Tucholsky, Kurt - Schloß Gripsholm

  • Hallo,


    hier eine Rezi über eine tolle "Sommergeschichte":


    Über den Inhalt: (meine Zusammenfassung)
    Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei der Erzählung "Schloß Gripsholm" um eine leichte Sommergeschichte. Der Autor und seine Freundin Lydia machen sich auf, um ihren Sommerurlaub in Schweden zu verbringen. Dort erleben sie manch ruhige, erholsame Stunde, jedoch wird diese Ruhe durch Besuche von Freunden immer wieder unterbrochen, was jedoch der luftig-leichten Stimmung keinen Abbruch tut.
    Und mittendrin spielt auch noch ein nahe gelegenes Kinderheim eine große Rolle, in dem ein furchtbarer "Weibsdrachen" den Kindern kein schönes Leben bereitet...


    Meine Meinung:
    Ein ganz tolles Buch hat Tucholsky da geschrieben :thumleft: Obwohl ich selbst noch nie in Schweden war, konnte ich während des Lesens immer wieder den Sommer um mich rum richtig spüren und mich zusammen mit den Hauptpersonen entspannen und ihren geistreichen und oft auch witzigen Dialogen lauschen. Das Buch besticht meiner Meinung nach auch gerade dadurch, dass es gar nicht soviel hinein zu interpretieren gibt, sondern dass es gerade einen leichten "Lese-Happen" darstellt.
    Für jeden, der es vorhat noch zu lesen, kann ich nur empfehlen: Wartet bis zum Sommer; legt euch dann auf eine grüne Wiese und lasst euch die Sonne auf den Pelz scheinen... :flower:


    Als klitzekleines Minus könnte man erwähnen, dass während der Dialoge oft im Dialog gesprochen wird, doch wenn man die Sätze nochmals langsam liest, dann versteht man auch Lydias gesnaktes Platt-Dütsch :wink:

    Ein schönes Buch ist wie ein Schmetterling. Leicht liegt es in der Hand, entführt uns von einer Blüte zur nächsten und lässt den Himmel ahnen. (Lao-Tse)

  • Ein ganz tolles Buch! Eines meiner Top 3.


    Aber das kann ja auch nicht verwundern, denn wo Tucholsky draufsteht, ist garantiert Qualität drin! :D


    Auch die Verfilmung mit Ulrich Noethen und Heike Makatsch in den Hauptrollen ist wunderschön - aber ich glaube, das habe ich anderorts schon erwähnt.


    Lg
    Susannah

  • Ein wirklich schönes Buch in wundervoller Sprache erzählt!


    Mir als Leser ging es so, als würde ich mit im Sommerurlaub in Schweden sein, trotzdem es gestern beim lesen regnerisch, kalt und ungemütlich war!


    Die Dialoge waren witzig, poetisch, zynisch - einfach wunderbar! Allerdings klar im Vorteil beim lesen ist der, der Pladdütsch versteht!


    Mein Fazit: fünf von fünf Sternen!!!

    Das Missliche an neuen Büchern ist, dass sie uns hindern, die alten zu lesen.
    J.Joubert

  • Ich war doch auch recht erstaunt, so ein schönes Buch so tief aus der Versenkung ausgraben zu müssen... :wink:

    Das Missliche an neuen Büchern ist, dass sie uns hindern, die alten zu lesen.
    J.Joubert

  • Dieser federleichten Sommerkomödie ist ein fiktiver Briefverkehr zwischen dem Verleger Rowohlt und dem Autor vorangestellt, der ersucht wird, nach so viel politischen Romanen endlich wieder eine Liebesgeschichte zu schreiben. Etwas Romantisches, um es der Freundin zu schenken, mit buntem Cover versehen. Dabei, gibt Tucholsky zu, verstünde er doch nichts von Liebe.


    „Ja, eine Liebesgeschichte … lieber Meister, wie denken Sie sich das? In der heutigen Zeit Liebe? Lieben Sie? Wer liebt denn heute noch?
    Dann schon lieber eine Sommergeschichte.“


    Die Briefe sind fiktiv, die anschließende Reise nach Schweden ebenfalls. Die Hauptfigur jedoch ist er selbst, Kurt Tucholsky, begleitet von seiner Freundin Lydia, genannt Prinzessin, inspiriert von seiner 4-jährigen Liebesbeziehung zur Verlegerin Lisa Matthias und seiner Schwärmerei zu Schweden. Beide sind sie auf dem Weg in den Urlaub, finden Unterschlupf in einem leer stehenden Anbau des „Schloss Gripsholm“, eine Attraktion für zahlende Touristen.


    „Wie heißt er denn nun eigentlich?“ fragte Billy entrüstet. „Mal sagst du Peter zu ihm und mal Daddy und jetzt wieder Fritzchen…!“ – „Er heißt Ku-ert …“ sagte die Prinzessin. „Ku-ert … Dasha gah kein Nomen, - Wenn hei noch Fänenand oder Ullrich heiten deer, as Bürgermeister sinen!“


    Nun, ist es denn eine Liebesgeschichte? Die Liebe schimmert durch jede Zeile hindurch, wenn Kurt kleine Marotten und Gewohnheiten seiner Freundin kommentiert und feststellt, gerade das liebe er an ihr. Diese kleinen unscheinbaren Details, die nur ein Liebender bemerkt. Neckende Dialoge zwischen Lydia und Kurt, die meist mit versöhnenden Worten und einem einlenkenden Mann enden. Tucholsky versucht zu deuten, oder vielmehr unternimmt er den Versuch, dem Grund seines Verhaltens zu folgen. Es ist ein Herantasten, inwieweit sich Liebe bemerkbar macht, und er stößt dabei auf sehr viel Weisheit und Wahrheit. Er denkt sich zurück an die Anfänge, die erste Begegnung mit ihr, sucht nach dem Ursprung aufkeimender Liebe, dem Grund irrationaler Handlungen. Er weckt sie sanft, nur um ihre Stimme zu hören, oder er sitzt einfach nur da und bewundert ihre Hände, während sie die Zeitung blättert.


    „Ich sah die Prinzessin von der Seite an. Manchmal war sie wie eine fremde Frau, und in diese fremde Frau verliebte ich mich immer aufs Neue und musste sie immer aufs Neue erobern.“


    Vordergründig bleibt es allerdings eine harmlose Sommergeschichte, denn es ist Urlaub, Urlaub in Schweden, fern aller Sorgen und Pflichten. Er bleibt dennoch seiner Rolle als Satiriker treu, wenn er unverständliche Ortsnamen, dem norddeutschen Dialekt seiner Freundin oder Frauen im Allgemeinen auf die Schippe nimmt. Als Dichter entzückt er den Leser mit außergewöhnlichen Satzkonstruktionen, erdichtet hier den Ausspruch „Die Seele baumeln lassen“ und spart nicht an Komik.


    „Missingsch ist das, was herauskommt, wenn ein Plattdeutscher Hochdeutsch sprechen will. Er krabbelt auf der glatt gebohnerten Treppe der deutschen Grammatik empor und rutscht alle Nase lang wieder in sein geliebtes Platt zurück.“


    Die konservative und überholte Moral seiner Zeitumstände ist ein weiterer Punkt, den er thematisiert. Entsetzte Gesichter überall, wenn seine offene Beziehung zu Lydia angesprochen wird, oder er provoziert den Leser, indem er „unmoralisch“ eine Dreiecksbeziehung mit beiden Frauen eingeht. Aber vor allem will er seinen Urlaub genießen.


    Er schafft zwar durch die lokale Veränderung einen Kontrast, kann seinem Berliner Alltag jedoch nicht entkommen, denn die Zeit der Rückkehr rückt unaufhaltsam näher. Wehmütig wird der Ton, wenn die Turmglocke ihn wieder daran erinnert, dass die Zeit nicht stehen bleibt. Die Idylle seines Urlaubs gerät zudem durch die Erzieherin eines Kinderheims ins Wanken. Diese spiegelt die politische Gefahr auf die Demokratie wider, denn ihre brutale, stets übermenschlich korrekte und disziplinierte Art weisen sie symbolisch als nationalsozialistische Bedrohung aus. Die Errettung eines ihrer Schutzbefohlenen durch das Paar kann also als politische Anspielung gelesen werden. Die Geschichte bzw. aktuelle politische Situation ist demnach eine globale Gefahr, die vor keinem Land und keiner Urlaubsidylle halt macht.


    „Um ein Haar hätte sie mir leid getan, aber ich wusste, wie gefährlich dieses Mitleid war und wie verschwendet.“


    Trotz all dieser Punkte, bleibt es am Ende doch „nur“ eine Sommergeschichte - locker, verspielt, humorvoll, unbekümmert. Keines der oben genannten Punkte fordert mehr Gewicht ein als andere Elemente. Kein Thema, das eine Priorität verlangt. Sie wird höchstens den Wunsch beim Leser wecken, seinen Urlaub vorzuschieben.


    „Wir hatten geglaubt, der Zeit entrinnen zu können. Man kann das nicht, sie kommt nach.“

  • Nach über einem halben Jahr wird es Zeit, den Fred mal wieder hochzuschieben und erneut auf dieses Buch aufmerksam zu machen! Schließe mich also den Empfehlungen der anderen an. Chip macht gut verständlich, wie reich und gleichzeitig einfach die Erzählung ist.


    Mir gefiel das Plattdeutsche, die lakonische, manchmal zynische, oft tief lustige Art, Dinge zu sehen, zu kommentieren. Im ersten Moment erscheint dann das Auftauchen der Parallelgeschichte (zunächst) eines Waisenkindes in einem streng gehaltenen Hause grotesk, fast fehl am Platze. Im Nachhinein freue ich mich, dass Tucholsky solche Stränge zusammenhalten, -führen kann.


    Also: selber entdecken!

  • Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen das Buch gehört zu meinen Lieblingsklassiker. Besonders die Sprache hat es mir angetan, daher habe ich es schon mehrmals gelesen.


    Lina

    Ihr aber seht und sagt: Warum? Aber ich träume und sage: Warum nicht? - George Bernahrd Shaw

  • Ich lese es gerade und öhmja... 50 Seiten sind vllt noch zu wenig für eine eindeutige Aussage, aber ich glaube, ohne Lydia wäre das ein ganz nettes Buch! Sie nervt mich wirklich extrem mit ihrem Dummchengehabe und vor allem dem ewigen Plattdeutsch :evil: (welches ich zwar mit etwas Mühe verstehe, aber dennoch ganz schrecklich finde).


    Mal abwarten, ich kenne die Verfilmung mit Makatsch/Noethen und soweit ich mich erinnere, mochte ich die ganz gerne.

  • Ich kopier mal die Rezi aus meinem Blog hier rein:


    Vermutlich fehlt mir wieder mal nur die geistige Reife für dieses Buch, aber ich muss ganz ehrlich sagen: Ich fands doof. Gekauft habe ich es mir, weil es so günstig war, weil ich die Verfilmung mit Heike Makatsch und Ulrich Noethen kenne (und soweit ich mich erinnern kann, mochte ich sie auch ganz gerne!) und weil ich dachte, den einbrechenden Herbst mit dieser „Sommergesichte“ noch etwas hinauszögern zu können.


    Die Sommer-in-Schweden-Atmosphäre (ich war übrigens noch nie in Schweden) war aber auch mehr oder weniger das einzige, was ich diesem Buch abgewinnen konnte. Das erste Kapitel besteht aus einem kurzen Briefwechsel zwischen dem, Verleger Ernst „Riesenschnörkel“ Rowohlt und „Tucholsky“. Es geht um eine „kleine Liebesgeschichte“, die Rowohlt gerne mal verlegen möchte als Kontrastprogramm zu den politischen Büchern. Und ob Tuchsolsky sowas nicht mal schreiben könne. Dieser lehnt entrüstet ab: Liebe in der heutigen Zeit? Dann eher eine kleine Sommergeschichte! Es folgen Honorarverhandlungen, um im Anschluss verabschiedet sich dieser Tucholsky mit seiner Freundin Lydia in die Ferien – nach Schweden.


    Diesen Briefwechsel habe ich zunächst für echt gehalten, wie ich nachträglich recherchiert habe, ist er aber (angeblich) rein fiktiv. Dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass Tucholsky ihn deswegen der eigentlichen Geschichte vorangestellt hat, um zu demonstrieren „Niemals hätte ich sowas aus eigenem Antrieb geschrieben – aber ich war jung und brauchte das Geld…“
    Ich konnte über weite Strecken des Buches keine wirkliche Handlung erkennen, und das war schon mal das erste, was mich gestört hat. Im Episodenstil plätschert die Geschichte so vor sich hin, und ich persönlich kann einfach nichts mit Büchern/Geschichten anfangen, in denen nichts passiert und – ketzerisch ausgedrückt – nur gelabert wird. Schön anzusehen, aber nichts dahinter – so habe ich dieses Buch empfunden. Mir geht es einfach vollkommen ab, mich ausschließlich an der Schönheit der Sprache zu erfreuen, nur um der Schönheit willen. Ich gehöre auch nicht zu der Sorte Mensch, die es gut finden, stundenlang in ein Aquarium zu schauen. Da sind mir Hunde oder Katzen dann doch lieber. You get the Point…
    Woran ich mich außerdem gestört habe, war Ldyia, genannt „Prinzessin“. Was ja schon mal albern genug ist. Mit der Prinzessin bin ich überhaupt nicht warm geworden, was unter anderem daran gelegen hat, dass ich sie kaum verstanden habe. Die Prinzessin spricht nämlich größtenteils Plattdeutsch, und auch wenn ich es mit etwas Phantasie und Übung zumindest sinngemäß verstehen kann, ist es für mich mit Abstand die schrecklichste und nervigste deutsche Mundart, noch weit vor Sächsisch und Schwäbisch (und das will was heißen)! Vom Plattdeutschen mal abgesehen fand ich die Prinzessin – deren Alter man nur erraten kann – schlicht albern. Ihr unreifes Kleinmädchengehabe ist mir unglaublich auf den Keks gegangen, und auf mich wirkte sie insgesamt ein bisschen wie Doof vom Dorf. Warum sich ein so eloquenter Menn wie der Ich-Erzähler „Tucholsky“ (?) mit ihr abgibt, hat sich mir nicht vollständig erschlossen (vllt ist sie gut im Bett).
    Nachdem ich mich gut 100 Seiten lang durchgequält hatte, lohnte das Abbrechen nicht mehr wirklich (bei 140 Seitem Gesamtunfang), und da kam dann auch endlich mal sowas wie eine Handlung auf. Der Erzähler und die Prinzessin bekommen nacheinander Besuch von Freunden und vollbringen außerdem pfadfindermäßig eine gute Tat an einem armen gebeutelten Mädchen, das im nahegelegenen Kinderheim lebt und dort von der Leiterin herumkommandiert wird. Der Zusammenhang mit dem Rest der „Geschichte“ hat sich mir nicht erschlossen (aber kann wie gesagt auch an mir liegen)

    Das einzig Positive an dem Buch waren für mich die Sommeratmosphäre und die Sprache (von dem nervtötenden Plattdeutsch der Prinzessin mal abgesehen!) – locker-luftig einerseits, spitzzüngig und geistreich erzählt andererseits. Aber das allein macht für mich kein gutes Buch aus – ich will auch was geboten kriegen! ;)


    :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Was für ein tolles Buch!!! Ich saß förmlich mit ihnen auf der Wiese vor dem Schloss, die Sonne im Gesicht, den Blick auf Mariefred gerichtet...ich konnte es sehen, schmecken, fühlen und war selbst für einen Tag wieder mitten im Sommer in Schweden... :applause:
    Ich mochte den Humor und hatte auch als Süddeutsche (bis auf ein paar kleine Ausnahmen) kein Problem damit, Plattdeutsch zu verstehen. Mag aber auch daran liegen, dass ich ein paar Worte schwedisch kann.


    Am Ende bleibt nur eine Frage: arum habe ich mir nur so lange damit Zeit gelassen und es nicht schon früher gelesen?

  • Wow... das Buch ist bei mir völlig in Vergessenheit geraten :shock:
    Liegt aber wahrscheinlich daran, dass ich mich mit dem Buch nicht anfreunden konnte.
    Ich habe es angefangen, da meine Schule Kurt-Tucholsky-Gymnasium heißt, und ich dachte, dass ich wenigstens ein Werk von ihm gelesen haben muss.
    Leider bin ich mit dem Briefverkehr nicht so recht klargekommen und das Buch konnte mich nicht fesseln, sodass ich es irgendwann abgebrochen habe. :-$

    :bewertung1von5: 2015: 37 | SuB: 151
    :bewertung1von5: 2016: 9 | SuB: 96



    :study: Frank Cottrell Boyce - Millionen



    "Du kannst alles schaffen, wovon du träumst. Es sei denn, es ist zu schwierig." :loool:

  • Auch ich konnte dieser Sommergeschichte nicht wirklich viel abgewinnen. Das könnte natürlich daran liegen, dass ich mich mal wieder nach etwas locker-leichtem gesehnt habe (nach all den wissenschaftlichen Büchern, die ich in letzter Zeit gezwungenermaßen lesen musste). :roll: Alles in allem hat mich dieses Buch weder gefesselt noch in irgendeiner anderen Form angerührt. Schade!

    With freedom, books, flowers, and the moon, who could not be happy? ― Oscar Wilde

  • Ich hatte auch so meine Probleme mit dem Buch. Ich habe mir von Tucholsky an dieser Stelle mehr erhofft. Auch die Atmosphäre fand ich irgendwie merkwürdig und nicht fesselnd. Unterhaltsam war es auch jeden Fall, es gehört aber nicht in meine Top 100.

  • Oh, leider habe ich kein Exemplar von Schloß Gripsholm hier, dann würde ich es mir gern zur Hand nehmen und ein wenig darin querlesen, als kleine Einladung an den Frühling, sich zu beeilen...


    Ich hab dieses Werk geliebt, wegen deiner Frische, Leichtigkeit und dem Gefühl des Verliebtseins, das ich damit verbinde. :)


    Habe übrigens gerade etwas nachlesen wollen (eben weil ich das Buch nicht zu Hause habe) und Folgendes gefunden:
    http://gutenberg.spiegel.de/buch/1186/1
    http://gutenberg.spiegel.de/buch/1186/1


    Für alle, die das Buch wegen der so unterschiedlichen Stimmen hier im Thread erstmal anlesen wollen.