Klappentext/Verlagstext
Familie Rath steuert auf ein dramatisches Ende zu: Gereon hat nach der Rückkehr aus den USA ein Versteck in Rhöndorf bei Bonn bezogen und schlägt sich nach Berlin durch, um Charly beizustehen. Sie muss Hannah Singer aus den Wittenauer Heilstätten befreien und Fritze verteidigen, der unter Mordverdacht gerät. Der Judenhass wächst und mit der Reichspogromnacht kulminiert eine Entwicklung, die Charly vorhergesehen und Gereon lange geleugnet hat. Damit ist beiden klar: Ein Leben in Deutschland ist so nicht mehr möglich, Widerstand ist geboten. Haben sie eine gemeinsame Zukunft und wo würde die liegen? Mit gewohnt hoher Spannung, historischer Tiefenschärfe und psychologischer Figurenzeichnung bringt Volker Kutscher seine Erfolgsserie zu einem erschütternden Abschluss.
Der Autor
Volker Kutscher arbeitete nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte als Tageszeitungsredakteur und Drehbuchautor, bevor er seinen ersten Kriminalroman schrieb. Er lebt als freier Autor in Köln und Berlin. Mit dem Roman „Der nasse Fisch“, dem Auftakt seiner Krimiserie um Kommissar Gereon Rath im Berlin der Dreißigerjahre, gelang ihm auf Anhieb ein großer Erfolg. Die Reihe ist die Vorlage für die internationale Fernsehproduktion Babylon Berlin.
Inhalt
Zwei Jahre nach den Ereignissen an der Schöneberger Brücke in Berlin ist Gereon Rath 1938 zurück in Deutschland. Charlotte/Charly arbeitet noch immer angestellt in Wilhelm Böhms Detektei, weil sie sowohl ihre juristische Karriere als auch ihre Laufbahn bei der Kriminalpolizei an den Nagel hängen musste. Charly kann sich noch immer nicht damit abfinden, dass Fritz Thormann, den die Raths für kurze Zeit als Pflegesohn betreuten, von der Jugendfürsorge bei den Rademanns untergebracht wurde, wo er zum strammen Hitlerjungen erzogen wird. Als im Umfeld dieser Jugendorganisation zwei Hitlerjungen ermordet werden, scheint eine Spur der Ermittler auf Fritz zu deuten, der untergetaucht sein soll. Der oder die Täter haben diese Spur verdächtig breit ausgetreten. Die Ermittlungsarbeit wird ausgebremst, weil die Polizeilaufbahn inzwischen vom Parteibuch bestimmt wird, anstatt von Erfahrung und Qualifikation. So fixieren sich die Ermittler auf Vermutungen, statt Indizien zu sammeln, so dass sich Kutschers Leser:innen die entscheidende Spur schon früh aufdrängt.
Weitere Handlungsstränge geben Einblick in das Schicksal Hannahs, Friedrichs großer Liebe, ihres Babys und ihren Tod unter verdächtigen Umständen. Auf der rheinischen Seite der Familie Rath konnte Gereons Bruder Severin, der in den USA lebte, offenbar eine Schnellkarriere als Auslandsreporter in Deutschland hinlegen. Mit Severin reist Marion Goldstein ein, die in Berlin Rache am Mörder ihres Mannes Abe nehmen will. Ebenso wie Charly, die sich durch ihre Zuneigung zu Fritze zu gefährlichen Alleingängen hinreißen lässt, hat sich auch Raths Ex-Kollege Reinhold Gräf in eine fatale Lage manövriert, in der er offenbar zwei Herren zu dienen versucht.
Auch wenn die Lektüre von Band 8 und 9 länger zurückliegt, kommt man in Gereons und Charlys Umfeld unkompliziert wieder hinein, da die Figuren und ihre Verbindungen aussagefähig vorgestellt werden. „Rath“ knüpft an Ereignisse dieser Bände an und man sollte die Reihenfolge einhalten, um Spoiler zu vermeiden.
Fazit
Volker Kutscher fesselt durch häufige Szenenwechsel, führt alle Handlungsfäden zu einem großartigen Finale zusammen und – vor allem – entwirrt er überzeugend die komplizierten Verstrickungen der Figuren untereinander. Wie gewohnt überzeugt er mit differenzierter Figurenzeichnung und speziell in diesem Band mit dem historischen Hintergrund des 9.11. 1938 als Vorwand für die November-Pogrome der Nationalsozialisten. In Band 10 hat mich besonders die klaustrophobische Atmosphäre jenes Novembers beeindruckt, in der die Menschen niemandem mehr trauen konnten, schlimmer noch, mit jedem Schritt andere unbeabsichtigt mit ins Unglück stürzen konnten. Die (dem Plot geschuldete) Ausweitung der Handlung nach Köln hätte nach meinem Geschmack jedoch kürzer ausfallen dürfen.