Stephan Harbort - Ich musste sie kaputtmachen

  • Kurzmeinung

    claudi-1963
    Ein Buch von einem Kriminalexperten, das mich wieder einmal tief erschüttert hat.
  • 368 Seiten


    "Anatomie eines Jahrhundert-Mörders"


    Autor:
    Stephan Harbort, 1964 in Düsseldorf geboren und dort lebend.


    Dipl.-Verwaltungswirt, Kriminalhauptkommissar, stellv.Leiter eines Kriminalkommissariats im Polizeipräsidium Düsseldorf, langjähriger Lehrbeauftragter an der Fachhochschule seiner Heimatstadt. Referent am Polizeifortbildungsinstitut Neuss, anerkannter Serienmord-Experte, entwickelte mehrere Fahndungsmethoden zur Überführung von Serientätern und arbeitet mit verschiedenen Universitäten im In- und Ausland zusammen.


    Verfasser zahlreicher wissenschaftlicher Fachaufsätze zur Kriminalistik, Kriminologie und Kriminalpsychologie; Vortragstätigkeit, Berater einer Reihe von TV-Dokumentationen und Krimiserien (z.B.Medical Detectives).


    Autor von "Das Hannibal-Syndrom". Phänomen Serienmord und "Mörderisches Profil" Phänomen Serientäter.



    Inhalt:
    Der Name dieses Mannes steht für das wohl düsterste Kapitel der deutschen Kriminalgeschichte seit Ende des Zweites Weltkrieges. Nach seiner Festnahme im Juli 1976 stellte sich erst nach und nach heraus, wer der Kriminalpolizei ins Netz gegangen war. Der "Jahrhundert-Triebtäter" gestand eine Vielzahl von Morden, die er in mehr als zwei Jahrzehnten am Niederrhein und im nördlichen Ruhrgebiet begangen hatte.


    Die Opfer: Kinder, Frauen, Männer. Eine ganze Nation stand unter Schock. Die Gräueltaten des unscheinbaren Waschkauenwärters überforderten den Verstand, das Gefühl und die Sprache. Die Presse brnadmarkte ihn als "Kannibale vom Rhein".


    Stephan Harbort beschreibt und analysiert dieses Kriminaldrama, dessen Hintergründe bisher nebulös geblieben sind. Er wirft einen vertiefenden Blick auf Entstehung und Entwicklung der Ereignisse und klärt darüber auf, wie sich der "nette Nachbar" zu einem der erbarmungslosesten und grausamsten Serienmörder Deutschlands aufschwingen und wie es ihm gelingen konnte, der Polizei immer wieder zu entkommen.


    Zudem erörtert der Kriminalhauptkommissar, ob in vergleichbaren Fällen eine tatsächlich lebenslang vollstreckte Freiheitsstrafe angemessen erscheint.



    Anmerkung:
    Tja ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen soll. Ein äußerst schwieriges Thema, unglaublich gut geschrieben. Alle Emotionen wurden herausgelassen, wobei ich persönlich glaube, dass das sicher sehr schwierig war, finde es aber äußerst wichtig, dass es so ist.


    Innerhalb der ersten 60 Seiten musste ich einige Male für 2-3 Minuten unterbrechen, weil ich einfach nicht fassen konnte, was man eigentlich einem Menschen bzw. einem Kind, nämlich Joachim Kroll, alles "antun" konnte, was natürlich die vielen wirklich grausamen Morde später absolut nicht rechtfertigt, das ist ganz klar.


    Dieses Buch muss, glaube ich, jeder selber lesen und sich eine eigene Meinung bilden. Ich war auf jeden Fall sehr erschüttert. Eines der besten Bücher, die ich gelesen habe.



    Es gibt noch weitere Threads unter "Sonstiges" und "Ich lese gerade..."


    http://www.buechertreff.net/vi…highlight=stephan+harbort


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    Liebe Grüße
    Helga :winken:


    :study: [b]???


    Lesen ist ernten, was andere gesät haben (unbekannt)

  • Stephan Harbort hat mich mit seinem Bericht über den Serienmörder Joachim Kroll sehr beeindruckt. Die Darstellungen sind sachlich, ohne zu be- oder verurteilen.


    Erschüttert war ich darüber, wie lange Kroll sein Unwesen treiben konnte. Sicherlich lag dies z.T. auch darin begründet, dass die damaligen kriminaltechnischen Ermittlungsmethoden noch nicht so weit fortgeschritten waren - zwar konnte seine Blutgruppe an einigen Tatorten sichergestellt werden, doch die DNS als Fingerabdruck spielte damals noch keine Rolle.


    Den damals ermittelnden Beamten gebührt mein Respekt: sie versuchten im Sinne der Ermittlungen ein, nach außen hin, freundschaftliches Verhältnis zu Kroll aufzubauen, um ihn zum Sprechen zu bringen. Wie viel Überwindung muss dies gekostet haben!?
    Es war erschreckend, zu lesen, wie Kroll die ermittelnden Beamten an die Tatorte führte, wie nüchtern er die Taten schilderte und dabei keinerlei Reue zeigte. Ich weiß nicht, ob man dies wirklich auf seinen IQ und seine Entwicklung zurückführen kann...

  • Hallo Tweetywoman,


    fein, dass dir das Buch auch so gut gefallen hat, obwohl es eine erschütternde Geschichte ist. Mich würde interessieren, was aus Joachim Kroll geworden wäre, wenn es mit der Lehre, die er machen wollte, funktioniert hätte und wenn seine Krankheit nicht gewesen wäre. Wäre dann auch alles so gekommen? Man weiß es leider nicht. Es war auf jeden Fall ein faszinierendes Buch, über das man auch nachdenkt.

    Liebe Grüße
    Helga :winken:


    :study: [b]???


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  • Mich würde interessieren, was aus Joachim Kroll geworden wäre, wenn es mit der Lehre, die er machen wollte, funktioniert hätte und wenn seine Krankheit nicht gewesen wäre. Wäre dann auch alles so gekommen? Man weiß es leider nicht.


    Ja, man weiss es leider nicht. Vielleicht wäre auch einiges anders gelaufen, wäre allein schon seine Kindheit anders verlaufen - schon dort werden Wege für später geebnet...

  • Helga, vielleicht wäre "Das Hannibal Syndrom" auch etwas für Dich.



    Hallo Coco,


    das ist eines der wenigen Bücher von Stephan Harbort, welches ich noch nicht gelesen habe und "Ein unfassbares Verbrechen" habe ich auch noch hier liegen. Werde ich alle noch lesen, weiß nur noch nicht wann.:mrgreen:

    Liebe Grüße
    Helga :winken:


    :study: [b]???


    Lesen ist ernten, was andere gesät haben (unbekannt)

  • "Ich musste sie kaputt machen" von Stephan Harbort (Kriminalhauptkommissar und Deutschlands bekanntester Serienmord - Experte) handelt in erster Linie vom Leben des Joachim Georg Kroll, der in mehr als zwei Jahrzehnten eine Vielzahl an Morden beging und angesichts seiner Gräueltaten von der Presse als "Kannibale vom Rhein" bezeichnet wurde. Rundherum bekommt man aber auch interessante Einblicke in die Arbeit der verschiedenen Abteilungen der Polizei und deren Fahndungs- und Ermittlungsmethoden, erfährt von Menschen, die sich der Polizei stellen und Morde gestehen, die sie gar nicht begangen haben und das eine nicht unerhebliche Zahl von Menschen verurteilt werden und Strafen absitzen, für Taten, die sie gar nicht begangen haben.
    Mit der Geschichte von Joachim Kroll erfährt man nicht nur über seine zum Teil unfassbaren Taten, man erhält Einblicke in die Gefühls- und Erlebniswelt von einem Menschen, mit dem es das Leben von Beginn an nicht besonders gut meinte... Ob in der Familie, Schule oder späteren Arbeitsstellen - Joachim Kroll erfährt keine Liebe oder Zuneigung. Im Gegenteil... er ist oft Gegenstand von Hohn und Spott. Er ist immer der Unauffällige, Außenseiter, Versager und Nichtsnutz. Dies setzt sich in nahezu selbsterfüllender Prophezeiung in seinem Leben immer weiter fort, so dass das Auffälligste an ihm ein Leben in völliger Unauffälligkeit wird - und trotzdem schafft es ein minderbegabter... ein untalentierter und ungebildeter... der sich primitiver Hilfsmittel bediente und eine sehr simple Strategie verfolgte, die Kriminalpolizei über zwei Jahrzehnte zum Narren zu halten und große Teile der Bundesrepublik dauerhaft in Angst und Schrecken zu versetzen!
    Dies ist das dritte buch, das ich von Stephan Harbort gelesen habe und ich dachte, nach "Das Hannibal - Syndrom" kann es keine Steigerung mehr geben... Aber mit der Geschichte über Joachim Kroll legt er nochmal "eine Schippe drauf"! Unfassbar spannend erzählt... (ich saß beim Lesen des öfteren im Bus und dachte nicht nur einmal darüber nach, einfach sitzen zu bleiben und weiter zu lesen, obwohl meine Zielhaltestelle kam!) brillant analysiert und dabei stets verständlich und nachvollziehbar erklärt!
    Auch in diesem Buch ist für mich das Vor- und Nachwort wieder ein wichtiger Bestandteil. Stephan Harbort erklärt darin, dass er Denkanstöße und Perspektiven liefern möchte, die weiter sehen lassen, als die landläufige Meinung "Serienmörder gehören weggesperrt und damit ist der Gesellschaft genüge getan!". Er gibt zu bedenken, dass hinter jedem "Monster" ein Mensch steckt und die Strafen, die wir verhängen und vollstrecken, nicht nur etwas über die Gesinnung und das Wesen der Täter aussagen...
    In meinem Fall ist ihm das sehr gut gelungen!

    Die höchste Form menschlicher Intelligenz ist die Fähigkeit zu beobachten, ohne zu bewerten.
    (Jiddu Krishnamurti) :flower:

  • Ich musste sie kaputtmachen - Schon der Buchtitel lässt nichts Gutes vermuten, auch wen man im Vorweg weiß, worum und vor allem, um wen es hier geht. Stephan Harbort (beg)leitet einen durch bzw in die Welt menschlicher Abgründe des Joachim Georg Kroll und seine über zwei Jahrzehnte andauernde Mordserie. Das Buch gliedert sich in mehre Bereiche - zum einen wird der Täter und seine Kindheit, sein “menschlicher Werdegang“ detailliert geschildert, bei dem man manches mal geneigt ist, das “Warum“ seiner Taten (ich möchte nicht sagen, dass man diese rechtfertigen kann oder soll, aber es stellt sich die Frage, ob es beim rechtzeitigen Erkennen seines Wesens von Seiten Außenstehender, einiges hätte verhindert werden können?) nachvollziehen zu können oder zu wollen.


    Mich persönlich haben diese Gedanken des Verstehen-wollens oder auch manchmal sowas wie - letztlich blieb ihm wohl keine andere Wahl -während ich das Buch gelesen habe, erschreckt, da seine Vorgehensweise, trotz gering gemessener Intelligenz, immer irgendwie Durchdacht erschien und auch funktioniert hat. Seine verzweifelten Versuche, eine Freundin bzw Frau zu finden, das jedoch ständige Abblitzen oder “vernarzen“, wie er es nannte, beim weiblichen Geschlecht, lassen in seinen Augen schließlich keine andere Möglichkeit mehr zu, als sich sein vermeintliches Anrecht auf Sex mit Gewalt zu holen. Ob er wirklich nach Liebe gesucht oder gewollt hat, bezweifle ich hingegen.


    Ebenfalls werden seine Taten genau unter die Lupe genommen, so manches grausame Detail lässt einen fassungslos zurück bzw musste ich des öfteren das Buch einfach mal zur Seite legen und meine Gedanken sammeln und neu ordnen, mit “in einem Rutsch durchlesen“ war es mir nicht möglich.


    Jemand wie Kroll, der kurze Phasen ohne “dieses komische Gefühl“ hatte und ansonsten ständig im Jagdmodus gewesen ist, kontinuierlich irgendwie durch seine verschrobene Art in seinem doch recht übersichtlichen Umfeld wahr genommen wurde, konnte sich lange ungehindert auf die Lauer legen, Frauen abfangen und, wenn er nicht durch andere Umstände gestört wurde, seiner kranken Phantasie hingeben, ausleben und die mindestens 8 Morde vollziehen.


    Auf die Schliche kam man ihm schließlich, da das Entsorgen einiger Körperteile seines letzten Opfers schlampig vonstatten ging - für die Polizei hingegen eröffnete Kroll ein Kapitel eines schier unmenschlichen Horrorkabinets. Schon während dieser brutalen Mordserie werden die, zur damaligen Zeit üblichen, Polizeitaktiken und nach seiner Festnahme, die zahlreichen, sehr zäh verlaufenden Vernehmungen, sehr genau geschildert.
    Man kann sich gut in den herrschenden Druck seitens der Bevölkerung, aber auch der Polizei selbst, hineinversetzen.
    Alles in allem bleibt selbst nach der Festnahme des Täters ein flaues Gefühl zurück - nicht wenige Menschen litten bzw leiden noch heute unter den Verlusten, Unschuldige wurden inhaftiert, da das Profil zu passen schien oder Anschuldigungen im Raum standen.


    Als Leser bzw Nichtfachmann von Polizei- und Psychologenarbeit bleibt man teilweise ratlos zurück, immer wieder fragt man sich, warum und wann sich so etwas wiederholen kann/wird.
    Das Buch ist einerseits sachlich und Informativ geschriebenen, anderseits versteht es Stephan Harbort, eine gewisse Spannung einzubauen, die schon Krimi-Charakter hat.
    Insgesamt ein sehr empfehlenswertes Buch, wenn man gute Nerven hat und sich auch für die Hintergründe der menschlichen Seele, deren Abgründe und die Arbeit der Polizei, Psychologen und vor allem, der Kriminalisten, interessiert.

  • "Die Ablehnung dessen, was in deinem Leben ist, baut eine steinerne Mauer um dein Herz, durch die die Liebe nicht dringen kann." (Irina Rauthmann)

    Stephan Harbort langjähriger Kriminalhauptkommissar, Kriminologe und seit 2012 Dozent an der BTU Cottbus zeigt uns hier in diesem Buch eine neue Lebensgeschichte des Serienmörders Joachim Kroll auf. Ich frage mich was interessiert ihn an diesen Serienmördern? Ich denke, es ist das Ungewisse warum jemand solche Taten begeht, die den Autor immer wieder reizt, in die Köpfe dieser Menschen zu blicken. Diesmal hat er Deutschlands Jahrhundertmörder durchleuchtet, aber Joachim Kroll war nicht immer ein Mörder. Joachim Kroll geboren am 17. April 1933, er wuchs als sechster von acht Geschwistern in Hindenburg auf. Sein Vater war Bergarbeiter und die Familie musste unter sehr bescheidenen Verhältnissen in einem Bergarbeiterhaus leben. Allerdings war er schnell zu Hause aber auch in der Schule ein Außenseiter, Sündenbock und Schlusslicht, bis er immer weiter abrutschte und sitzen blieb. So blieb es auch nicht aus, das auf ihn eingeprügelt wurde, hauptsächlich durch den Vater. Er arbeitet dann an verschiedenen Stellen, aber auch dort hatte er immer wieder Anpassungsprobleme. Eigentlich wollte er immer Elektriker werden stattdessen musste er Ställe ausmisten. Doch dann kam die Pubertät und seine körperlichen Lüste, die er nirgends befriedigen konnte und sich deshalb Abhilfe suchte. Der Tod der Mutter 1955 hat ihn dann tief erschüttert, da sie sein einziger Halt war. Vielleicht war dieser aus der Auslöser für seine erste Tat oder aber die ständigen Ablehnungen bei den Frauen? Insgesamt mordete er 20 Jahre lang mehrere Frauen und Mädchen und wurde auch als "Der Kannibale vom Rhein" tituliert.

    Meine Meinung:
    Auch in diesem Buch beschäftigt sich der Autor wieder detailliert um den Täter. Anhand Akten, Protokollen und Interviews erkennt der Leser nicht nur die gestörte Kindheit des Täters, sondern auch die Problematiken der damaligen Zeit, aber auch den Fehlern vonseiten der Polizei. Der Schreibstil ist sehr gut und so tauchte ich in die Gedankenwelt eines Menschen, der sicher nicht alleine für seine Taten strafbar gemacht werden sollte. Es liegt aber auch viel an Stephan Harborts Darstellung, das man das Buch nur unschwer aus der Hand legen kann. Das Buch ist wirklich wie ein Roman geschrieben, teils auch mit Frage und Antwort Teilen, bei dem der Täter selbst interviewt wurde. Wieder bin ich hin- und hergerissen ob ich einem Täter mehr Mitgefühl einräumen soll, als den vielen Opfern die ihm in die Arme gelaufen sind. Aber ich konnte auch hier wieder einmal sehen das viele Täter nicht alleine zu Mördern werden, sondern oft zu ihnen gemacht werden. Am meisten hat mich aber das Protokoll des Grauens ab Kap. 41 entsetzt und ich fragte mich, kann eine schlechte Vergangenheit einen Menschen so prägen? Aber man merkt auch an dem Buch wie viele Fehler vonseiten der Polizei entstanden, maßgeblich auch dadurch da die Analysen, Forensik und anderes zu der Zeit noch nicht soweit war. Ich wüsste nicht, ob dies heute noch möglich wäre, das man einem Täter solange nicht auf die Spur kommt. Auch der Prozess von Joachim Kroll wird geschildert, bei dem er für 8 Morde verurteilt wurde, bis er selbst dann 1991 in der Haft an einem Herzinfarkt verstarb. Ein Buch für alle, die einmal in den Kopf eines Mörders blicken wollen, aber auch hinter die Kulissen von Ermittlungen, Vernehmungen. Ich kann das Buch nur jedem der Krimis liest und liebt empfehlen, gebe 5 von 5 Sterne und eine Leseempfehlung.
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