Alexander Solschenizyn - Der Archipel Gulag/ Archipelag GULAG. Polnoe izdanie v odnom tome

  • Hallo @ll


    Solschenizyn hat hier die Geschichte von Gulag, dem unheimlichen Inselreich des Terrors und der Gewalt geschrieben; nach einem monumentalen Konzept, mit der dokumentarischen Sorgfalt eines Historikers und mit der Sprachgewalt eines grossen Epikers. Es ist sein persönlichstes und zugleich sein monumentalstes Werk, vielleicht sein Lebenswerk.
    Ich bin der Meinung, dass dieses Buch hier im Forum nicht fehlen darf.

    Inhaltsangabe bei Amazon kopiert;
    Alexander Solschenizyn verbrachte viele Jahre seines Lebens in den Straflagern Sibiriens und in der Verbannung. Gestützt auf seine eigenen Erfahrungen und die Berichte von über 200 Überlebenden hat er zwischen 1958 und 1967 ein aufrüttelndes Epos geschaffen, das die "unmenschliche Macht von Menschen über Menschen" bezeugt: Der Archipel Gulag.
    Das Buch besteht aus drei Bänden. Im ersten Band steht die geschichtliche Entwicklung des Systems im Mittelpunkt. Band 2 schildert die Lagerwelt aus der Sicht der verschiedenen Gruppen, die sie bevölkerten und beschreibt den Weg der Häftlinge von der Einlieferung bis zum Tode durch Erschöpfung, Krankheiten oder den Sadismus der Bewacher. Mit dem dritten Band ist das Werk abgeschlossen. Er handelt von der Bestrafung politischer Häftlinge unter dem zaristischen und dem bolschewistischen System, schildert die Massenvertreibung ganzer Klassen, die Zwangsumsiedlung ganzer Völker und gibt einen Ausblick auf die Zeit nach Stalin.


    Solschenizyn nennt Der Archipel Gulag den "Versuch einer künstlerischen Bewältigung", "all jenen gewidmet, die nicht genug Leben hatten, um dies zu erzählen". Das Buch ist ein Aufschrei, eine Anklage gegen die Unmenschlichkeit, gegen die Unfreiheit und gegen den Terror. Solschenizyn hat das sowjetische Lagersystem weltweit bekanntgemacht, er hat die Öffentlichkeit aufgerüttelt und er hat das Sowjetunionbild des Westens maßgeblich geprägt. Es mag inzwischen wissenschaftlich fundiertere Arbeiten über den Gulag geben, an der herausragenden Bedeutung von Solschenizyns Werk ändert das nichts.


    Mögen die Lager auch verschwunden sein, Solschenizyns Botschaft ist heute noch so aktuell wie vor dreißig Jahren: "Es wurde mir nach und nach klar, daß die Grenze zwischen Gut und Böse nicht zwischen Staaten, Klassen oder Parteien verläuft, sondern quer durch das Herz des Menschen. Es ist unmöglich, das Böse ganz aus der Welt zu schaffen, aber es ist möglich, es aus dem Innern des einzelnen Menschen zu vertreiben." --Stephan Fingerle


    Autoreninformation:
    Alexander Solschenizyn wurde 1918 in Kislowodsk geboren. 1970 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. 1974 wurde er aus der Sowjetunion ausgewiesen. Er lebte zunächst in Zürich und seit 1976 in den USA.


    Grüsse von Bonprix

  • Bonprix, du hast recht: dieses Werk sollte unbedingt vorgestellt werden, danke!


    Ich hab es vor einigen Jahren gelesen. Das ist ein Buch, das man nicht so schnell (falls überhaupt) wieder vergißt. Und das man meiner Meinung nach unbedingt lesen sollte.

    Liebe Grüße,
    Azrael


    Aktuelles Buch: "Schwarz zur Erinnerung" von Charlene Thompson

  • Da muss ich euch recht geben. Allerdings kann man weder das vorgestellte noch die andern Bücher des Autors mal schnell zwischendurch lesen. Sie schlagen alle heftig aufs Gemüt.


    So auch die Krebsstation, das für mich das eindrucksvollste war, gerade weil es sich in dem "privaten" Rahmen bewegte.


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Marie, da geb ich dir vollkommen recht. Krebsstation hab ich noch nicht gelesen, aber bereits am SUB.

    Liebe Grüße,
    Azrael


    Aktuelles Buch: "Schwarz zur Erinnerung" von Charlene Thompson

  • Solschenizyn gehört unbedingt zu meinen Lieblingsautoren. Die beschriebenen Bücher habe ich schon zweimal bzw. dreimal gelesen. Bestimmt werde ich mir die Bücher bald wieder mal als Lektüre vornehmen. Man liest in den verschiedenen Lebensphasen diese schwere Kost doch jedesmal anders.


    Gruß Elfi

  • Ich habe den Archipel Gulag in einem Geschichte Seminar kennengelernt und in Zusammenhang mit dem "Schwarzbuch Kommunismus" gelesen und war schon sehr erschüttert - denn ich muss zugeben, ich wusste zwar schon, dass das Leben unter Stalin als Diktator hart war...aber solche Größenordnungen hatte ich mir dabei nie vorgestellt. Das hat bei mir echt eine Bildungslücke geschlossen...


    LG schnakchen

  • Hallo @ll,


    es sind schon erschütternde Werke, die der Schriftsteller niedergeschrieben hat.
    Vor allem die "Krebsklinik" hat mich sehr nachdenklich gestimmt, da verschiedene Mitglieder wissen, wie es privat bei mir aussieht.
    Euch allen noch eine gute Zeit, rolf723

  • Zitat

    Original von rolf723
    Vor allem die "Krebsklinik" hat mich sehr nachdenklich gestimmt, da verschiedene Mitglieder wissen, wie es privat bei mir aussieht.
    Euch allen noch eine gute Zeit, rolf723


    Rolf
    Auch für dich eine gute Zeit....und ich wünsche dir viel Stärke! :silent:

  • Noch eine Anmerkung zum Autorenporträt:


    1990 wurde Alexander Issajewitsch Solschenizyn rehabilitiert, 1994 kehrte er nach Russland zurück und bekam auch wieder seine sowjetische Staatsbürgerschaft.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Ich hab die Bände damals fdirekt nach Erscheinen erworben. Und ich muss gestehen, dass ich noch heute von ihnen beeindruckt bin. Mein damaliges Engagement in der Friedensbewegung und bei AI wäre ohne diese Bände nicht so engagiert verlaufen.
    Und ich befürchte, dass es auch noch heute Gulags in der Welt gibt... :cry:

    Neue Lektüre:
    John Norman : Die Nomaden (Gor-Reihe, Bd 4 )
    Wo man liest, da lass dich ruhig nieder,
    böse Menschen lesen keine Bücher

  • Habe dieses Buch gerade in einem Sozialkaufhaus mit zwei anderen Büchern der Weltliteratur für 1€ erworben. Eigentlich eine Schande, oder?


    An dieser Stelle möchte ich aber noch ein Buch empfehlen, welches sich mit den Erfahrungen eines Deutschen im Gulag befasst.


    Georg Hildebrandt
    Wieso lebst Du noch?


    Unfassbar, welches Leid manche Menschen ertragen können und müssen.

  • Ja, ich habe das Buch auch nur für 1 Euro bei einem Trödelhändler erworben. Bis jetzt habe ich noch nicht angefangen zu lesen, die Klausuren sind erstmal vorrangig, aber ich habe es mir für die Semesterferien fest vorgenommen.
    Nach euren Kommentaren zu urteilen kann ich mich dann schonmal auf eine spannende, interessante und wohl auch erschütternde Lektüre vorbereiten. Bin schon gespannt und werde euch dann meinen Leseeindruck mitteilen!
    Liebe Grüße
    Virginia

    "Lesen ist ein kreativer, selbst gewählter, einsamer, herrlicher Prozess, durch nichts zu ersetzen."
    (Günter Grass)

  • Ohne Zweifel ein wichtiges Werk, das nach Meinungen vieler dazu beigetragen hat, dasGULAGsystem im Westen erst richtig bekannt zu machen. Ich las es erschüttert.


    Ich frage mich bei diesem Thread nur, ob dieses Buch im Bereich "Romane" 'wenn auch Kriegs- und Polit-) richtig steht??? Ist es nicht schon ein Sachbuch, wenn auch von einem großen Schriftsteller dargestellt???

  • Uff... da kann man sich zwischendurch schon mal fragen, warum es in der ehemaligen UdSSR überhaupt noch Menschen gibt.


    Ich denke eigentlich nicht, dass ich besonders blauäugig an dieses Werk gegangen bin, aber die Dimensionen können einen doch noch erschrecken. Umso beeindruckender, dass dieses Buch sehr gut lesbar war. Solschenizyn bringt eine trockene Art mit sich, die dem Buch regelrecht Esprit verleiht. Es ist eben nicht das sture runterrattern schrecklicher Ereignisse in Zahlen und Erzählungen, wie man es von solchen Büchern gewohnt ist und folglich auch hier erwartet. Der Autor zerfließt nicht, wie so viele vor und nach ihm, in (Selbst-)Mitleid, sondern scheint sich trotz direkter Betroffenheit eine gewisse geistige Distanz bewahrt zu haben. Das macht zum einen herrlich bissige Kommentare aus, die das Lese-Erlebnis ungemein aufwerten, zum anderen schätze ich es sehr, dass klar herüberkommt, dass man es hier mit einem intelligenten Menschen zu tun hat, der trotz alledem in der Lage ist, die Medaille von zwei Seiten zu betrachten, auch mal die Frage zu stellen "wie hätte ich mich an Stelle der Wärter verhalten?", "Weshalb ist es überhaupt so gekommen, wie es ist?".


    Meines Erachtens nicht nur lehrreich, sondern auch ein Genuss zu lesen. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • In irgendeiner russischen Stadt Ende der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts versammelt sich die lokale Polit- und Wirtschaftsprominenz um irgendeinen aktuellen Erfolg zu feiern, und im gleichen Zuge auch den "großen" Führer Stalin zu bejubeln. Der ist zwar körperlich nicht zugegen, sein Geist scheint aber fast greifbar im Raum: denn vor Ort sind, wie jeder weiß, zahlreiche Augen und Ohren der Partei – und die schaut sich die anwesenden Ökonomen und Arbeiterführer ganz genau an. Und so nimmt das Unglück seinen Lauf,als mal wieder der Genosse Stalin erwähnt wird und es mächtig zu jubeln und zu klatschen gilt. Problem nur: wer traut sich, als erster damit wieder aufzuhören – und so vergehen die Minuten:


    Zitat

    „ ... 6 Minuten! 7 Minuten! 8 Minuten!… Sie sind verloren! Zugrunde gerichtet! Sie können nicht mehr aufhören, bis das Herzzerspringt! Hinten, in der Tiefe des Saales, im Gedränge, kann einernoch schwindeln, einmal aussetzen, weniger Kraft, weniger Ragehineinlegen – aber nicht im Präsidium, nicht vor aller Augen! Der Direktor der Papierfabrik, ein starker und unabhängiger Mann, steht im Präsidium, begreift die Verlogenheit, die Ausweglosigkeit der Situation – und applaudiert – 9 Minuten! 10! Er wirft sehnsüchtige Blicke auf den Sekretär, doch der wagt es nicht. errückt! Total verrückt! Sie schielen mit schwacher Hoffnung einerum anderen, unentwegt Begeisterung auf den Gesichtern, sie latschen und werden klatschen, bis sie hinfallen, bis man sie auf Tragbahren hinausbringt! Und auch dann werden diezurückgebliebenen nicht aufgeben! … Und so setzt der Direktor in der elften Minute einegeschäftige Miene auf und läßt sich in seinen Sessel im Präsidium fallen. Und – o Wunder! – wo ist der allgemeine, ungestüme undunbeschreibliche Enthusiasmus geblieben? Wie ein Mann hören sie mitten in der Bewegung auf und plumpsen ebenfalls nieder. Sie sind gerettet! Der Bann ist gebrochen!“


    Was mit dem armen Direktor passieren sollte, ist dann nur noch unschwer zu erahnen. Nur soviel: gerettet war er dann leider doch nicht.


    Diese gern zitierte Beschreibung aus Solschenizyn's 3-teiligem Jahrhundertwerk (ja, diese Bezeichnung verdient dieses StückLiteratur) Der Archipel Gulag gehört auch zu denjenigen, die michpersönlich am meisten beeindruckten. Doch gab es derer unzählige in diesem Buch, welches mich in schöner (kann man indiesem Fall von 'schön' überhaupt sprechen?) Regelmäßigkeit sprachlos, fassungslos, und angewiedert zurückließ angesichts der ungezählten Grausamkeiten, die im Buch ebenso schonungslos, sowie mit einem für mich fast schon unfassbaren Zynismus, dargelegt werden.
    Unfassbar, was Menschen einander antun können, bis ins Mark erschreckend, wie pervertierte politische Ideologie und Verblendung die Seele einer ganzen Gesellschaft ausrotten können. Mit Worten nicht zu beschreiben die Tragödie der vielen unschuldigen Millionen Opfer der willkürlichen, stalinistischen Justiz- und Lagerherrschaft.
    Gewaltig und mitreißend mithin die Sprache Solschenizyns, die den Leser zu packen vermag und mitnimmt auf eine von Schrecken und Grauen erfüllte Reise in Russlands garnicht so weit zurückliegendes und wohl schwärzestes Kapitel seiner Historie.


    Wer es ertragen kann: ja, man sollte dieses Buch gelesen haben. Denn in Anbetracht all der unsagbaren Grausamkeiten werden wir in diesem Werk dringlichst daran erinnert, was es heißt, menschlich zu sein und menschlich zu handeln. Gerät diese Prämisse ins Hintertreffen, dann haben Orwell & Co. noch weit untertrieben. Insofern wird Solschenizyns Lebenswerk ein stets aktuelles Mahnmal bleiben.

    "Wenn ich einer Untergrundkultgemeinschaft beitrete, erwarte ich Unterstützung von meiner Familie!" (Homer Simpson)


    :montag:

  • Herzlichen Dank für diese Rezension. Ich las seine Bücher in jungen Jahren, das heisst in den 70er.


    Wenn du dich für dieses Genre interessierst habe ich auf meinem SUB eine Lektüre welche genau so intensiv ist.
    Wolfgang Ruge ist der Vater von Eugen Ruge dessen Buch "In Zeiten des abnehmenden Lichts" mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter