„Wir imitieren nicht, wir kreieren." (Jean-Jacques Cartier)
Man sagt, dass jede berühmte Familie ihren Leichen und Geheimnisse im Keller hat. Bei der Familie Cartier ist es keine Leiche, sondern eine alte Truhe, die Francesa Cartier Brickell, Enkelin von Jean-Jacques Cartier auf der Suche nach einem bestimmten Champagner anlässlich des 90. Geburtstages ihres Großvaters im Weinkeller findet. Diese Truhe enthält unzählige, nach Jahren geordnete Briefe und bewegt sie dazu, die Familiengeschichte der Cartiers aufzuzeichnen, die nicht immer nur eine Geschichte des Erfolges gewesen ist, sondern auch eine sehr menschliche, die von Liebe und Verlust, Ängsten und Träumen, Höhen und Tiefen einer Familie über vier Generationen erzählt.
Die Geschichte der Firma Cartier, die zugleich die Geschichte der Familienmitglieder ist, wird wie folgt, nach einer ausführlichen Einleitung, in vier großen Kapiteln erzählt:
- Erster Teil: Die Anfänge (1819-1897)
- Zweiter Teil: Teilen und herrschen (1899-1919)
- Dritter Teil: Wir imitieren nicht, wir kreieren (1920-1939)
- Vierter Teil: Zerfall (1939-1974)
Auf rund 700 Seiten erzählt die Autorin an Hand der Briefe sowie nach aufwändigen Recherchen in Archiven und Geschäftsbüchern. wie es gelingt, von einem Handwerksgehilfen zunächst zu einem kleinen Pariser Juwelier und dann zu einem Konzern, der die Mächtigen der Welt mit außergewöhnlichem Schmuck versorgt, zu werden.
Wir erfahren einiges über die Kunden, auch wenn Diskretion höchstes Gebot der Cartiers ist sowie ein paar Anekdoten aus der berühmten Familie. In jeder Generation hat der Patriarch seine Eigenheiten bzw. eine Art Leitmotiv.
„Sei stets ausgewählt höflich.“ (Jean-Louis Cartier)
„Wir imitieren nicht, wir kreieren. Man kann und soll aus allem Inspiration ziehen, außer aus schon existierendem Schmuck.“ (Jean-Jacques Cartier)
„Ein Juwel in klassischer Gestaltung, mit Steinen von hoher Qualität wird immer ein ästethischer Genuss sein. Es lässt sich jahrelang tragen und ruft selbst 25 Jahre nach seiner Entstehung noch Bewunderung hervor.“ (Pierre Cartier)
Nicht immer zeigt die Erfolgskurve steil nach oben, manchmal gibt es herbe finanzielle Verluste: Pierre Cartier tauscht 1916 ein Perlencollier gegen ein Palais (Kosten jeweils 1 Mio. USD). 1957 sollte das Collier nur mehr 151.000 USD wert sein, Grund: Erfindung der japanischen Zuchtperlen
Das Buch besticht durch einen leichten, lockeren Schreibstil.
Die Autorin zeichnet den langen Weg zu solchem Ruhm ausführlich nach. Gut gefällt mir, dass sie immer wieder Exkurse zum Stil der verschiedenen Epochen und zu einzelnen Schmuckstücken beschreibt. Wir erfahren, was es mit den berühmten Tank-Uhren auf sich hat oder wie es der Panther als Motiv von Broschen und Armbändern schafft.
Ergänzt wird diese Firmenbiografie, die von der Familiengeschichte kaum zu trennen ist, durch eine Zeittafel, eine ausführliche Bibliografie, zahlreiche Abbildungen sowie ein Personenverzeichnis.
Natürlich poliert die Autorin den Glanz des Unternehmens, das nach dem Ausstieg der Gründerfamilie aus dem Business und dem Verkauf an ein Syndikat im Jahr 1974, nicht mehr ganz das ist, was es einmal war, auf. Das Buch ist ein Rückblick auf eine Welt, die es so nicht mehr gibt.
Fazit:
Diesem Buch über eine französische Schmuckdynastie, die Kriege, finanziellen Zusammenbruch sowie den Trend zu lässigerer Mode übersteht und eine interessante Studie über die Geschichte des Schmucks bietet, gebe ich gerne 5 Sterne.