Tommy Orange – Verlorene Sterne / Wandering Stars

  • Klappentext/Verlagstext
    Orvil Red Feather kommt nicht los von den Schmerzmitteln. Er weiß, er ist ein Klischee: verletzt ins Krankenhaus rein, geheilt und abhängig wieder raus – eine zeitgenössische Tragödie. Doch die Sucht zieht sich schon lange durch seine Familie. 1864 kämpft Jude Star, ein Vorfahre Orvils, als Kind gegen die brutale Austreibung seiner indigenen Sprache und Kultur. Am Ende ist es der Alkohol, der ihn kurzzeitig in seiner Trauer auffängt und schließlich niederstreckt. Meisterhaft verknüpft Tommy Orange die Schicksale zweier Jungen, zwischen denen 150 Jahre Kolonialgeschichte liegen, und zeigt uns Amerika in neuem Licht: als ein Kontinuum von Vertreibung und Gewalt, das nur hin und wieder von lichten Momenten des Widerstands unterbrochen wird.


    Der Autor

    Tommy Orange, geboren 1982 in Oakland, ist Mitglied der Cheyenne und Arapaho Tribes. Sein erstes Buch, „Dort, dort“, war für den Pulitzerpreis 2019 nominiert und erhielt den American Book Award 2019. Er lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Angels Camp, Kalifornien.


    Inhalt
    Jude Star und der Cheyenne Victor Bear Shield hatten die Ausrottung der nordamerikanischen Ureinwohner selbst miterlebt, der stumme Jude als Zeuge des Sand Creek Massaker von 1864 und beide als Gefangene von Richard Henry Pratt, der in Fort Marion/Florida Indigenen Gefangenen anhand der Bibel Englisch einbläute, um ihre „sündhafte“ Kultur zu vernichten. Judes hellhäutiger Sohn Charles wird später immer wieder aus Internaten der Weißen fliehen. Er und Opal Viola Bear Shield (Haven), Victors Tochter, werden Ahnen der gegenwärtigen Generation sein.


    In der Gegenwart wachsen in Oakland Orvil, Lony und Loother bei ihrer Großtante auf, die in ihrer Kultur als Großmutter gilt. Orvil Red Feather, (Sohn süchtiger Eltern) wird durch die Folgen einer Schussverletzung schmerzmittelabhängig und trifft ausgerechnet auf den nonbinären Sean Price, den ebenfalls eine langwierige Verletzung in die Abhängigkeit geführt hat. Im Team mit Seans Bruder Mike und deren alleinerziehendem Vater Tom entsteht ein fatales Geflecht aus Sucht und Kriminalität. Tom als Pharmazeut hatte für seine sterbenskranke Frau Grace ein Universal-Schmerzmittel entwickelt, aus dem wie aus einem Baukasten diverse Drogen produziert werden können, deren Wirkung noch nicht endgültig feststeht. Orvil, der vorher schon onlinespielsüchtig war, braucht seine Pillen – und er braucht zunehmend mehr Pillen, als er feststellt, dass sie Ängste und Alpträume erleichtern.


    Fazit

    Während ich den historischen Teil der Familiengeschichte wegen des im Zickzack verlaufenden Zeitverlaufs und der zahlreichen Figuren, Ebenen und Namenswechsel anstrengend zu lesen fand, konnte mich der eindringliche Teil über Orvil und Sean mitreißen. Im Wechsel zwischen mehreren Icherzählern und allwissendem Erzähler zeigt Tommy Orange - mit großer Empathie - Sucht als Systemerkrankung einer Gesellschaft, die Traumata und Süchte von einer Generation zur anderen vererbt. Indem wir als Leser drei elternlose Jugendliche bei einer überforderten Großtante erleben, wird deutlich, wie bereits eine süchtige oder kriminelle Person eine Familie sprengen kann. Das Buch bietet mehr als Oxicondon-Dramen. Angesichts in der Nach-Corona-Situation zunehmender psychischer Erkrankungen Jugendlicher hochaktuell, geht in Oranges vielstimmigem Epos jedoch auch um Identitätssuche, Rollenzuschreibungen, Therapien, nicht gesehene Geschwisterkinder und kulturelle Vielfalt.


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    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Hier ist nochmal die US-amerikanische Originalausgabe.

    Ich fand das Buch - genauso wie „Dort, dort“ von Tommy Orange - auch sehr, sehr gut. Man erfährt viel über die Geschichte der Native Americans, hier vor allem über das Massaker von Sand Creek von 1864 und seine Folgen für die Überlebenden … ihre Traumata werden auch in „Wandernde Sterne“ für den Leser nachvollziehbar, man kann in die Gedanken- und Gefühlswelt der Hauptpersonen eintauchen. Auch literarisch-sprachlich ist das Buch richtig toll.

    Faszinierend als Leserin fand ich auch, welche große Rolle Bücher in der Romanhandlung spielen, die Bibel, Frankenstein, Moby Dick, Tom Sawyer …

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