Christian Kracht - Faserland

  • Christian Kracht - Pop-Literat, auf der gleichen Stufe stehend wie Benjamin von Stuckrad-Barre, schrieb mit "Faserland" sein Debüt auf dem deutschen Literaturmarkt.


    Er erzählt (seine) die Geschichte einmal quer durch Deutschland, angefangen im hohen Norden (Sylt) reicht seine Reis bis in den tiefen Süden (Bodensee), wobei er von Partys und Bars, vom "Kotzen mit Stil" von der Schönheit der Leere und dem Unerwarteten schreibt. Kracht erzählt mit einem leichten Ton, von dem man gleich zu Beginn des Buches gefesselt ist, beschreibt er die mitreißende Geschichte einer Jugend, einfühlsam, schnoddrig, scharfsinnig, unterhaltsam - einfach nur gut.


    Zu Beginn zitiert er Samuel Beckett: "Vielleicht hat es begonnen. Du denkst, du ruhst dich einfach aus, weil man dann besser handeln kann, wenn es soweit ist, aber ohne jeden Grund, und schon findest du dich machtlos, überhaupt je wieder etwas tun zu können. Spielt keine Rolle, wie es passiert ist." - gefolgt von einer Einladung an uns sein Reisebegleiter zu sein.

  • "Faserland" ist eines meiner Wichtelbücher 07 gewesen, und nicht nur deswegen, sondern auch weil es schon eine ganze zeitlang auf meiner Wunschliste stand, habe ich es gerne zur Hand genommen.
    Allerdings kann ich mir zu diesem Buch partou keine Meinung bilden. Ich weiß nicht, ob ich es gut finde, wenn Kracht nur vom Reisen per Zug oder Auto, vom Treffen mit alten Bekannten, von Drogen und Alkohol, vom Kotzen oder von tragischen Personen spricht. Nur letzteres, die Person des Rollos hat mich berührt.
    Dennoch war es kein langweiliges oder zähes Buch, ich hatte es innerhalb eines Tages verschlungen. Aber bis ich mir eine Wertung dazu gebildet habe wird wohl noch eine Weile vergehen.. oder ein zweites Lesen mich dazu bringen.

    "Wie soll auch eine Generation von Männern, die hauptsächlich von Müttern, Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen umsorgt und erzogen wurde, Frauen glücklich machen?"
    (Generation Doof)

  • Der Ich-Erzähler reist, scheinbar, ziellos, ruhelos durch Deutschland von Sylt wo man eben noch kurz ein „Jever“ getrunken hat nach Hamburg, Frankfurt, (wollte eigentlich nach Karlsruhe) Heidelberg, München, Meersburg am Bodensee und schliesslich Zürich.

    Er besucht Freunde, Bekannte und verlässt sie so schnell wie er gekommen ist wieder. Es ist eine elitäre Gesellschaft in der er sich bewegt. Alles spielt sich in einem sehr schnellen Tempo ab, wie in einem dauernden Delirium von Trunkenheit und Drogen. Der Zigarettenkonsum des Protagonisten ist ein fast unheimliches Phänomen. Dennoch die Beobachtungsgabe des Erzählers ist sehr ausgeprägt, zeigt eine erstaunliche Klarheit, zeugt jedoch auch von einer ziemlichen Oberflächlichkeit.


    Eine grosse Gewichtigkeit wird auf Markennamen gelegt, (Barbour, Mercedes, Rolex, Cartier, Ralph Lauren, Armani, usw.) um nur einige zu nennen, dies zieht sich durch das ganze Buch. Wichtig ist ebenfalls die richtige Location welche man besucht und das man die richtigen Leute kennt, allenfalls in der Nähe der „richtigen Leute wohnt“

    Zitat

    Nigel hat in Pöseldorf eine sehr schöne Wohnung, direkt neben Jil Sander oder so. Ich
    kenne Nigel schon ziemlich lange, weiß aber immer noch nicht, was er genau macht.
    (S. 29) )

    Seine Gedanken gegenüber den Personen wechseln von freundlicher Gesinnung, über gelangweiltes zuhören, man braucht diese ja im Moment, bis hin zu Hässigkeiten.
    Während dieser Reise findet ständig ein innerer Monolog statt, der Leser ist der Zuhörer.
    Er beschimpft sehr gerne jegliche Personen ob laut oder nur gedacht, er hasst bestimmte Personengruppen, und ein sehr beliebtes Wort ist für in „blöd“.

    Zitat

    „blöde bunte Speisekarte“ (S. 25) „blöde Neon-Küche“ (S.45) „blöde verschlafene Beamte“ (S.52).

    Manchmal sind sowohl die Gedankenwelt wie die „meistens“ gedachten Worte sehr abstossend und widerwärtig, einige Male lustig und ins absurde gleitend.
    Dennoch hin und wieder sieht er auch Schönheit.

    Zitat

    Das ist nun Heidelberg, und es ist wirklich schön dort im Frühling. Dann sind die Bäume schön grün, während überall sonst in Deutschland noch alles hässlich und grau ist, und die Menschen sitzen an der Sonne an den Neckarauen. (S. 85)

    Nicht alles ist somit hässlich und negativ es gibt ebenso, wenn auch wenige positive Dinge welche ihm gefallen.
    Seine Gedanken führen ihn auch in Rückblenden in die Kindheit zurück, er erzählt erfreuliches Erlebtes wie auch für in beschämende Ereignisse.
    Die letzte Etappe führt nun den Protagonisten in die Schweiz. Mit verklärten Augen betrachtet er dieses Land.

    Zitat

    Ich denke daran, dass die Schweiz so ein grosses Nivellerungsland ist, ein Teil Deutschlands, in dem alles nicht so schlimm ist. Vielleicht sollte ich hier wohnen. (S151)

    Beim Kauf einer Zeitung, obwohl er an sonst nie eine solche liest, fragt er sich warum kaufe ich sie mir überhaupt.

    Zitat

    Vielleicht, weil Deutschland auf einmal nicht mehr da ist. Es ist so, als habe sich das ganze riesengrosse Land einfach verflüchtigt, und obwohl die Menschen hier auch noch Deutsch sprechen und auf den Schildern überall deutsche Sätze stehen, scheint es mir so, als ob Deutschland nur noch eine Ahnung wäre,eine grosse Maschine jenseits der Grenze, eine Maschine, die sich bewegt und Dinge herstellt, die von niemandem beachtet werden. (S. 149)

    Zu guter Letzt besucht er noch das Grab von Thomas Mann, weil er irgendwo gelesen hatte dieses wäre in der Nähe von Zürich. Hier äussert es sich auch überaus anerkennend über die gelesenen Bücher dieses Autors.


    Gelangweilt, unfähig Freundschaften zu pflegen, eine Abneigung gegen das eigene Land wie auch dessen Bevölkerung hegend, so reist der Ich-Erzähler durchs Land. Er agiert mit einer solchen von Langeweile geprägten Trostlosigkeit, verbunden mit Zynismus das die Schmerzgrenze des erträglichen einige Male überschritten wird. Seine kurz aufflackernde Anteilnahme welche er seiner Umgebung widmet macht er sofort wieder durch die absolute Gedankenlosigkeit kaputt.
    Indem der Protagonist die Schweiz, das ist Zufall, jedes andere Land wäre ebenso geeignet, mit verklärten Augen betrachtet, hingibt er sich einer Illusion.
    Eine etwas eigenartige, etwas düstere Lektüre welche man nicht überbewerten sollte, ich fand sie interessant.
    Allerdings bewegte der Schluss des Buches mich nicht dazu, weitere Interpretationen zu bewerkstelligen, obwohl dies allenfalls die Absicht des Autors war.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

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