Yoko Tawada - Das Bad

  • Nachdem mir dieses Buch in zwei Vorlesungen wärmstens ans Herz gelegt wurde, habe ich mich dann doch mal durchgerungen und die 10,50€ für die knapp 100 Seiten umfassende Taschenbuchausgabe des Werkes investiert.
    Was zunächst positiv auffällt, ist die extrem aufwendige Aufmachung des Buches. Das Papier ist für Taschenbuchausgaben sehr dick und jede Seite ist, einem Wasserzeichen ähnlich, dezent mit einer in braun gehaltenen japanischen Grafik hinterlegt. Rein äußerlich ist dieses Buch also ein absoluter, wenn auch stets dezenter Hingucker, aber zum wesentlichen, zum Text:
    Ich habe selten etwas derart Verwirrendes gelesen. Hier mal eine kurze Inhaltsangabe:
    Die Protagonistin, eine Japanerin, die wohl als Dolmetscherin arbeitet, soll bei einem Essen japanischer und deutscher Geschäftsleute übersetzen. Bevor sie ins Restaurant fährt, bemerkt sie, daß sich an ihrem Körper Schuppen bilden, die sie jedoch erfolgreich abreibt. Im Restaurant wird sie ohnmächtig, von einer Hotelangestellten mit nach hause genommen in eine Kellerwohnung, in der es von Ratten nur so wimmelt. Die Hotelangestellte hat etwa 50% ihres Körpers mit Brandnarben bedeckt. Die Protagonistin schläft in dieser Wohnung bei der Hotelangestellten und merkt, als sie die Wohnung verläßt, daß diese ihr ihre Zunge entwendet hat, sodaß sie nunmehr sprachunfähig ist. Sie kehrt in ihre Wohnung zurück zu ihrem Geliebten?, und erfährt bei einem erneuten Besuch in der Wohnung von einer Nachbarin, daß die Hotelangestellte einen Monat zuvor verbrannt ist. Sie schläft nochmal bei eben dieser Verbrannten, die sie noch einmal in deren Wohnung sieht. Es tauchen ominöse Männer auf, sie kehrt in ihre Wohnung zurück und bemerkt, daß die Tote quasi in ihr selber steckt. Der letzte Satz des Buches ist: Ich bin ein transparenter Sarg.
    Prinzipiell kann man hinter jeder Aussage dieser Zusammenfassung ein Fragezeichen setzen, da a) eine klare Unterscheidung zwischen Traumwelt und Realität fast unmöglich ist, b) das Bild der Transformation der Protagonistin in ein 'Schuppentier' mehrmals auftaucht und c) die Autorin den Text geschickt mit, das vorherige revidierenden, Aussagen gespickt hat...
    Wem Kafka zu gradlinieg und durchschaubar ist, dem kann ich dieses Buch wirklich nur ans Herz legen! Vielleicht findet sich ja jemand, der dieses Buch noch liest, das böte mir eine Ansatzfläche für Diskussionen...

  • Das hört sich komisch, aber doch interessant an...
    Ich weiß nicht, ob das was für mich ist. Und da kommt man ohne Probleme bis zum Ende des Buches? Klingt so, als könnte man durchaus zwischendurch aufgeben, weil alles so verwirrend ist...
    Naja, ein Versuch isses wert. So ein Buch zwischendurch hat bestimmt auch seinen Reiz.


    C.

    Liebe Lesegrüße
    Eure Süße
    :study::)


    Erinnerungen, die unser Herz berühren, gehen niemals verloren.

  • Ist das irgendwie in der Horror Ecke angesiedelt? Hört sich nämlich fast so an.


    Und so im Nachhinein, würdest du jetzt sagen das Buch war gut oder eher mies?

  • Also, man kommt ohne Probleme durch, das Buch hat nur gute 100 Seiten (dabei noch relativ großzügig gedruckt, Reclam würde da wohl maximal 30 Seiten raus machen), somit also kaum Platz um zwischendurch entnervt aufzugeben.
    Ich würde das Buch definitiv nicht in die Horror-Abteilung stellen. Ich denke es ist vielmehr eine sehr skurrile Umsetzung des Themas: Identitätsverlust, Suche nach Einordnung in eine fremde Gesellschaft, Selbstfindung im weitesten Sinne. Es ist sicherlich lesenswert, zumal ich derartiges bisher noch nirgendwo gefunden habe, aber es ist sicherlich nichts für die reine Unterhaltung zwischendurch...

  • Zitat

    Original von Berch
    Ich denke es ist vielmehr eine sehr skurrile Umsetzung des Themas: Identitätsverlust, Suche nach Einordnung in eine fremde Gesellschaft, Selbstfindung im weitesten Sinne.


    Ich habe nicht DIESES Buch von Yoko Tawada gelesen, dafür aber die Tübinger Poetikvorlesungen: "Verwandlung". Von daher ausgehend denke ich, dass die Intuition von Berch sicherlich den Kern trifft, denn Tawada beschäftigt sich grundlegend über die Identität, insbesonders schon sprachlicher Bedingtheit. Von Berch ist ja auch von der "übersetzenden Protagonistin" hier die Rede. Im vom mir angegebenen Buch gibt es absolut faszinierende Gedanken über grundlegend verschiedenen Gebrauch von Sprache, bzw. Gedankenbildern etc.
    Das hat mich echt beeindruckt!

  • Gerne verlinke ich ein gerade gefundenës und gelesenes Interview mit Yoko Tawada. Echt interessant für alle, die sich mit den Eigenarten der deutschen und japanischen Sprache auseinandersetzen, verbunden mit der Frage, wie wir eigentlich denken und sprechen...:


    http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/2196689/