Stefan Zweig - Angst

  • Kurzmeinung

    terry
    Wie immer von Zweig begeistert. Hier nicht in geschichtlichem Zusammenhang,hier wird Psyche unter die Lupe genommen
  • Frau Irene, eine Dame aus der wohlhabenden Wiener Gesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts, betrügt ihren Mann seit einiger Zeit mit einem jungen Pianisten. Geplagt von Gewissensbissen und gequält von der Last ihrer ständigen Notlügen, lebt sie in dauernder Angst vor der Entdeckung ihrer Untreue. Zudem kommt noch, dass die angeblich frühere Geliebte des Pianisten darüber Bescheid weiß und die Lage mit Erpressungen (Verlangen von Wertgegenständen etc.) ausnützt.


    Stefan Zweigs Texte zählen einfach zu den Klassikern, seine Novellen sind Meisterwerke der moderneren Literatur :wink:
    So genoß ich die Lektüre über eine Frau, die eigentlich zufrieden sein müsste, mit dem, was sie hat und welche von Anfang bis zum Schluss von der Angst innerlich aufgefressen wird. Genießen in dem Sinne, von Zweigs peinlich genau geschilderten inneren Vorgänge einer Frau in solcher Situation "verwöhnt" zu werden (also auch aus psychologischer Sicht äußerst interessant).
    Man merkt, wie gut er sich in Menschen hineinfühlen konnte, wie ausführlich er sich mit ihnen beschäftigte und auch versuchte, sie so zu verstehen.


    Ein durchaus empfehlenswertes Werk!


    Grüße,
    kameliendame

    "Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen."
    Franz Kafka

  • Ich habe das Buch erst vor kurzem gelesen, das Buch wurde in unserem Literaturkreis vorgeschlagen.


    Wenn man länger über das Buch nachdenkt, desto mehr kann man aus dieser Geschichte "herauslesen".
    Die Kommunikation zwischen den beiden Eheleuten, später auch die Kommunikation zwischen Frau Irene und ihrem Geliebten bzw. der Umgang mit ihm, der Umgang mit Problemen von Frau Irene, die Verbindung zwischen ihr und ihren Kindern, die "Verklemmtheit", die Beziehung von Frau Irene und ihrem Mann (gibt es so etwas heute noch? - bestimmt sogar), die "Art" von Liebe und und und...


    Ehrlichgesagt wäre ich ohne den Vorschlag aus dem Literaturkreis nicht auf dieses Buch aufmerksam geworden. Und das hätte ich schade gefunden.
    Dieses relativ dünne Büchlein mit knapp 120 Seiten habe ich fast in einem Rutsch ausgelesen. Ein Buch, das irgendwie anders ist als die anderen. :wink:

    Liebe Lesegrüße
    Eure Süße
    :study::)


    Erinnerungen, die unser Herz berühren, gehen niemals verloren.

  • Frau Irene, verheiratet mit einem erfolgreichen Anwalt, Mutter zweier Kinder und mit Anfang 30 bereits ein wenig vom Leben gelangweilt, beginnt weniger aus Liebe, sondern mehr aus Abenteuerlust heraus ein Verhältnis mit einem jungen Pianisten. Die Aufregung und das Kribbeln des Verbotenen steigern sich ungewollt, als plötzlich eine Erpresserin auftaucht. Nun droht das bequeme, luxuriöse Familienleben in sich zusammen zufallen, wenn der Ehemann, die Familie, ihr Umfeld von der Affäre erfahren. Immer wieder taucht die Erpresserin auf, verlangt jedesmal höhere Beträge...die Angst der betrügenden Ehefrau steigert sich von angespannten Nerven über Verfolgungswahn, zur Panik...bis zum überraschenden Ende.
    Eine genial geschriebene Novelle, die eindrucksvoll die Gefühle einer gehetzten, verängstigten Frau beschreibt, die erst vor dem Zusammenbruch ihres Familienlebens bemerkt, wie gut es ihr eigentlich ging, und dass sie eigentlich einen vertrauensvollen Ehemann hat, den sie unterschätzt.
    1910 geschrieben, ist diese Erzählungen zeitlos und liest sich sehr leicht. Gemäss Wikipedia wurde die Geschichte bereits 3x verfilmt, u.a. 1954 von Roberto Rossellini mit Ingrid Bergman und Klaus Kinski
    Die Novelle ist übrigens nicht nur einzeln erhältlich, sondern auch in diesem Sammelband enthalten:

  • Bei diesem Buch steht man bereits auf der ersten Seite mitten im Geschehen. Es packt einen und nimmt einen direkt mit. Ich war wirklich gefesselt. Schon am Anfang der Seite kann man kaum die nächste Seite erwarten um dann erst mal völlig benommen vom Ende zu sein...

    A-l-l-a-n-o-n --> ließ es!!

  • Gerade habe ich die Erzählung nochmals gelesen, und finde sie immer noch sehr empfehlenswert! Nun lese ich meinen fast zehn Jahre alten Beitrag im Thread und muss diesen Absatz etwas korrigieren:

    1910 geschrieben, ist diese Erzählungen zeitlos und liest sich sehr leicht. Gemäss Wikipedia wurde die Geschichte bereits 3x verfilmt, u.a. 1954 von Roberto Rossellini mit Ingrid Bergman und Klaus Kinski

    Tatsächlich schrieb Stefan Zweig die Erzählung zwischen Februar und Juni 1913. Der Erstdruck erfolgte als "Fortsetzungsroman" in der Neuen Freien Presse (Wien) wöchentlich zwischen dem 03. Aug und 21, Sep 1913.


    Offenbar war Stefan Zweig mit seinem Text ziemlich unzufrieden, wie man aus Briefen an seinen Verleger A. Kippenberg vom Inselverlag entnehmen kann. Zudem, und das ist bei Stefan Zweig ungewöhnlich, hat er auch nach dem Erstdruck bei nachfolgenden Veröffentlichungen diverse Änderungen vorgenommen. Insbesondere für die Neuausgabe der Erzählungen im Reclam-Verlag 1925, hat er den Text um ein Drittel gekürzt und stilistische Eingriffe vorgenommen.


    Man vermutet, dass er diese Erzählung etwas von seinen späteren, vermeintlich gelungeneren Texten abgrenzen wollte, und er daher 1910 als Entstehungstermin verbreitete, sozusagen als ein Frühwerk und noch nicht ganz auf der Höhe seiner späteren Meisterwerke.

    Die heutzutage übliche Form in den Sammelbänden, ist die gekürzte, bei der Zweig "zuletzt Hand anlegte". Wer die Originalfassung mit der Endfassung vergleichen möchte, kann es in der untenstehenden Sammelausgabe tun; hier sind beide Fassungen enthalten...


    Ach ja: in diesem Erzählband werden sogar neun (!) Verfilmungen von "Angst" zwischen 1928 und 1992 genannt.