Jessica Lind - Kleine Monster

  • Kurzmeinung

    PatriciaPP
    Anders als erwartet... auf die gute Art
  • Kurzmeinung

    Maesli
    Ein Vorfall in der Schule bringt eine Familie an ihre Grenzen und ich blicke distanziert auf das, was kommt.
  • Klappentext/Verlagstext
    Pia und Jakob sitzen im Klassenzimmer der 2B, ihnen gegenüber die Lehrerin ihres Sohnes. Es habe einen Vorfall gegeben, mit einem Mädchen. Pia kann zunächst nicht glauben, was ihrem siebenjährigen Kind da vorgeworfen wird. Denn Luca ist ein guter Junge, klug und sensibel. Sein Vater hat daran keinen Zweifel. Aber Pia kennt die Abgründe, die auch in Kindern schlummern, das Misstrauen der anderen erinnert sie an ihre eigene Kindheit. Sie lässt ihren Sohn nicht mehr aus den Augen und sieht einen Menschen, der ihr von Tag zu Tag fremder wird. Bei dem Versuch, ihre Familie zu schützen, wird Pia schließlich mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert. Ein fesselndes psychologisches Drama über die Illusion einer heilen Kindheit.


    Die Autorin
    Jessica Lind ist 1988 in St. Pölten, Österreich, geboren und lebt heute mit ihrer Familie als Drehbuchautorin und Schriftstellerin in Wien. Sie studierte an der Filmakademie Wien und schrieb u.a. mit der Regisseurin Magdalena Lauritsch den Science Fiction Film "Rubikon". 2015 gewann sie mit der Erzählung "Mama" den open mike, woraus ihr gleichnamiger Debütroman hervorging. Mit ihrem zweiten Roman, "Kleine Monster", erscheint sie erstmals bei Hanser Berlin.


    Inhalt
    Eine Klassenkameradin des 7jährigen Luca hat von einem Vorfall erzählt, bei dem die Kinder allein im Klassenzimmer waren. Da Luca beharrlich schweigt und seine Eltern prompt aus der Eltern-WhatsApp-Gruppe gelöscht wurden, bleibt zunächst unklar, was passiert ist und welche Rolle Luca dabei gespielt hat. Die Lehrerin ergreift spontan Partei, weil „Kinder sich das nicht ausdenken“, sorgt sich jedoch darum, was Lucas Verhalten ausgelöst haben könnte. Die Schule als Institution lässt nicht erkennen, ob sie fachlich für eine Situation wie diese vorbereitet ist. Pia und Jakob machen falsch, was Erwachsene nur falsch machen können. Sie stellen Suggestivfragen und legen Luca Wörter in den Mund, die ihn zu einem falschen Geständnis drängen könnten. Dass die Eltern sich in Erziehungsfragen uneinig sind und Pia noch nicht bereit ist, ihren Sohn loszulassen, ist nicht zu übersehen. Durch den Vorfall wird Pia selbst wieder zum Kind, indem Jakob ihr Verhalten maßregelt. Durch das Aufwachsen mit einer Adoptiv-Schwester und den Tod ihrer jüngsten Schwester im Kindesalter ist sie offenbar überzeugt davon, dass Kinder sehr wohl lügen und manipulieren können. Streng kontrolliert sie Luca von nun an, getrieben von der Furcht, sein Verhalten verschuldet zu haben.


    Als Kinder wurden Pia und ihre Schwestern stets ermahnt, anderen Leuten nichts zu erzählen, (wofür ihre Mutter gute Gründe hatte); generell wurde wenig gesprochen und selten über die verstorbene jüngste Schwester Linda. Pia gelangt erst durch die Konfrontation mit den Werten von Eltern, Schwiegereltern und Jakobs Bruder auf schmerzhaftem Weg zu der Einsicht, dass Anekdoten unentbehrlich sind, um die Erinnerung an Verstorbene und Vermisste wachzuhalten. Wie zuverlässig Pias eigene Erinnerungen sind, steht erneut auf dem Prüfstand.


    Im ersten Kapitel vermittelt Pia Reiserer als Icherzählerin sehr eindringlich die Macht von Sprache in Konflikten und wie verschlüsselte Botschaften zur Eskalation beitragen. Mit ihrer Bemerkung „Sie [Fau Bohl] weiß ja, wie er ist“ bleibt man als unwissender Leser zunächst allein. Schiebt sie die Verantwortung der Aufsichtsperson zu? Ist Luca evtl. neurodivers und hat deshalb eine persönliche Schulbegleitung? Die Bezeichnung Kindergärtnerin wird in Deutschland schon länger nicht mehr benutzt, so dass das Szenario um Lindas Kindheit auf mich zu altmodisch wirkte; die zahlreichen Mundartausdrücke bauten eine weitere Hürde zum Verständnis auf.


    Fazit
    Jessica Lind lässt ihre Leser:innen in den Alltag eines jungen Elternpaars blicken, in dem sich als Icherzählerin besonders die Mutter mit Geboten ihrer Herkunftsfamilie auseinandersetzen muss. Psychologisch wie sprachlich ein beindruckender Roman, zu dem ich durch die unklare Schulsituation des betroffenen Kindes und den Mundartanteil zunächst schwer Zugang gefunden habe.


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    :study: -- Spinney - Urknall

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    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Die Bezeichnung Kindergärtnerin wird in Deutschland schon länger nicht mehr benutzt, so dass das Szenario um Lindas Kindheit auf mich zu altmodisch wirkte

    Wenn es um die Kindheit der heutigen Eltern-Generation geht, passt das m. E. noch. Zumindest in meiner Gegend hieß das damals noch Kindergärtnerin. Erzieherin war zwar die offizielle Berufsbezeichnung, aber das hat hier niemand gesagt.

  • Kleine und große Monster

    Der siebenjährige Luca soll ein Mädchen in seiner Klasse sexuell belästigt haben. Die Eltern Pia und Jakob reagieren unterschiedlich. Während Jakob nicht glaubt, dass sein Sohn zu so etwas fähig sein könnte, zweifelt Pia. Aus ihrer eigenen Kindheit weiß sie, dass auch Kinder böse sein können. Doch sie kommt nicht an Luca heran, er redet nicht, und sie beobachtet ihn mit Argusaugen. Als später mit dem Mädchen etwas passiert, ist für Pia klar, dass Luca etwas damit zu tun haben muss und sie greift zu drastischen Mitteln.


    „Kleine Monster“ wechselt in den Zeitebenen zwischen Gegenwart und Vergangenheit, in der wir viel über Pias Kindheit und ihr Aufwachsen mit zwei Schwestern erfahren. Dabei wird die Kindheit aus Pias Perspektive geschildert. Doch ist wirklich alles so geschehen? Pia beginnt, ihre Erinnerungen zu hinterfragen. Warum hat sich ihre Adoptivschwester Romi von der Familie losgesagt? Was ist an dem Tag passiert, als ihre kleine Schwester Linda tödlich verunglückte und warum will ihre Mutter partout nicht darüber reden?


    „Kleine Monster“ ist ein ausgesprochen spannendes Buch mit Sogwirkung. Man möchte unbedingt die Frage beantwortet bekommen, was in welcher Situation wirklich geschah, doch genau das ist mein Kritikpunkt, denn vieles bleibt offen, was ich als ziemlich frustrierend empfand. Es ist das Psychogramm einer Familie und das Buch wirft die Frage auf, ob Kinder intrinsisch böse sein können und inwieweit Eltern, bedingt durch ihre eigene Lebensgeschichte und Erfahrungen, Dinge in ihre Kinder hineininterpretieren. Ein höchst interessantes und stellenweise sehr bedrückendes Buch.


    Erwähnenswert ist noch das wunderschöne und originell gestaltete Cover eines still daliegenden Sees, in dem sich dunkler Nadelwald spiegelt. Das Bild ist wie ein Fenster zweigeteilt, von hinten schiebt sich eine Kinderhand ins Bild, wie um das Fenster zu öffnen, doch dies geschieht nicht, genauso wenig wie der Leser erfährt, was sich an jenem See damals abgespielt hat. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Gestörtes Mutter-Kind Verhältnis

    In diesem Roman geht es um eine junge Familie: Pia, Jakob und deren Sohn Luca (7 Jahre alt). Luca hat in der Grundschule etwas gemacht, das er nicht hätte tun dürfen und das mit einem Mädchen zu tun hat. Die Eltern werden in die Schule bestellt, und in einem atmosphärischen Gespräch wird der Leser vor das Rätsel gestellt, was denn eigentlich passiert ist. Man erfährt dies erst etliche Seiten später, aber diese Seiten sind erfüllt mit Hochspannung, da man die Zusammenhänge verstehen möchte.

    Der Schreibstil der Autorin gefällt mir sehr, denn er drückt die jeweilige Atmosphäre und die Gefühlswelt der Hauptpersonen so sorgfältig aus, dass man sich einfühlen kann.

    Zunächst bin ich davon ausgegangen, dass es hier um ein Familiendrama geht, da die heile Welt, in der sich die Familie glaubte, durch den eigenen Sohn zerstört wird. Doch nach und nach stellte sich heraus, dass es eher um die traumatischen Erlebnisse Pias in ihrer Kindheit geht, die sie noch nicht bewältigt hat. Das hat mich etwas enttäuscht, weil meine Erwartungen an das Buch in eine andere Richtung gingen.

    Richtig sympathisch ist mir keiner der Charaktere, am ehesten noch Jakob, der meist versucht, auftretende Probleme zu verharmlosen.

    Pia, die Hauptprotagonistin, ist so sehr mit ihrer Vergangenheit beschäftigt, dass sie die Realität völlig falsch einschätzt und damit ihrem Sohn schadet. Das ist tragisch! Die Auseinandersetzung Pias mit ihrer Vergangenheit birgt einige Längen, da hier die Spannung fehlt.

    Trotzdem habe ich mich gut unterhalten gefühlt, indem ich mehr und mehr in das 'Innere' der gesamten Familie Einsicht erhielt.

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  • "Es gibt Dinge, die werden nicht mehr gut. Schon gar nicht, wenn man sie ans Licht bringt. Ich halte inne. Vielleicht ist Lucas Schweigen ja so gemeint, Er will uns vor der Wahrheit beschützen." (Buchauszug)

    Ein Vorfall in der Schule stellt das Leben von Pia und Jakob auf den Kopf. Luca soll etwas angestellt haben, als er mit Alena allein im Klassenzimmer war. Mädchen, so sagt die Lehrerin, denken sich so etwas nicht aus. Während ihr Sohn Luca schweigt, gräbt seine Mutter Pia in ihrer eigenen Vergangenheit. Pia weiß, dass durchaus eine andere Seite in Kindern schlummert. Durch das Misstrauen der anderen Eltern wird sie an ihre eigene Kindheit zurückerinnert. Sie lässt Luca nicht mehr aus den Augen und sieht, wie sie sich immer fremder werden. Pia kommen erste Zweifel, ob sie wirklich eine gute Mutter ist.


    Meine Meinung:

    In diesem Buch soll der 7-jährige Luca etwas mit seiner Mitschülerin Alena getan haben. Weshalb die Eltern ein Lehrergespräch führen. Doch was genau ist wirklich zwischen den beiden Kindern geschehen? Das versuchen die Eltern von Luca herauszufinden, doch dieser schweigt vehement. Sagt er nichts aus Angst, wegen eines schlechten Gewissens, Trotz oder zu Unrecht, weil er gar nichts getan hat? Man ahnt nichts Gutes, doch die Autorin lässt den Leser im Unklaren darüber. Während es für Vater Jakob alles nicht so schlimm ist, wachsen in Pia immer stärkere Zweifel gegen ihr eigenes Kind. Verschweigt Luca etwas vor Ihnen? Jessica Lind beschreibt in diesem Buch die schleichende Veränderung der Icherzählerin Pia durch ihre eigene Kindheit. Sie erinnert sich an ihre Schwester Romi, um die es immer ein Geheimnis gab. Sie hat Romi im Grunde selbst nie wirklich verstanden, auch wenn sie sich am Anfang gut verstanden haben. Weshalb der Kontakt dann irgendwann abbrach. Die zwei Handlungsstränge befassen sich mit der Gegenwart, während der zweite sich mit Pias Vergangenheit beschäftigt. Sie erzählt von ihrer Kindheit, dem Verhältnis zu ihren Eltern und von ihren beiden Schwestern Romi und Linda. Romi kam als Adoptivkind in die Familie und war immer schon etwas sonderbar. Linda, deren Luca ähnelt, ist mit 4 Jahren in einem See ertrunken. Was damals wirklich geschah, hat die krank im Bett liegende Pia nie wirklich erfahren. Man munkelt nur, dass Romi versucht hat, Linda zu retten. Dieses unausgesprochene Trauma war eigentlich nie mehr Thema. Allerdings nach den Problemen mit Luca kommt es wieder zum Vorschein. Sie erinnert sich daran, wie sich ihre Eltern nach Lindas Tod verändert haben. Selbst wenn dieses Schicksal bisher kaum eine Rolle in Pias Beziehung gespielt hat, spürt man doch unterschwellig, wie sehr sie die Vergangenheit belastet und geprägt hat. Ich glaube, damals hätte Pias Familie dringend eine Aufarbeitung dieses Traumas gebraucht. Stattdessen haben sie alles unter den Teppich gekehrt bzw. sie finden in Romi eine Schuldige. Oder entdecken wir als Erwachsene, was in unserer Kindheit alles falsch gelaufen ist? Pias Sicht hat durchaus sogar finstere, zerstörerische Tendenzen. So übt sie z. B. vor dem Spiegel das Lächeln, denn wenn sie lächelt, so sagt sie, sehe man ihr ihre Gedanken nicht an. Der Neid auf Jakob mit seiner schönen Bullerbü-Kindheit bekommt bei Pia allmählich sogar Wut und Gewaltfantasien. Der Roman zeigt außerdem, unter welchem Druck selbst heute noch Mütter stehen, die immer noch als Vorbild für ihre Kinder herhalten müssen. Mir hat Luca sehr leidgetan, ich war über Pia oft fassungslos. Ob er alles wirklich so einfach wegsteckt, bleibt fraglich. Allerdings ist sicher, die ganze Familie braucht dringend Hilfe. Am Ende bleiben Fragen offen, Fragen wie: Hat Romi wirklich was mit dem Geschehen zu tun? Und wenn ja, war Linda für Romi eine Konkurrenz und sie hat sie deshalb ertrinken lassen? Hat Pias Mutter damals Romi misshandelt und aus dem Haus getrieben? Weil es mich nicht ganz überzeugt hat, gebe dem Buch 4 Sterne. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :applause:

  • Für Pia Reiserer ist es ein Schock: Ihr Sohn Luca (7) soll Alena, eine Mitschülerin, sexuell belästigt haben. Das Gespräch mit der Klassenlehrerin wühlt die Mutter sehr auf und bringt die Schatten ihrer eigenen Vergangenheit wieder zum Vorschein. Können Kinder bösartig sein? Was ist ihnen zuzutrauen?


    „Kleine Monster“ ist ein Roman von Jessica Lind.


    Die Struktur ist sehr klar: Drei Teile mit insgesamt 61 kurzen Kapiteln umfasst der Roman. Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Pia auf zwei Zeitebenen: einerseits in der Gegenwart, andererseits aus der Kindheit der Protagonistin. Die Handlung findet in und um St. Pölten in Österreich statt.


    Die Sprache ist überwiegend ungekünstelt, gleichzeitig aber atmosphärisch dicht und eindringlich. Neben authentischen Dialogen und anschaulichen Beschreibungen beweist die Autorin vor allem in den emotionsgeladenen Passagen, dass sie vortrefflich mit Worten umgehen kann.


    Protagonistin Pia ist mit großer psychologischer Tiefe angelegt. Ihre Gedanken und Gefühle erhalten viel Raum. Sie offenbaren schon früh, dass Pia ein unverarbeitetes Trauma erlitten hat und nach wie vor darunter leidet. Auch die anderen Figuren wirken lebensnah und vielschichtig, bleiben aber etwas blasser, was der Story geschuldet ist.


    Zu was sind Kinder fähig? Und wie gut kennen wir unsere Söhne und Töchter? Diese zwei interessanten Fragen wirft der Roman immer wieder auf und bietet damit viel Stoff zum Nachdenken. Anders als der Klappentext vermuten lässt, geht es dabei jedoch weniger um den besagten sexuellen Übergriff, sondern um ein Drama, das sich in der Kindheit der Protagonistin ereignet hat. Die Herausforderungen der Mutterschaft und bedenkliche Familiendynamiken werden darüber hinaus ebenfalls beleuchtet. Diese und weitere Themen machen den Roman zu einer gleichsam bewegenden wie beklemmenden Lektüre.


    Das Rätseln darüber, was genau im Klassenzimmer vorgefallen ist und was damals vor vielen Jahren passiert ist, sorgt für Spannung und verstärkt den Lesesog. Wegen einiger Redundanzen zieht sich der Mittelteil dennoch ein wenig. Der dritte Teil hingegen wird für meinen Geschmack zu kurz abgehandelt. Der Schluss ist insgesamt etwas unbefriedigend, da viel im Verborgenen bleibt, und inhaltlich nicht ganz rund.


    Das ungewöhnliche, kreative Cover passt in mehrfacher Hinsicht hervorragend zum Buch. Das gilt ebenso für den Titel, wenn man ihn auch in metaphorischem Sinne versteht.


    Mein Fazit:

    Obwohl mich der Roman nicht in jedem Detail überzeugt hat, ist „Kleine Monster“ von Jessica Lind eine fesselnde und aufwühlende Lektüre, die mich gut unterhalten hat.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • In der Klasse 2 B einer Grundschule hat es einen Vorfall gegeben. Luca, der siebenjährigen Sohn von Pias und Jakob, ist darin involviert. Obwohl nicht gleich klar ist, was genau passiert ist, reagiert Pia auf den Vorfall mit Panik, während Jakob die Sache nicht zu Ernst nimmt. Denn Luca ist ein guter Junge, klug und sensibel. Aber Pia, die an ihrer eignen Kindheit noch fest zu knabbern hat, ändert ihr Verhalten zu Luca und es entwickelt sich ein psychologisches Drama.


    Meine persönlichen Leseeindrücke

    Es ist vielleicht nicht das richtige Buch für diese Zeit, denn was ich lese, mag ich nicht, weder sprachlich noch inhaltlich.

    Abgesehen davon, dass ich nicht erfahre, was wirklich in der Schule vorgefallen ist, geht es nicht um Luca, sondern um Pia, und wahrscheinlich auch um ihre Schwester Romi. Die Hauptprotagonistin ist also die Mutter – und damit erschließt sich mir der Buchtitel nicht. Das ist schon mal mein erstes Problem.

    Das zweite Problem ist, dass ich keinen Zugang zu Pia gefunden habe. Ihre Charakterzeichnung mit dem nicht verarbeiteten Kindheitstrauma und vor allem ihre unkontrollierten Gefühlsausbrüche kann ich nicht nachvollziehen. Sie ist auf dem besten Wege, die gesunde normale Kindheit von Luca und ein normales Mutter-Sohn-Verhältnis stark zu belasten und wäre nicht Jakob, ich weiß nicht, wie das aussehen sollte.

    Und immer wieder Romi, die durch die Geschichte geistert und die ich überhaupt nicht zu fassen kriege. Ein stetes Hin und Her zwischen Gegenwart und Vergangenheit und ich frage mich, ob ich Pia überhaupt glauben kann. Das ist vielleicht der Knackpunkt der Geschichte: Pia – Romi – Luca? Fragen über Fragen, die unbeantwortet im Raum stehen. Damit sind es schon drei Probleme, die ich mit dem Roman habe.

    Auch an dem Schreibstil der jungen Autorin habe ich auszusetzen. Ihr Stil ist wohl modern, aber sprachlich geht mehr. Das schlägt hier für mich stark zu buche, denn wenn sich Jessica Lind etwas mehr ins Zeug gelegt hätte, wäre vieles, was hier zwischen den Zeilen steht, auch bei mir angekommen. Das viele Andeuten, aber im Endeffekt nicht ausformulieren, das sprachliche Farbspektrum kaum auskosten, und vieles nur mit knappen Worten darbieten -das alles ist mir einfach zu wenig. Zudem meine ich, dass die Autorin die Szenen absichtlich von außen beleuchtet. Damit ermöglicht sie Interpretationen und jede/r von zieht Rückschlüsse aus eigner Perspektive. Ist das so gewollt? Es fühlt sich fast an wie Filmschauen. Ich mag das nicht; besonders bei Literatur erhoffe ich mir, Innenansichten zu bekommen, die mir ein Handeln erklären oder verständlich machen. So aber lese ich sehr distanziert und mit abnehmenden Interesse.


    Fazit

    „Kleine Monster“ hält nicht, was der Buchtitel verspricht. Wahrscheinlich geht es um die Beziehung: Pia – Romi – Luca; ein Dreigespann großer verlorener Möglichkeiten, einen literarischen Kracher abzugeben.

  • In "Kleine Monster" setzt sich Autorin Jessica Lind mit der Psyche ihrer Protagonistin auseinander und fordert gleichzeitig unseren Verstand als Lesende heraus.

    Pia und Jakob sind Eltern von Luca. Sie werden in die Schule ihres Sohnes gerufen, weil es einen Vorfall gegeben haben soll. Was genau sich abgespielt hat, das wird nicht gesagt. Aber es wird klar, eine Mitschülerin soll von Luca bedrängt worden sein. Ein ungeheuerlicher Vorwurf für einen Siebenjährigen, mit dem beide Eltern in der Folgezeit unterschiedlich umgehen.

    Während Jakob versucht, die Situation möglichst locker anzugehen und ein unerschütterliches Vertrauen in seinen Sohn und die Situation zu haben scheint, kommen Pia Zweifel. Ihre eigene Vergangenheit hat ihr gezeigt, wozu Kinder fähig sein können. Luca ist ihr plötzlich fremd.

    Mich hat die Auseinandersetzung mit diesem verzwickten und psychologisch vielschichtigen Thema unglaublich interessiert. Dementsprechend schnell hat mich der Roman in den ersten Kapiteln fesseln können. Der Vorfall mit Luca entwickelt schnell eine gewisse Eigendynamik. Eltern von Klassenkameraden und Bekannte beziehen Stellung und wenden sich von der Familie ab. Auch Pia distanziert sich zunehmend von ihrem Sohn. Dies wird mit ihrer eigenen Vergangenheit begründet, welche immer wieder dazu führt, dass Pia sich in ihre Mutterrolle hineinzwängen muss. Diese Vergangenheit nimmt eine zunehmend große Rolle im Roman ein. Der Fokus verlagert sich zunehmend weg von Luca und der Gegenwart und hin zu Pias Kindheit.

    Diese Wende hat mich enttäuscht. Es hat sich ein bisschen so angefühlt, als hätte ich nicht das Buch bekommen, das ich gerne gehabt hätte. Als würde plötzlich eine ganz andere Geschichte erzählt werden, als die, auf die ich mich ursprünglich eingelassen habe.

    Sprachlich und stilistisch hat mir der Text gut gefallen. Die kurzen Kapitel lesen sich schnell und spannend. Inhaltlich ist mir der Roman aber nicht rund genug. Pias Geschichte ist eine wichtige Ergänzung, um ihr Handeln als Mutter zu verstehen. Wenn diese Geschichte aber anders in die Kernhandlung eingeflochten und weniger prominent erzählt worden wäre, hätte mir der Roman im Gesamtbild wahrscheinlich mehr zugesagt.

  • Ein atemraubender, psychisch herausfordernder Roman


    [TW: Kindstod, Gewalt gegen Kinder, Tierquälerei (kurz)]



    „Kleine Monster“ fordert seine Leser*innen. Er erwartet von ihnen, dass sie Leerstellen und extrem ambivalente Charaktere aushalten können.


    Der Roman beginnt mit einem Aufhänger, der fairerweise auch nur genau das ist: ein Aufhänger für ein viel tieferliegendes Problem. Am Anfang steht ein Vorfall an der Schule, in den der siebenjährige Luca verwickelt ist. Was genau hat er getan und warum? Seine Mutter Pia möchte es herausfinden und beginnt, das Vertrauen zwischen ihr und ihrem Sohn sowie ihr Kind selbst zunehmend infrage zu stellen. Im Laufe der Handlung taucht die Autorin in ganz kurzen Kapiteln, die stets aus der Sicht von Pia erzählt werden, immer mehr in die Hintergrundgeschichte der Protagonistin ein. Diese ist geprägt von dem furchtbaren Verlust der kleinen Schwester, dem mangelnden Umgang der Eltern mit diesem und einer großen Schuldfrage. Hat Adoptivschwester Romi etwas mit dem Tod zu tun? Inwieweit täuschen die Erinnerungen an ihre Kindheit? Und an welchen Stellen geht es gar nicht um Lucas Verhalten, sondern um Romi?


    Jessica Lind spielt in einem extremen Ausmaß mit Leerstellen und Subtext. Auf halbem Wege war ich mir unsicher, ob es mir zu viel Ungesagtes ist. Das letzte Drittel war dann aber wie ein Rausch und mir persönlich hat Pias Entwicklung hier sehr gut gefallen. Sie befindet sich in einem dauerhaften Spannungsfeld zwischen ihrem eigenen unbearbeiteten transgenerationalen Trauma und gesellschaftlichen Erwartungen an Eltern- bzw. konkret Mutterschaft.


    Die Vorfälle werden nicht bis ins letzte Detail geklärt und waren für mich doch abgeschlossen. Wahrscheinlich kommt es darauf an, inwieweit mensch den Figuren am Ende Glauben schenkt. Pia zeigt an einigen Stellen ein teilweise gewaltvolles, übergriffiges Verhalten ihrem Sohn gegenüber. Das ist wirklich hart, wird aber auch nicht beschönigt. Ich finde es so erschreckend wie spannend, dass Traumata generationsübergreifend so weitergegeben werden können und habe Pia gern zu Beginn ihrer Aufarbeitung begleitet.


    Der Roman ist voller Tempo und hat teils thrillerhafte Züge, die mich mit angehaltenem Atem haben lesen lassen. Ein Buch, das sich gut in einem Zug lesen lässt, welches Aufmerksamkeit fordert und für mich im Ganzen herausfordernd war, aber trotzdem rund.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • spannend mit Unklarheiten - 4 Sterne


    Worum geht es?

    Ein Vorfall hat sich in der Schule ereignet. Involviert sind Luca und ein Mädchen. Lucas Eltern sind schockiert und die Mutter beginnt, ihr Kind mit anderen Augen zu sehen.


    Worum geht es wirklich?

    Vorstellbare Möglichkeiten, Angst und Zweifel


    Lesenswert?

    Ja, weil es einfach ein bisschen anders ist. Wie erwähnt gibt es einen Vorfall, Luca soll Dinge getan haben - was genau, wird nicht erläutert. Erahnt man als lesende Person nur.

    Die Tat (oder eben nicht) steht gar nicht im Mittelpunkt. Vielmehr geht es darum, was das Wissen um einen Vorwurf mit den Eltern auslöst. Plötzlich sehen sie ihr Kind mit anderen Augen. Er hat doch nicht… Wird er vielleicht doch… - Das sind Gedanken, mit denen sich Pia plötzlich konfrontiert sind.

    Vieles erfährt man aus ihrer Sicht und daher natürlich nicht neutral. Ihr Mann Jakob ist ein bisschen gelassener (oder uninteressierter?) an den Geschehnissen.

    Durch Pias und Jakobs Blick auf ihr Kind, das plötzlich vielleicht ein kleines Monster ist, sind sie natürlich auch mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert, mit unausgesprochenen Familienthemen in ihrer eigenen Kindheit.

    Es geht jedoch auch um das Miteinander der beiden Erwachsenen als Einzelpersonen und auch als Paar und Eltern. Ebenfalls um Freundschaften in der Kindheit und um das Verhalten der anderen Eltern um die beiden herum.

    Sprachlich ist das Buch gut lesbar, ich fand es auch spannend und obwohl es ungewöhnlich war, dass manche Dinge ungesagt blieben, so hat mir diese Entscheidung gut gefallen.

    Ich bin wegen der Nominierung zum Österreichischen Buchpreis 2024 auf dieses Buch aufmerksam geworden. Oftmals sind Buchpreis-Bücher weniger gut lesbar, das kann ich hier allerdings absolut nicht sagen.

    Gute Lektüre, gerade auch wenn man ein bisschen Spannung in einem Roman mag. Nur sieht man danach manche Kinder vielleicht doch mit anderen Augen.

  • In diesen Roman habe ich sowohl schwer hinein- als auch schwer wieder aus ihm herausgefunden, und dazwischen habe ich ihn weginhaliert. :-)


    Zum Inhalt steht in den Rezensionen oben schon genug, daher hier mein kurzer Leseeindruck:


    Die Thematik rund um (mögliche) Gewalt zwischen Kindern hat mich mehr getriggert als erwartet, wir kennen ähnliche Situationen aus dem engeren Umfeld, und so wollte ich zwischenzeitig gar nicht mehr weiterlesen. Als jedoch die Rückblenden in Pias Kindheit zunehmend mehr Raum einnahmen, konnte ich mich besser aufs Geschehen einlassen und Pias Verbindungen von eigenem Erleben und nun den Geschehnissen rund um ihren Sohn nachspüren. Die Autorin hat dabei gelungen die Dynamik in den Beziehungen junger und nicht mehr ganz so junger Eltern eingefangen. Auch die ambivalenten Verhältnisse zwischen Eltern und Kindern, dann alten Eltern und ihren längst erwachsenen Kindern oder auch erwachsenen Geschwistern, das nicht immer gelingende Aufbrechen von Rollenmustern und die Bitterkeit alter wie neuer Verletzungen, wurden einfühlsam gezeigt. Dabei blieb auch die Protagonistin keine reine Sympathieträgerin; alle Erwachsenen in diesem Buch machen reichlich Fehler, verhalten sich nicht kohärent, bekommen manches aber auch ganz gut hin. Eine spannende Frage dabei bleibt, wieviel und was man einander verzeihen kann und wo in dieser Hinsicht eine Grenze verläuft.

    Mit dem Schluss des Romans bin ich allerdings unzufrieden, er lässt für meinen Geschmack zu viel offen.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Anders als erwartet...


    ... aber in dem Fall gut anders als erwartet. Zwar ist das Buch kein 5-Sterne-Highlight in meinem diesjährigen Lesejahr, allerdings muss man zugeben, dass die Konkurrenz aber auch ziemlich groß war. Auf jeden Fall ist es das bisher beste Buch aus dem Hanserverlag, das ich dieses Jahr gelesen habe.

    Man erwartet einen literarischen, gesellschaftskritischen Roman und bekommt ein Buch, das man schon fast als Psychothriller durchgehen lassen kann.

    Dabei spielt die Autorin geschickt mit den Grauzonen menschlichen Verhaltens und verschiebt immer wieder unseren moralischen Kompass was (und wer) gut und böse ist. Besonders gelungen fand ich dabei, dass sich ein Buch getraut hat, einmal herauszustellen, dass auch Kinder grausam sein können!

    Ich würde lediglich einen Stern abziehen, weil die Rückblenden für mich insgesamt zuviel Raum eingenommen haben. Die Idee ist gut, aber das Buch ist nicht dick und davon fast die Hälfte mit Abschweifungen zu verbringen, passt für meinen Geschmack nicht von der Gewichtung her.

  • Vielschichtiges Sozialdrama


    In der Schule hat es einen Vorfall mit einem Mädchen gegeben. Das ist alles, was Pia und Jakob von der Lehrerin mitgeteilt bekommen. Sie sind schockiert. Ist ihr 7-jähriger Sohn Luca nicht das gute, sensible Kind, für das sie ihn gehalten haben? Zunächst behutsam, versuchen sie ihrem Sohn die Geschehnisse zu entlocken, der jedoch nicht darüber reden will. Während Jakob gelassen bleibt und seinem Sohn Vertrauen schenkt, beginnt Pia ihrem Jungen zu misstrauen. Zu sehr wird sie dadurch an ihre eigene Kindheit mit ihren beiden Schwestern Romi und Linda erinnert. Sie beginnt sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Es fällt mir schwer zu sagen, ob mir das Buch gut oder nicht so gut gefallen hat. Der Schreibstil ist angenehm, so lässt sich das Buch flüssig lesen. Jedoch fällt es teilweise schwer den Gedanken von Pia, die sprunghaft zwischen Vergangenheit und Gegenwart wechseln, zu folgen. Die Suche Pias nach der Wahrheit ihrer eigenen Kindheit und der panischen Angst vor Parallelen zu den jetzigen Geschehnissen, war manchmal schwer auszuhalten. Aber genau diese Vielschichtigkeit der Geschichte macht die Qualität aus, so dass mir das Buch letztendlich gefallen hat.


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