Anne Bronte - Die Herrin von Wildfell Hall / The Tenant of Wildfell Hall

  • Kurzmeinung

    Lavendel
    Ein wichtiges Buch zu seiner Zeit, das aber Längen hatte und teilweise deprimierend war.
  • Über das Buch:
    Der junge Gilbert Markham berichtet in einem langen Brief an seinen Freund Halford, wie eine junge Dame, Mrs. Graham, in die Gegend gezogen ist, die von skandalösen Gerüchten durch die Gemeinschaft verfolgt wird, weil sie dort allein mit ihrem Sohn und ganz zurückgezogen lebt. Gilbert berichtet von den Gerüchten, seiner Faszinazion zu diese Dame, ihrer gesellschaftlichen Ächtung - und davon, wie er schließlich in heftiger Liebe entbrennt.
    Mrs. Graham erwidert seine Zuneigung zunächst nicht, sondern verhält sich zwar höflich aber so abweisend wie nur möglich, bis sie sich durch die Umstände gezwungen sieht, ihm ihr Geheimnis preiszugeben....



    Meine Meinung:
    Ich hatte zufällig eine sehr schöne Manesse-Ausgabe zur Hand, die sehr schön handlich war, allerdings den großen Nachteil hatte, dass, weil die Seiten so dünn sind, man ewig das Gefühl hat, nicht vorwärts zu kommen. :wink:
    Es gab immer wieder etwas schleppende Passagen und detaillierte Beschreibungen, aber selbst diese waren für mich unterhaltsam zu lesen, weil der Schreibstil mir außerordentlich gefallen hat. Vielleicht qualitativ nicht ganz so fein wie der von Jane Austen, aber doch sehr bemerkenswert.
    Außerdem schimmert immer wieder die Haltung der Autorin durch zur Stellung der Frau und zu deren Möglichkeiten, und es ist überraschend, wie fortschrittlich ihre Denkungsart ist vor dem Hintergrund ihers (Anne Brontes) abgeschiedenen und zurückgezogenen Lebens in Haworth.
    Das Buch ist kein absoluter "Page-Turner", aber für Freunde der Zeit und dieses Stils absolut zu empfehlen!

  • Mich hat dieses Werk von Anne Bronte außerordentlich überrascht und begeistert.
    Ich habe im Vorfeld auch je ein Buch von Charlotte und Emily Bronte gelesen gehabt, und ich muss nun fast sagen, dass mich die eher unbekanntere, im Schatten ihrer Schwester Anne Bronte am meisten begeistert hat.
    Ich wollte "Die Herrin von Wildfell Hall" genau aus diesem Grunde lesen, um mir von allen Bronte Schwestern ein Bild machen zu können - und wurde überrascht.


    Ich finde die Idee, eine Briefesammlung bzw. ein Tagebuch als Grundlage für ein Buch sehr bemerkenswert, außerdem hat mich zwar anfänglich verwirrt dass die Rahmengeschichte des Buches aus der Sicht eines Mannes geschildert wird, aber dann umso mehr gefallen.
    Das Ende ist unsicher, aber doch etwas vorhersehbar, aber so schön geschrieben, dass es auch anders verlaufen könnte.
    Ein sehr schönes Buch, welches von mir volle 5 Sterne bekommt!

    "Wie soll auch eine Generation von Männern, die hauptsächlich von Müttern, Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen umsorgt und erzogen wurde, Frauen glücklich machen?"
    (Generation Doof)

  • Die Herrin von Wildfell Hall von Anne Bronte


    Dieser Roman trägt ein besonderes Merkmal. Er wird einerseits in Briefform eines männlichen Protagonisten, Gilbert, erzählt, was den Rahmen der Handlung ausmacht, und die Binnengeschichte wird in Tagebuchform von der weiblichen Protagonistin, Helen geschildert. Damit schlüpft die Autorin in beide Geschlechter, kann Missstände offen darlegen, und erreicht ein Hohes Maß an Authentizität.


    Im Jahr 1827 wird das alte Anwesen „Wildfell Hall“ von einer jungen Witwe bezogen. Jedoch werden nur wenige Räumlichkeiten wohnlich eingerichtet, denn diese Dame muss sich ihren Unterhalt durch den Verkauf ihrer Malereien selber finanzieren. Das Interesse ihrer Nachbarn wird schnell geschürt, und wohl oder übel muss sich Helen dieser Neugier stellen. Ihr kleines Geheimnis, dass sie einen Sohn hat, kommt dabei rasch heraus, auch dass sie ihn umhegt wie einen Goldschatz, wird schnell belächelt. Ferner wird von ihr die Tradition der gegenseitigen Besuche gemieden, sowie sie die sonntägigen Kirchenbesuche oft ausfallen lässt. Durch ihr mysteriöses Verhalten entstehen im Handumdrehen arge Gerüchte, und im besonderen Maße bei der weiblichen Bevölkerung. Denn schnell erkennen diese, dass der ehrhafte, die gute Partie im Umkreis, Gilbert, ein Auge auf diese Dame geworfen hat.
    Aus dieser Situation heraus entwickelt sich die Konstellation der Handlung, eine Liebesgeschichte im 19. Jahrhundert, und ein Katz.-und Mausspiel mit vielen Verzwickungen.


    Im Gegensatz zu ihren Schwestern schreibt Anne ganz frei über das lasterhafte Treiben der männlichen Figuren: Die Trinksucht, Untreue und die unmoralische Lebensführung. Der Kontrast zwischen Moral und diesen Eigenschaften wird offen dargelegt, aber ohne dass dabei der Leser sich von dieser Gottergebenheit belustigt fühlt, was bei „Villette“ von Charlotte Bronte ab und an der Fall ist. Die Frömmigkeit von Helen wird innerhalb des Romans schon belächelt, so dass man sich eindeutig auf ihre Seite schlägt.
    Des Weiteren beschreibt Anne einen Ausweg aus dieser Situation, in dem sie die weibliche Protagonisten zur Künstlerin erhebt, die sich ihren eigenen Unterhalt verdienen kann. Was zur Folge hatte, dass der Roman damals herbe Kritik einstecken musste.


    Einen kleinen Schönheitsfehler beinhaltet das Buch. In dem der Briefschreiber diese Geschichte seinem besten Freund schildert, wirkt das Ende ein wenig unglaubwürdig. Aber das ist auch schon alles was man an diesem Roman kritisieren kann.


    Meiner Meinung nach kann dieses Werk durchaus mit den großen Werken ihrer Schwestern: „Jane Eyre“ und „Sturmhöhe“, mithalten. Die Naturbeschreibungen von Anne sind wunderschön, und decken sich in jeder Hinsicht mit der Handlung. Ganz besonders gut gefallen hat mir Annes Offenheit, wie sie ohne zu zögern an die Probleme des 19. Jahrhunderts heran gegangen ist. Die Sprache der Autorin ist mit der Sprachbegabung ihrer Schwestern gleichzusetzen. Insgesamt eine uneingeschränkte Leseempfehlung und ein Zeitzeugnis!

  • Hallo Heidi


    Ist doch kein Problem, ich habe die beiden Threads zusammengefügt. Wie ich gerade gesehen habe, konntest du die Buchvorstellung über den Rezi-Index auch nicht finden, da mal wieder keine ISBN-Nummer eingetragen war (was ich nun nachgeholt habe), da der Index ja nur nach den Amazonverlinkungen ordnet. :idea:


    Gruss Bonprix :wink:

  • Originaltitel: The tenant of Wildfell Hall


    In das beschauliche Landleben von ***shire zieht die mysteriöse Mrs. Graham. Sie versucht die Gesellschaft zu meiden und zieht sich in ihre Unterkunft Wildfell Hall zurück. Natürlich bleibt sie nicht lange allein, sind die Dorfbewohner doch sehr neugierig auf die neue Bewohnerin. Sie statten ihr Besuche ab und versuchen, ihre Geschichte zu erfahren. Auch der junge Bauer Gilbert Markham interessiert sich für die Zugezogene und gewinnt zunehmend ihr Vertrauen. Doch Spekulationen und Gerüchte formieren sich bald und die scheinbare Ruhe, die Mrs. Graham zu finden hoffte, zerbricht.
    Gilbert Markham informiert seinen Schwager J. Halford über die Art ihrer Bekanntschaft durch einen langen Brief. Er legt dem Brief zudem Mitschriften von Mrs. Grahams Tagebuchaufzeichnungen bei, in denen sie ihre Geschichte erzählt.


    Mehr möchte ich zum Inhalt nicht verraten, aber wer eine ausführliche Inhaltsangabe sucht, wird mit Hilfe von Google und Wikipedia auf vielen Seiten fündig.


    Mir hat dieser Klassiker sehr gut gefallen. Nachdem ich bisher nur zwei Romane der Brontëschwestern kannte (Charlottes „Jane Eyre“ und Emilys „Sturmhöhe“), war ich auf Annes Ansatz sehr gespannt.


    Die Ehegeschichte, die Anne Brontë erzählt, war für ihre Zeit wahrscheinlich sehr radikal, aber nicht außergewöhnlich. Sie hatte viel Kritik dafür einzustecken. Während der gesamten Lektüre fragte ich mich, ob sich vielleicht zu viele Kritiker auf den Schlips getreten fühlten, um subjektiv zu urteilen. (Reine Spekulation meinerseits.)


    Anne beschreibt sehr detailliert und präzise, welche Auswirkungen ein egoistischer Ehepartner auf sich selbst, seine Ehe und seine „Lieben“ hat. Dieser Teil der Schilderung macht für mich die Essenz des Romans aus. Die Nebenhandlung um Mrs. Graham und Gilbert Markham wirkte auf mich wie ein Zugeständnis an den Geschmack der Zeit. Insbesondere das Ende erschien mir nicht mehr so glatt.


    Fazit:
    Der Roman hat mich gefesselt und gebannt. Solch schonungslose Offenheit hatte ich nicht erwartet und war positiv überrascht. Der Teil, in dem man die Tagebucheintragungen liest, war sehr aufwühlend und mitunter sehr modern gestaltet. Natürlich darf man nicht vergessen, dass es sich hier um ein Zeitdokument des 19. Jahrhunderts handelt und die Konventionen zwischen damals und heute mitunter sehr unterschiedlich sind. Allerdings existiert das grundlegende Problem auch in der heutigen Zeit noch. Die Umstände mögen sich unterscheiden, die Auswirkungen nicht unbedingt.
    Für mich empfehlenswert für Leser dieses Genres!

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +

  • Mir hat der Roman sehr gut gefallen, auch wenn er für meinen Geschmack einige Längen aufwies. Zum Schluss überschlugen sich die Ereignisse jedoch mehr oder weniger und da konnte ich mit dem Lesen gar nicht mehr aufhören, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es ausgeht.


    Die Themen, die Brontë hier aufgreift, sind vielfältig und es wert, dass man auch heute noch darüber spricht. Es geht nicht nur um die Ehe, sondern auch um Erziehung, Glauben, Charakterstärke, Alkoholmissbrauch und vieles mehr. Gerade das letzte Thema dürfte damals recht ungewöhnlich gewesen sein, ganz abgesehen davon, dass die Ehebeziehungen hier dermaßen im Vordergrund stehen. Ich fand den Ansatz recht interessant, das Alkoholmotiv immer wieder auftauchen zu lassen und das Ausmaß dessen, was mit einem passiert, wenn man es damit zu sehr übertreibt, so genau zu beschreiben. Auch fand ich Annes Schreibstil wie auch in "Agnes Grey" wieder sehr schön - anschaulich und elegant - und konnte mir ab und zu ein Grinsen oder ein Lachen nicht verkneifen, wenn die Charaktere beispielsweise mal wieder etwas besonders Scharfsinniges von sich gegeben haben. Andererseits habe ich auch um die Schicksale der lieb gewonnenen Charaktere bangen müssen, denn nicht nur einmal sah es für sie recht düster aus. Als eine der emotionalsten Szenen wird mir der Moment im Gedächtnis bleiben, als


    Ehrlich gesagt habe ich mit Mrs. Grahams Tagebuch gar nicht gerechnet, sondern bin davon ausgegangen, dass die Geschichte nur aus Gilberts Sicht erzählt wird. Dieser Kunstgriff, den man auch so ähnlich in "Sturmhöhe" von Annes Schwester Emily findet, hatte aber auf jeden Fall was. Allerdings musste ich mich hinterher eine ganze Weile umgewöhnen, als es mit Gilbert weiterging und die Ich-Sicht eine andere war.


    Ich kann den Roman sehr weiterempfehlen, er ist zwar auch ernst, wirkte aber nicht so zermürbend auf mich wie Emilys "Sturmhöhe". Meine wunderbare Originalausgabe (mit Bändchen und vergoldetem Schnitt) hat auch ein Nachwort und Annes Kurzbiografie zu bieten, was mir sehr gut gefallen hat. Im Nachwort wird nämlich auch ein wenig auf andere Werke eingegangen und das Ganze in den Kontext der Zeit gesetzt.

    :jocolor: Verschwundene Reiche: Die Geschichte des vergessenen Europa // Norman Davies (Projekt)



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