Michel Houellebecq - Elementarteilchen

  • Kurzmeinung

    Jean van der Vlugt
    Ein trauriges, anregendes, stellenweise bös komisches Buch: der Mensch hängt an der Angel oder ist völlig allein.
  • Elementarteilchen


    Das Buch handelt von den Halbbrüdern Bruno und Michel, deren gemeinsame Mutter nicht in der Lage war ihre Söhne in einer liebevollen und familiären Umgebung aufzuziehen. Bruno und Michel wachsen getrennt voneinander bei ihren Großmüttern auf und können unterschiedlicher kaum sein. Während Brunos Leben von unerfüllter Sexsucht bestimmt wird, widmet sich Michel fast ausschliesslich der Forschung im Fach Molekularbiologie. Beide Männer lernen erst im Alter von circa 40 Jahren was es bedeutet eine vertrauensvolle Beziehung, im Rahmen einer Partnerschaft, einzugehen. Tragischerweise nehmen diese beiden Beziehungen eine jähes und schlimmes Ende, welches die Halbbrüder jeweils auf ihre eigene Art und Weise verarbeiten. Bruno endet in dauerhafter psychiatrischer Behandlung und Michel wendet sich gänzlich seiner molekularbiologischen Forschung zu, welche das Ziel verfolgt eine neue und "bessere" Menschenrasse zu kreieren, die die bisherige Menschheit ablösen soll. Die Menschen der neuen Rasse werden sich nicht mehr über die geschlechtliche Vereinigung fortpflanzen und auch dem Alterungsprozess die Stirn bieten.



    Mir hat das Buch im Ganzen gut gefallen, aber mit dem Schreibstil des Autors musste ich mich erst 100 Seiten lang anfreunden. Die Lebensgeschichten von Bruno und Michel werden detailliert und schonungslos geschildert - da wird wirklich kein Blatt vor den Mund genommen.
    Es fällt mir schwer, die Wirkung des Buches auf mich zu beschreiben, was wohl an der gewöhnungsbedürftig offenen Art des Autors liegt, dem Leser die Sichtweisen der Protagonisten näher zu bringen.
    Vielleicht muss ich es erst einmal "verdauen", um mehr dazu sagen zu können. ;)

    ~~°°Flüchtest du mal vor der Welt, bieten dir Bücher Zuflucht.°°~~
    E. Kocapinar


    :study: Meteor - Dan Brown

  • moplue


    Ja, da war ich mir auch nicht 100%ig sicher, aber mir fiel auch keine bessere ein. 8-[

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    E. Kocapinar


    :study: Meteor - Dan Brown

  • Ich glaube, ich hätte es auch unter Erzählungen eingestellt - vielleicht findest Du ja eine/n lieben Admin, der/die es verschiebt... :wink:

    Ich mache immer mehrere Diäten, weil ich von einer nicht satt werde :D

  • Vielen Dank für das Verschieben. :wink:

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    E. Kocapinar


    :study: Meteor - Dan Brown

  • So nun eine weitere Meinung zu dem Buch, ich hoffe zuminedest, dass ich was brauchbares geschrieben bekomme, denn so wirklich sicher bin ich mir bei meiner Meinung zu dem Buch auch nicht.


    Also zunächst einmal zum Schreibstil, den fand ich nämlich von Anfang an toll. Dieses sachliche runterrasseln der Tatsachen hat mich echt fasziniert.
    Aber so richtig nachvollziehen bzw. verstehen konnte ich nur Bruno, mit Michel hatte ich so meine Schwierigkeiten, und auch die vielen Molekularbiologischen Abschnitte waren für mich eher störend, nervend, überflüssig.
    Das Ende hingegen, also wirklich der allerletzte Abschnitt, den fand ich wieder gut.


    Alles in Allem.. so 3/4 von 5 Sternen.

    "Wie soll auch eine Generation von Männern, die hauptsächlich von Müttern, Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen umsorgt und erzogen wurde, Frauen glücklich machen?"
    (Generation Doof)

  • Ich habe zwar grade den April zu meinem buchkauffreien Monat auserwählt ( :mrgreen: ), aber "Elementarteilchen" ist soeben auf meinem Amazon-Wunschzettel gelandet. Die Beschreibung klingt doch wirklich sehr interessant!

  • Ich habe bisher nur den Film gesehen, kann mir aber gut vorstellen, was du mit gewöhnungsbedürftig offen meinst :D Vielleicht lese ich das Buch auch noch, im Film kam der wissenschaftliche Anteil nämlich widerum so kurz, dass ich von diesen Hintergründen kaum was verstanden habe.

  • Zitat

    Original von leela
    moplue


    Ja, da war ich mir auch nicht 100%ig sicher, aber mir fiel auch keine bessere ein. 8-[


    So geht es mir vor allem bei meinen Lieblingsautoren; Sibylle Berg, Frédéric Beigbeder, Chuck Palahniuk und eben auch Houellebecq lassen sich keinem der speziellen Genres zuordnen. Und bei der Rubrik "Erzählungen" habe ich immer den Eindruck, dass dies dem Inhalt und der Aussage dieser Bücher nicht hinreichend gerecht wird. Nur, wie könnte man eine solche Rubrik nennen? Zynische Bücher über den Verfall von Gesellschaft und Moral und die ewige Suche nach einem Sinn? Und die wunderschönen Romane von Murakami: Melancholische Bücher über einsame Menschen? Mir fällt da irgendwie nichts ein... :-k


    viele Grüße von blackbird

  • Meine Meinung zu dem Buch ist zwiegespalten. Einerseits finde ich die Teile über das Leben der beiden Halbbrüder sehr interessant und spannend zu lesen, andererseits sind die wissenschaftlichen Teile sehr mühsam für mich, zumal ich absolut nichts mit dieser Materie am Hut habe.


    Der Schreibstil gefällt mir sehr gut, wenngleich man - wie ja auch hier schon erwähnt wurde - etwas braucht, bis man sich eingelesen hat.


    Den Film habe ich nicht gesehen, und ich kann mir nur schwer vorstellen, wie eine Verfilmung machbar ist. Jedenfalls bin ich neugierig, werde aber wohl warten, bis er ins Fernsehen kommt.

  • Obwohl ich ziemlich skeptisch an das Buch herangegangen bin - weniger wegen der kontroversen Meinungen zu dem Roman als wegen seiner Etikettierung als "Skandalroman" -, bin ich jetzt doch sehr angetan davon.


    "Elementarteilchen" ist ein Thesenroman, er verbindet Erzaehlung mit allgemeinphilosophischen Betrachtungen, Gesellschaftskritik und wissenschaftlichen Ausfuehrungen. Darueberhinaus ist er auch sehr komisch, vor allem wenn er den "Ort der Wandlung" beschreibt, wo unter dem Mantel der Selbstfindung und der Spiritualitaet reine Egotrips ablaufen. Ich fand das sehr anregend und kurzweilig zu lesen. Den wissenschaftlichen Erlaeuterungen konnte ich im grossen und ganzen folgen (bilde ich mir wenigstens ein), und sie nehmen eigentlich auch keinen allzu breiten Raum ein.


    Obwohl ich derselbe Jahrgang bin wie Houellebecq und seine beiden Protagonisten teilen wir doch nicht dieselben Erfahrungen. Ich komme aus ganz "normalen" buergerlichen Kreisen, in meinem persoenlichen Umfeld gab es weder Hippies noch 68iger noch eine New-age-Bewegung. Soweit mir bekannt ist, tummeln sich meine Freunde und Bekannte auch nicht dauernd an erotisch aufgeladenen FKK - Straenden und in Swingerclubs rum. Trotzdem stimme ich Houellebecq in vielen Punkten zu, in anderen wieder nicht, einige waeren zu diskutieren. Die Vision von einer geklonten, sexfreien, friedlich lebenden menschenaehnlichen Rasse uebersieht das Problem der Langeweile, das meiner Meinung ebenso hoch einzuschaetzen ist wie das Problem, das die sexuelle Begierde angeblich mit sich bringt.


    Die depressive (Bruno) bzw. autistische (Michel) Veranlagung der beiden Protagonisten, ihre Unfaehigkeit zu lieben, erklaert sich aus ihrer Biographie. Ob die pessimistische Grundhaltung des Romans eine Folge der persoenlichen Erfahrungen des Autors ist oder - wie manche Kritiker ihm vorhalten - nur Masche und Kalkuel, kann ich nicht beurteilen.


    Mir hat der Roman jedenfalls gut gefallen.


    Gruss mofre

    :study: Olga Tokarczuk - Gesang der Fledermäuse

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















    2 Mal editiert, zuletzt von mofre ()

  • Ich habe den Roman inzwischen auch abgeschlossen und kann mich mofre anschließen. Alles in allem hat er mir sehr gut gefallen, nur dass ich den wissenschaftlichen Teilen manchmal nicht so ganz folgen konnte, weil ich - wie schon geschrieben - absolut nichts damit zu tun habe und mich auch in der Schule nur zwangsweise damit beschäftigt und alles sofort wieder vergessen habe. Ich habe mich dann ertappt, dass ich diese Passagen überflogen und gar nicht so richtig aufgenommen habe.


    Die Teile über die beiden Brüder haben mir sehr gut gefallen, und ich schwanke zwischen Sympathie und Mitleid mit beiden.


    Außerdem bin ich ziemlich neugierig auf den Film, obwohl ich ihn mir eigentlich nur enttäuschend vorstellen kann - ich lasse mich aber gerne eines besseren belehren.


    Lg
    Susannah

  • Den Inhalt bzw. Klappentext spare ich mir, da sich hierzu ja schon Einige geäussert haben. Daher nun nur noch kurz meine Meinung:
    Ein gut geschriebener, jedoch ausgesprochen trostloser Lesestoff (siehe Klappentext) - jede kleine Hoffnung auf ein bisschen Glück für die Protagonisten dieses Buches wurde nach wenigen Seiten wieder zerstört. Mehrfach wollte ich das Buch weglegen, aber dann war ich doch zu neugierig ob nicht wenigstens einem der Brüder ein kleines Lebensglück auf Dauer vergönnt sein möge.
    Alles nur reine Phantasie? Ich weiss nicht... Auch wenn das Buch keine Freude im herkömmlichen Sinn beim Lesen bereitet - zum Nachdenken regt es auf jeden Fall sehr an. Und das ist mehr, als viele Bücher können!

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling

  • Viel Düsterer kann es kaum sein!


    Das Buch handelt von zwei Halbbrüdern, die sich erst im Teenager Alter kennen lernen. Beide tragen eine tragische Kindheit mit sich, und beide sind auf ihre ganz persönliche Art vom Leben gebeutelt. Michel sowie auch Bruno wurden direkt nach der Geburt zu den Großeltern/ Großmutter gegeben, denn ihre Mutter lebte nur ihr eigenes Leben – ihren Jugendwahn, da passte ein Kind nicht ins Konzept, liebte lange und ausschweifende Sexabenteuer, in mittleren Alter dann nur noch mit sehr jungen Burschen … Die Väter hatten auch keinen Bedarf und so wurden sie eben abgeschoben.


    Bruno ist wohl aufgrund dessen auch total auf Sex fixiert, obwohl er körperlich gar nicht so gut dafür ausgestattet ist. Und dieses Manko führt im Internat zu sehr schlimmen Demütigungen, Erfahrung mit älteren Jungs, die er sein Leben lang nicht vergisst. (Situationen bei denen es dem Leser anders wird!) Er ist ein Sex-Getriebener, obwohl ihn die Frauen, insbesondere die ganz jungen Mädchen, auf die Bruno ganz wild ist, abstoßend finden. Der Teufelskreislauf vom Wollen – Können und Ablehnung demütigt ihn immer mehr, bis er mit 42 zig Christiane kennen lernt …


    Michel dagegen interessiert sich nicht die Bohne für Sex, für ihn ist diese ganze Geschichte völlig belanglos, generell hat er mit Emotionen nicht viel am Hut, denn er lebt in seiner eigenen kleinen Welt – Autismus. Die einzige Person die Michel einigermaßen an sich heran lässt, ist Annabelle, seine Jugendfreundschaft. Doch sein mangelndes Interesse an Sex, lässt gerade diese in die falsche Bahn abrutschen, weil sie sich von ihm abgelehnt fühlt. Dadurch werden beide Leben zerstört, sie finden sich zwar in der Mitte des Lebens wieder, doch ihr Glück ist vertan, Annabelle stirbt an Krebs …


    Auch Christiane stirbt, zum Schluss auch Michel und Bruno endet in der Klapse! Das ganze Buch ist nur negativ!


    Und dennoch mochte ich das Buch irgendwie. Zu einem ist es sehr intelligent geschrieben, mit vielen raffinierten Wechseln und kleinen Herausforderungen, die ich beim Lesen mag. Manche Gedankengänge von Bruno:


    >>Die Entwertung geistiger und moralischer Verführungskriterien zugunsten rein körperlichen Kriterien führte dazu, daß die Stammgäste der Swinger-Clubs nach und nach zu einem leicht modifizierten System übergingen, das man als Phantasma der offiziellen Kultur betrachten konnte: das an Sade orientierte System.<<


    und die meisten Gedankengänge von Michel waren kleine Mikrokosmen im Makrokosmus, die ich genossen habe – und deshalb gibt es von mir dennoch 3,5 Sterne!