Taylor Brown – Maybelline / Gods of Howl Mountain

  • Klappentext/Verlagstext
    Rory Docherty ist nach Hause auf den sagenumwobenen Berg seiner Kindheit zurückgekehrt – eine neblige Wildnis, die ihre Geheimnisse verbirgt und sich von der Außenwelt abschottet. Von einem Holzbein gebremst und von Erinnerungen an den Koreakrieg heimgesucht, schmuggelt Rory im Hochland von North Carolina der 1950er Jahre, in einem nachgerüsteten 40er Ford-Coupé, Whisky für einen mächtigen Berg-Clan. Zwischen Lieferungen an Raststätten, Bordelle und Privatkunden lebt er bei seiner Großmutter, entzieht sich Bundesagenten und schürt den Zorn eines Rivalen. In der Mühlenstadt am Fuße der Berge, eine Brutstätte der Gewalt, wird Rory von der mysteriösen Tochter eines Schlangenpredigers verzaubert. Seine Großmutter ist aus ihren eigenen Gründen gegen diese Verbindung und glaubt, dass „einige Dinge am besten begraben bleiben“. Sie ist eine Heilerin, kocht Elixiere und Heilmittel für die Menschen in den Bergen und birgt ein explosives Geheimnis über Rorys Mutter. Als Rorys Leben bedroht ist, muss sie entscheiden, ob sie preisgibt, was sie weiß oder ihren einzigen Enkel vor der Vergangenheit beschützen.


    Der Autor
    Taylor Brown wuchs an der Küste von Georgia auf. Er ist Autor der Kurzgeschichtensammlung „The Season of Blood and Gold“. Seine drei Romane „Fallen Land“, „The River of Kings“ und „Gods of Howl Mountain“ erschienen bei St. Martin‘s Press. Alle waren Finalisten für den Southern Book Prize. Taylor, ein Eagle Scout, schloss 2005 sein Studium an der University of Georgia ab. Nach langen Aufenthalten in Buenos Aires, San Francisco und den Bergen von North Carolina ließ er sich in Wilmington, NC, nieder. Er mag alte Motorräder, Gewitter und Hunde mit Bart.


    Inhalt

    Granny May/Maybelline Docherty war nicht nur eine Legende, weil sie aus Teesatz die Zukunft lesen konnte oder wegen ihres imposanten Kastanienbaums, der als einziger weit und breit einen Baumpilz überlebt hatte. Die Bewohner ihres Appalachendorfs nahmen gern ihre Heilkunst in Anspruch, weil sie sich nichts anderes leisten konnten oder Mays Elixiere evtl. wirkungsvoller waren als die der Berufe im weißen Kittel. Kurz nach dem Koreakrieg (1950-53) lebt sie mit Enkel Rory in einer Hütte mit gesunder Distanz zum Ort, nachdem ein missgünstiges Geschöpf ihre bescheidene Existenz als Lieferantin von Backwaren denunzierte und damit Mays einzig denkbare Lebensgrundlage - außer Prostitution - zerstörte. Rory hat außer seinem hervorragend getischlerten Holzbein weitere Lasten aus dem Krieg mitgebracht, zu denen May noch nicht vorgedrungen ist. Wie May ihr Kuchen-Business so verlor ebenso gesamte Ort sein Geschäftsmodell der Schwarzbrennerei, als das Tal für einen Dammbau geflutet wurde und so in den Bergen zahlreiche Standplätze verborgener Destillen von den Transportwegen abgeschnitten waren. Bis 1933 herrschte Prohibition, Verbot von Alkoholherstellung und

    -transport, ein Nebenerwerb, auf den diejenigen angewiesen waren, die weder Arbeit in der Strumpffabrik, im Möbelbau, noch Lust hatten, den ganzen Winter von gewilderten kleinen Säugetieren zu leben. Steuereintreiber und Behörden liefern sich in den Appalachen mit Schmugglern und den mafiös organisierten Hintermännern aktuell offenbar ein Katz- und Maus-Spiel. Wenn der Verkauf von Einzelflaschen verboten ist, müssen die Transporter-Spezialanfertigungen eben noch einmal umgebaut werden für größere Tanks …


    Granny May und Rory umweht die makabre Legende, dass Mays Tochter Bonni und ihr Boyfriend Winston bei einem Stelldichein von finsteren Gesellen in sackleinern Kapuzen überfallen wurden, Winston wurde getötet, Billie riss einem der Angreifer ein Auge aus und soll, seitdem schweigend, in einer psychiatrischen Klinik leben. Bonnis Sohn Rory wächst bei May auf. Wer nun glaubt, einäugige Männer mit Hang zur Selbstjustiz könnten sich im Ort nicht mehr sehen lassen, sieht sich getäuscht – im Gegenteil sind sie offenbar angesehene Stützen der Gesellschaft.


    Fazit
    Episodenhaft und auf mehreren Zeitebenen erzählt Taylor Brown über drei Generationen von Schwarzbrennern in den Appalachen. Neben blutigen Kriegsszenen und gnadenlosen Schlägereien zeigt er eine Idyllische Gegend, die vermutlich nur zu schätzen weiß, wer hier nicht seinen Lebensunterhalt verdienen muss. Von den Männerbünden grenzen sich zwei durchsetzungsstarke Frauenfiguren ab: May, die am Berghang hinter ihre Hütte Pflanzen für diverse Heilmittel erntet, die sie sich durchaus in Naturalien bezahlen lässt, und die begabte Hutmacherin Christine, die beinahe genug gespart hat, um endlich der Fabrikarbeit zu entkommen. Aus dem Cluster von Heilerin, Hillbillies, Rebellen und Schwarzbrennern war mir May Docherty am liebsten, weil ich Heiler-Figuren einfach gern mag. Brown zeigt sich hier als empathischer Berichterstatter über eine Epoche und eine Region, in der Gottesdienste mit Klapperschlangen in den 50ern noch üblich waren. Dem Nachwort von Kirsten Reimers bleibt nur wenig zu erklären, weil Brown die Lebensbedingungen seiner Figuren bereits anschaulich beschrieben hat.


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