KLR: 1. Teil des Romans

  • Hallo!


    Ich habe gestern mit dem Buch begonnen und mich gleich festgelesen, sodass ich heute Nachmittag den ersten Teil beendet habe.


    Meine ersten Eindrücke sind recht gut, überwältigt bin ich allerdings bisher weder vom Stil noch von der Handlung. Allerdings kommt die Sache nunmehr, nach dem ersten Teil, so richtig ins Rollen....


    Es fällt mir ebenfalls noch schwer, die Charaktere zu beurteilen. Charles als ein eher passiver, bescheidener Mensch, der mir eigentlich schon (eher) sympathisch ist. Ein bisschen zu naiv, zu farblos und zu beeinflusst von seiner Mutter vielleicht (aber solche Typen kennen wir doch schon, von anderen KLRs oder? ;) ).


    Emma hingegen mag ich nicht. Dieses ehrgeizige und zwanghafte "Dazugehören-Wollen", die Verleugnung der eigenen Wurzeln, das Buckeln und Anbiedern vor der "hohen Gesellschaft" finde ich zum Kotzen. In ihrem Elternhaus war sie eine bessere Dienstmagd und nun möchte sie die Grande dame sein.


    Ich bin schon sehr gespannt auf eure ersten Eindrücke!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Hallo zusammen,


    ich habe den ersten Teil heute gelesen, es ist das zweite Mal, dass ich den Roman lese, allerdings ist das erste Mal wohl schon so an die 10 Jahre her und ich kann mich eigentlich an fast gar nichts mehr erinnern.


    Viel passiert ist bisher noch nicht, hauptsächlich werden Charles und seine zweite Frau Emma vorgestellt. Sympathisch ist mir eigentlich keiner von beiden, Charles ist ein bißchen zu träge um sympathisch zu sein und Emma zu sehr auf sich selbst bezogen. Ich fand übrigens nicht Rosalita, dass sie sich anbiedert an die "große Gesellschaft", die Schilderung des Balls war eigentlich recht ruhig und ich sehe Emma eher mit großen glänzenden Augen, fast schon kindlich, durch das Schloß gehen und tanzen. Schlimmer finde ich ihr Benehmen im häuslichen Kreise, das Entlassen der Dienstmagd, eigentlich nur aus Enttäuschung, dass sie wieder in ihrem einfachen, bescheidenen Heim ist, statt in der großen Welt.
    Ich frage mich, wie ich an ihrer Stelle reagiert hätte, sehr prickelnd ist die Vorstellung ihres Lebens ja wirklich nicht - allerdings unternimmt Emma auch nicht den Versuch sich eine Aufgabe zu schaffen, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Erziehung ihres (noch ungeborenen) Kindes eine solche für sie werden wird.


    Ein bißchen erinnert mich die Situation an "Effi Briest", die auch nach ihrer Heirat auf dem Land lebt und sich langweilt, weil sie keine Aufgabe hat. Wobei ich im Moment in Effi noch stärker ein Opfer sehe, sie ist jünger und mehr Einflüssen von außen ausgesetzt.


    Katia

  • ja, Katia, du hast recht, "anbiedern" ist ein falsches Wort dafür. Sie will unbedingt dazugehören und ist so fasziniert von dieser Welt und weiß wohl innerlich, dass sie da wohl nie dazugehören wird, mit diesem Ehemann. Und aus dieser Enttäuschung und tiefsten Unzufriedenheit spielt sie zuhause die "Herrin".

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Im ersten Teil werden ja nun eigentlich die Charaktere und deren Vorgeschichten ersteinmal vorgestellt.
    Charles ist ein einfacher Mann,der auf Drängen seiner ehrgeizigen Mutter,unter deren Pantoffel er völlig steht,Arzt geworden ist,gegen sein Naturell.
    Emma hingegen macht mich wirklich krank.Wirklich, sie macht mich fertig! Vielleicht weil ich einige ihrer Züge auch meine sein könnten.Allerdings nicht die Guten...
    Zum einen ist sie eine melancholische Romantikerin (wenn es um Träume oder Bücher geht) ,zum anderen total launisch,teilweise gefühllos ( wenn es um die Realität geht ) und ein absoluter Angsthase,wenn es um die Realisierung ihrer Wünsche geht.
    Ich finde sie ist das absolute Gegenteil zu Effi Briest.Effi ist ja Opfer der Umstände,aus denen sie mit eigentlich viel Engagement versucht das Beste zu machen,Emma allerdings hat einen Mann der sie vergöttert und den sie auch liebte bis er aus ihren Träumen in ihr "wahres " Leben trat und sie ihn seitdem nur noch verachtet.
    Sie liebt es sich selbst zu bemitleiden,überhaupt liebt sie es zu leiden.
    Eigentlich steht nur Emma selbst ihrem Glück im Weg.


    Ich habe ja schon ein wenig weiter gelesen und was da bald noch folgt war teilweise wirklich schockierend!!! :shock:
    Später mehr dazu...

  • Zitat

    Original von Schoenchen
    Ich finde sie ist das absolute Gegenteil zu Effi Briest.Effi ist ja Opfer der Umstände,aus denen sie mit eigentlich viel Engagement versucht das Beste zu machen,Emma allerdings hat einen Mann der sie vergöttert und den sie auch liebte bis er aus ihren Träumen in ihr "wahres " Leben trat und sie ihn seitdem nur noch verachtet.
    Sie liebt es sich selbst zu bemitleiden,überhaupt liebt sie es zu leiden.
    Eigentlich steht nur Emma selbst ihrem Glück im Weg.


    Vom Charakter her ist Emma sicher sehr verschieden zu Effi, trotzdem sehe ich auch in ihr ein Opfer der Umstände - warum überhaupt hat sie Charles geheiratet? Eigentlich haben wir davon nichts erfahren, nur, dass ihr Vater für die Heirat war (eine wunderbare Szene übrigens, dieser "Heiratsantrag"). Meine Vermutung: Sie wollte weg vom heimatlichen Hof, er war der erste Mann, der sich für sie interessierte und sowas beeindruckt junge Frauen meistens ;) Dabei macht sie sich selbst aber nicht wirklich klar, ob sie ihn liebt, was sie erwartet, sie erhofft sich mehr "Abenteuer" vom Leben, und erst als sie in der Ehe steckt merkt sie, dass das alles soooo einfach nicht ist. Ich habe immer noch keine Antwort darauf gefunden, was sie eigentlich hätte machen können, in einer Welt, die Frauen keine Arbeit ermöglicht außer sich um den Haushalt zu kümmern - und dafür gibt es Dienstboten. Natürlich sind ihre Träume von der großen Welt überzogen und unrealistisch und mit ihrem Benehmen bin ich über weite Strecken auch nicht einverstanden, die Gefühle der anderen scheinen sie wenig zu interessieren.


    Katia

  • So wie sich Emma bis dato darstellt,denke ich einfach nicht das sie mit irgendetwas zufrieden sein kann.
    Selbst wenn sich die Träume von Ballsälen,Paris und dem Vicomte erfüllen würden.Neue Träume und Sehnsüchte würden sicher nachrücken,um immer den gewissen Grad von Leid aufrecht zu erhalten.
    Wie sich das genau begründet ist mir auch noch so klar.
    Sicher hatten Frauen zu jener Zeit keine richtigen Wahlmöglichkeiten und eine erzwungene Ehe mit einem Scheusal von Ehemann war sicher die Hölle ,
    aber ich denke doch das die Ehe mit Charles in diesem Sinne sicher kein harter Schicksalsschlag für Emma gewesen ist.
    Sie versucht ja nicht einmal mit Charles zu kommunizieren,lehnt ihn lieber gleich total ab und zelebriert ihre Langeweile.Ich denke doch schon,daß es selbst in diesen Zeiten sinnvolle Beschäftigungen für Ehefrauen gegeben haben muss,oder wie ?? :mrgreen: :wink:

  • den ersten teil finde ich schon ganz interessant wegen der perspektive. eingeleitet wird mit dieser darstellung von charles. wirkung: man lernt ihn zuerst kennen und schlägt sich unbewußt eher auf seine seite, auch wenn er wirklich nicht eben sympathisch ist.


    ein mann ohne ziele, ohne ehrgeiz, fast ohne interessen, läßt er sich zunächst von seiner mutter lenken bis hin zur heirat mit einer ungeliebten frau. aber nicht einmal da ist er wirklich auf seinen vorteil aus (finanziell), er nimmt das einfach so im vorbeigehen mit.


    als er emma kennenlernt, deutet sich an, daß er sich von ihr ebenso dominieren lassen wird. (mal sehen, wie es in dieser hinsicht weitergeht)


    @ schoenchen: emma hat ihn nie geliebt. an einer stelle heißt es doch sinngemöß, daß sie bemerkt, daß aus der liebe, von der sie gehofft hat, daß sie sich mit der ehe einstellen wird, nichts geworden ist. natürlich fällt es ihr dann auch leicht, charles so zu sehen wie er ist: ein ungebildeter landarzt, der ihr nichts bieten kann außer einem dach über dem kopf und einem stall voll kindern. sicher keine verlockenden aussichten im 19. jahrhundert.


    ich denke, man kann ihr die aufkeimenden wünsche erstmal gar nicht krumm nehmen. sooo attraktiv ist charles nun wirklich nicht. und tostes ist im besten sinne ein kaff, in dem nichts los ist. aber gegen ende des ersten teils merkt man schon, daß in dieser frau auch noch andere charakterzüge stecken.

  • Zitat

    Original von Schoenchen
    So wie sich Emma bis dato darstellt,denke ich einfach nicht das sie mit irgendetwas zufrieden sein kann.


    Dieses Gefühl habe ich auch. Sie wird nie zufrieden sein, sie ist innerlich zerfressen, ihr kann man nichts recht machen.


    Ich denke auch, dass sie es eigentlich für damalige Zeiten recht gut "erwischt" hat. Als Tochter eines Bauern zur Arztgattin, das ist sicherlich ein Aufstieg! Der Arzt war doch neben dem Pfarrer wohl eine der angesehendsten Personen.


    Eigentlich erfährt man von Emma ja nicht viel. Während Charles (damals noch verheiratet) die Visiten bei ihrem Vater machte, war sie wohl immer zugegen, Genaueres über sie erfuhr man eigentlich nicht.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Zitat

    Original von Schoenchen
    Sie versucht ja nicht einmal mit Charles zu kommunizieren,lehnt ihn lieber gleich total ab und zelebriert ihre Langeweile.Ich denke doch schon,daß es selbst in diesen Zeiten sinnvolle Beschäftigungen für Ehefrauen gegeben haben muss,oder wie ?? :mrgreen: :wink:


    Muß es wohl :D, und Emma läßt ja auch alle ihre Interessen fallen, die Musik, das Malen, wahrscheinlich weil sie eben kein wirkliches Interesse an diesen Dingen hat, sondern es wegen der Wirkung auf andere ausübt. D.h. sie spielt Klavier, um in Gesellschaft glänzen zu können, nicht weil sie Musik liebt.
    Mein Theorie ist ja immer, dass die Italiener all diese komplizierten Nudelformen nur als Beschäftigungstherapie für ihre Frauen erfunden haben :loool:


    Warum ist Emma eigentlich so? Als Erklärung bietet Flaubert doch nur ihr "Romane lesen" an, das kann von uns doch keiner gutheißen ;), oder hab' ich da was überlesen?


    Katia

  • Also ich besitze eine Ausgabe aus der Büchergilde Gutenberg/Frankfurt (60 er), der Übersetzer heißt Hans W. Hoff, und im Buch befinden sich Illustrationen von Werner Labbé. Das Werk umfasst 390 Seiten.
    Seit gestern Abend bin ich erst bei Seite 44 angelangt, weil mich dieses Buch nicht fesselt. Es kommt kein Lesevergnügen auf, da Flaubert nicht erzählt, sondern eher „zack-zack“ berichtet. Ich hatte es gedanklich zu Austen oder Bronte eingestuft, und bin jetzt von dieser Schreibe mehr oder weniger enttäuscht. Hoffentlich wird das besser :wink:


    So, ich hoffe, dass ich heute noch ein gutes Stückchen weiterkomme, um bei euren Diskussionen mithalten zu können :thumright:

  • romanelesen wird aber ja auch nur dann zur lieblingsbeschäftigung, wenn es in einem drinsteckt (eigene erfahrung). das macht ja niemand, weil man es gesagt bekommt. also schließe ich, daß sie dieses interesse einfach in sich hat. sie kann sich in ihrem inneren nicht damit abfinden, eine verheiratete frau auf dem lande zu sein.


    diese ambitionen verfolgt sie allerdings nicht aus ehrgeiz heraus, denn sie tut ja nichts dafür. sie macht nur das, was die kids heute auch tun: sie liest die entsprechenden zeitschriften, himmelt die entsprechenden personen an und imitiert das ganze. aber sie erwirbt keine eigenen fähigkeiten, um es in diesen kreisen zu etwas zu bringen.


    für mich offenbart emma damit ihre ganze oberflächlichkeit. sie will nur deshalb in die höheren kreise, weil ihr alles andere zuwider ist. sie will nicht zu denen gehören, die für ihr geld arbeiten müssen. womöglich noch im dreck und für wenig geld.

  • Ist schon besser geworden :thumleft:


    Jetzt wo Flaubert Emma beschreibt, fängt er an zu erzählen, und ich lerne die erste Figur etwas besser kennen.


    Emma ist unzufrieden, in ihr steckt Etwas, "Leidenschaft" ist es wohl, was nicht befriedigt wird. Oh, oh das kann ja noch heiter werden :loool:


    Schoenchen hat geschrieben:

    Zitat

    So wie sich Emma bis dato darstellt,denke ich einfach nicht das sie mit irgendetwas zufrieden sein kann.


    Klaro ist das so, wenn man diese Leidenschaft nicht befriedigt, dann platzen diese Menschen. Sie hatte sich erhofft, in ihrer Ehe diese Flammen zu finden, doch ihr Gatte scheint eher ein einschläfernder Töpel zu sein. :loool:
    Ich schätze mal, das Emma heutzutage Fallschirmspringerin oder so wäre, auf jedem Fall immer auf der Suche nach dem großen Abenteuer ;)

  • Zitat

    Original von Schoenchen
    Heidi: Ich denke,sie wäre mit Sicherheit eine Karrierefrau geworden und eine arrogante fiese Chefin... :mrgreen:


    Hi, Schoenchen


    Ich weiß nicht, ob sie unbedingt fies wäre, wenn sie ihren Trieben folgen könnte. Vielleicht wäre sie auch ein mitreißend sympathischer Mensch.


    Also mich verwundert es nicht, wenn Flaubert sie so schildert. Sie frisst ihre Leidenschaft in sich hinein. Hier ist das Wort Depression schon gefallen, was m. M. nach nicht unbedingt passend ist, eher dass sie sich sehr kontrolliert und nach innen lebt. Sie zerfrisst sich.
    Die grobe Handlung könnte man mit Effi Briest vergleichen, aber nicht Emma und Effi. Dann eher noch "Endstation Sehnsucht", obwohl das auch hinkt. Mich spricht der Roman sehr an, weil Flaubert große Menschenkenntnis beweist. Nur leider komme ich nicht zum Lesen, Mutti braucht noch viel Hilfe nach der OP und die Gartenzeit beginnt.

  • Heidi hof


    ich stimme zu: emma ist sicher kein fieser charakter. aber doch reichlich egozentrisch. sie kommt einfach gar nicht auf die idee, daß andere auch bedürfnisse haben.


    depressiv: auf keinen fall. jedenfalls nicht endogen, höchstens exogen, d.h. als reaktion auf ein äußeres ereignis. aber keine dauerhaft depressive. depressive hätten niemals die energie, all diese dinge in gang zusetzen wie emma.

  • Manisch-Depressive schon :tongue:
    Vielleicht seht ihr das ja noch anders,wenn ihr bis zu Ende gelesen habt. :shock: :pale:
    Aber da wir ja nun alle keine Fachärzte für Psychiatrie oder Psychologen sind,sollten wir es wohl dabei belassen,dass sie,nun,einfach etwas durchgeknallt ist... :geek:


    Zitat

    sie kommt einfach gar nicht auf die idee, daß andere auch bedürfnisse haben.


    Na wenn das nicht eine Grundeigenschaft einer fiesen Chefin ist... :mrgreen: