More, Cranmer, Cromwell und Howard und wie sie alle hießen, kann man sich ein gutes – mal mehr, mal weniger angenehmes – Bild machen. Anne Boleyn und Catherine Howard konnte ich z. B. absolut keine Sympathie entgegen bringen, den anderen vier Frauen dafür schon mehr. Besonders liebenswürdig fand ich, wie auch Heinrich, Jane Seymour und habe bei ihrem Tod besonders mitgelitten. Das Problem bei all den vielen Namen ist nur, dass man diejenigen, die nicht regelmäßig auftauchen, immer wieder vergisst oder verwechselt und irgendwann den Überblick verliert, wer jetzt mit wem irgendwie verwandt oder verschwägert ist.


    Die gelegentlichen, zwischengeschobenen Kommentare des Hofnarren Will, gewähren dem Leser einen Blick auf Heinrichs manchmal idealisiert dargestellten Sachverhalte aus einer unvoreingenommenen Perspektive. Daher hätte die Geschichte meiner Meinung nach ruhig noch mehr Bemerkungen vertragen können.


    Der Schreibstil liest sich sehr flüssig, lediglich das Lesen einiger Briefe war etwas holprig, sodass ich diese meist zweimal lesen musste um den Sinn zu verstehen. Auf der einen Seite positiv sind Margaret Georges ausführlichen Beschreibungen von Umgebung, Bekleidung, Hochzeiten, Krönungen, sonstigen Feiern und Sachverhalten, wodurch man sich regelrecht selbst in das Leben am tudor‘schen Hof hineinversetzt fühlt. Andererseits können sich manche seitenlangen Beschreibungen auf die über 1200 Gesamtseiten sehr in die Länge ziehen, sodass ich selten mehr als 20-30 Seiten am Stück lesen konnte.


    Trotz der Kritikpunkte bin ich schwer beeindruckt von diesem Werk und habe es gern gelesen. Nun hat mich das Fieber gepackt und ich möchte mehr über die spannende Historie Englands erfahren. Auch wenn sich Margaret George hie und da ein paar schriftstellerische Freiheiten genommen hat, ist „Ich, Heinrich VIII.“ unglaublich gut recherchiert und ein geschichtlicher Lesegenuss, der den Leser in das England des 16. Jahrhunderts entführt.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Auch ich habe dieses Buch geradezu verschlungen :) Es war für mich vor gut einem Jahr der perfekte Einstieg in diese Ära und seitdem bin ich quasi süchtig danach :uups:
    Wobei ich auch viele Bücher "drumherum" gelesen habe, sowohl zeitlich als auch aus dem Umfeld (Bedingung war: gut recherchiert!).
    Btw: Ich kann immer weniger verstehen, warum einige Autoren die Fakten zugunsten der sog. "Spannung" und des Handlungsstranges verfälschen... es war doch wirklich spannend genug.


    Liebe Grüßle
    Katja

    :study: Falken - Hilary Mantel


    Seien Sie vorsichtig mit Gesundheitsbüchern, Sie könnten an einem Druckfehler sterben. (Mark Twain)

  • Es ist schon zig Jahre her, dass ich dieses Buch gelesen habe.
    Ich weiß aber noch dass ich es echt interessant fand, wie Henry seine (Ehefrauen-) Morde vor sich selbst schöngeredet und gerechtfertigt hat. Schließlich ist er selber immer nur das arme Opfer der Intrigen Anderer gewesen. :-,
    Das hat Margaret George echt gut hingebkommen. :thumleft:

    Ich :study: gerade: 72 Minuten bis zur Vernichtung von Annie Jacobsen

  • Oh ja, den im doppelten Sinne dicken Heinrich habe ich auch sehr gerne gelesen. Könnte ich eigentlich mal wieder, irgendwann, wenn ich Zeit habe :-,

  • na denn mal Prost - auf den nächsten Runden

    :anstossen: Ich habe heute Morgen auch schon an das bösartige Dickerchen gedacht.

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    (Francis Bacon)
    :study:
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  • Es sind schon ein paar Tage her, dass ich das Buch gelesen habe, aber ich möchte hier sagen, dass mir der Roman ausgesprochen gut gefallen hat.:applause:Ich hatte bislang immer die Heinrich´s VIII. Geschichte nur aus der Sicht von seinen zahlreichen Frauen gelesen. Immer.... Es ist zum ersten Mal der Fall, dass ich die Geschichte aus der Sicht von Heinrich VIII. lese. Er hat es in einem Tagebuch verfasst, zwar nicht wirklich, denn das Tagebuch ist Dank der Autorin entstanden, aber immerhin aus seiner Sicht.:thumleft: Ich fand es großartig. Mir hat es sehr gut getan auch mal seine Seite zu erleben und zu lesen. Sonst waren es immer seine zahlreichen Frauen, die zur Wort in der Literatur kamen. Ich kann dieses Buch allen, die an der Geschichte interessiert sind, empfehlen. Es ist sehr gut gelungen. Auch wenn das Buch über 1200 Seiten hat, hätte ich ehrlich gesagt, noch ein Weilchen länger darin, gerne gelesen. Mir hat es ausgesprochen gut gefallen. :thumleft:

    2024: Bücher: 90/Seiten: 39 866

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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