Imre Kertész - Roman eines Schicksallosen / Mensch ohne Schicksal / Sorstalanság

  • Wieso denn? Ich finde, die Meinungen zu dem Buch hören sich eigentlich alle sehr vielversprechend an und ich hab mir schon fest vorgenommen, das Buch auch mal zu lesen. Was hat dir denn daran nicht gefallen?


    :flower:

    Ich kann nicht direkt sagen, dass mir das Buch nicht gefallen hat, aber der Ich-Erzähler ist manchmal so naiv und blauäugig, dass ich kaum an mich halten konnte. Das Buch zu lesen war durchaus eine Erfahrung und ich kann es auch nur weiterempfehlen, aber ich hatte eben auch so meine Momente, da dachte ich: „Bis hier und nicht weiter!“ Aber diese Leseerfahrung solltest du unbedingt selber auch machen. (Wenn das nicht sogar schon geschehen ist, weil ich so unglaublich lange mit einer Antwort auf mich hab warten lassen. :-? Sorry!)

    With freedom, books, flowers, and the moon, who could not be happy? ― Oscar Wilde

  • Ein sehr bedrückender Roman!


    Schon alleine das erste Kapitel hat mich innerlich ziemlich aufgewühlt. Die Perspektive aus der Sicht des 15 jährigen Jungen, der sich teilweise so naiv verhält, dass es extrem auffällig ist, um dann andererseits so altbacken zu sein. Im weiteren Verlauf des Buches gesellt sich dazu noch eine absolute Demutshaltung, womit ich nur schwer umgehen konnte.


    “Wenn ich es richtig sehe, besteht ihre Erfindung darin, daß der Stoff irgendwie auf ein Stück Karton bespannt ist, und das ist natürlich hübscher, ja, und dann sind auch die Zacken der Sterne nicht so lächerlich verschnitten wie bei mancher Heimfertigung.”


    Gyurka ist Ungar. Sein Vater wurde 1944 in ein Arbeitslager verschleppt und er wird kurze Zeit später auch, zuerst nach Auschwitz, dann Buchenwald und von dort nach Zeitz, deportiert.
    In Auschwitz sieht er die rauchenden Schornsteine des Krematoriums und ihrem bestialischen Gestank, und denkt sich dabei, es wäre eine Lederfabrik, die er einst mit seinem Vater besucht hatte.
    Er berichtet vom Lager, von den typischen Strapazen und Gräuel, mit einer solchen „Hingabe“, dass es dem Leser wie Messer unter die Haut geht. Es ist kaum zu ertragen. Er empfindet Glück und Freude im Lager!


    Diese Betrachtungsweise erinnert stark an eine Marionette, die nur an Fäden gespielt wird und die kein wirkliches eigenes Schicksal hat.
    Und in der Tat ist es nur diese Sicht, der einen diese Situation ertragen lässt. Alles andere, die Abwehr, der Kampf, das Aufbegehren, hätte sicherlich zum direkten Tod geführt. Nur das sich Einfügen hält einen Lagerinsassen am Leben.


    Das Buch ist sehr tief, und der Leser beschäftigt sich sehr intensiv mit der Geschichte. Eine klare Empfehlung!


    „Wir selbst sind das Schicksal.“


    Imre Kertész, 1929 in Budapest geboren, wurde 1944 nach Auschwitz deportiert und 1945 in Buchenwald befreit. Er ist Übersetzer von Freud, Nietzsche, Hofmannsthal, Canetti, Wittgenstein u. a.. Die jahrzehntelange Arbeit am „Roman eines Schicksallosen“ finanzierte er durch Unterhaltungsstücke fürs Theater.

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Imre Kertész - Roman eines Schicksallosen“ zu „Imre Kertész - Roman eines Schicksallosen / Mensch ohne Schicksal / Sorstalanság“ geändert.
  • An den Schreibstil musste ich mich erstmal gewöhnen, der ist so emotionslos nüchtern, fast sachlich. Was das Schreckliche aber nicht weniger schrecklich macht. Manches beschreibt er bis ins kleinste Detail, manches tut er oft schnell ab. So einen Schreibstil habe ich noch nie erlebt. Sehr berührendes Buch und seine Schilderung der Mitmenschen sowohl der Opfer als auch der Täter hat mir gut gefallen. Man darf auch nicht vergessen, er war erst 14 Jahre alt als er nach Auschwitz kam. Auch wenn er seine Geschichte erst später aufgeschrieben hat. Diese Beobachtungsgabe ist erstaunlich aber vielleicht prägen sich solche Erlebnisse auch extrem ein.


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