Alena Schröder - Bei euch ist es immer so unheimlich still

  • In "Bei euch ist es immer so unheimlich still" erzählt Alena Schröder auf zwei Zeitebenen die Geschichte zweier Frauen: Da ist zum einen Evelyn, eine nach Kriegsende in ein schwäbisches Dorf zugezogene Frau, eine perfektionistische Ärztin, unzufriedene Mutter und nie richtig angekommen im Dorf. Wir erleben ihre Geschichte in den 1950er/60er Jahren. Zum anderen geht es um Sylvia, ihre Tochter, die im Sommer 1989 in Westberlin in der Hausbesetzerszene lebt, und die gerade selbst Mutter von Hannah geworden ist. Diese Mutterschaft und ihre Unzufriedenheit mit ihrer Situation in Berlin bewegen sie dazu, zu Evelyn und in den Ort ihrer Kindheit zu fahren, aus dem sie vor über 18 Jahren mit knapp 16 überstürzt geflohen war und zu dem sie alle Kontakte abgebrochen hatte.



    Ich konnte vom ersten Moment an richtig in die Geschichte abtauchen. Die Atmosphäre im Jahr 1989 kenne ich noch aus meiner eigenen Kindheit, und Alena Schröder hat die damalige Zeit wunderbar eingefangen. An vielen Stellen musste ich auch sehr schmunzeln, wenn mir Lieder, Gegenstände oder Werbung bekannt vorkam (Kassettenmitschnitte im Radio, Stu-Stu-Stu-Studio-Line-Werbung). Das Buch ist aber alles andere als eine nostalgische oberflächliche Erinnerung an vergangene Zeiten, sondern erzählt tiefgründig und einfühlsam Sylvias und Evelyns Geschichte. Je besser man beide Frauen im Buch kennenlernt, umso besser versteht man ihr Verhalten und ihre Charakterzüge, und viele Gedanken und Selbstzweifel kommen einem als Mutter selbst bekannt vor. Sylvias Heimatbesuch zwingt beide Frauen, sich schrittweise der Vergangenheit und lange Verdrängtem zu stellen. Hierbei nähern sie sich nicht nur langsam einander an, sondern sie lernen auch einiges über sich selbst, entwickeln sich weiter und finden die Kraft, Ballast abzuwerfen und ihrem Leben eine neue Wendung zu geben.


    Einziger Kritikpunkt: Das ein oder andere Schwabenklischee war mir als bayerische Schwäbin zu dick aufgetragen, da meinte ich doch die etwas herablassende Sicht einer Berlinerin zu erkennen.


    Ich habe dieses Buch regelrecht verschlungen und bin wirklich begeistert vom Schreibstil und der Geschichte. Ich möchte nun auf jeden Fall auch das Buch "Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlichen, blaues Kleid" lesen, das bereits 2021 erschien und die Geschichte von Sylvias Tochter Hannah und von Senta, Evelyns Mutter, erzählt.

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  • Vielschichtiger, als das Cover vermuten lässt


    "Bei euch ist es immer so unheimlich still" ist deutlich vielschichtiger, als ich es bei diesem Cover erwartet hätte. Blumen und Vögel ließen mich an eine seichtere, eher romantische Geschichte denken. Autorin und Kurzbeschreibung konnten mich jedoch neugierig machen – zum Glück, denn mit Silvia und Evelyn begegnen mir zwei ganz unterschiedliche, sehr vielschichtige Protagonistinnen. Die Tochter, Silvia, im Jahr 1989 im unkonventionellen Berlin und die Mutter, Evelyn, 1950, kurz vor ihrer Hochzeit auf dem eher spießigen Land. Warum hat Silvia ihr Heimatdorf verlassen? Wie ist die junge Evelyn zu der etwas ungepflegten, alten Frau geworden, auf die Silvia, gerade selbst Mutter geworden, dann 1989 wieder trifft?


    Seite für Seite entsteht ein Bild der beiden Frauen und werden ihre Gefühle, Motive und Beziehungen untereinander klarer. Durch viele Zeitsprünge begleitet das Buch Silvia durch ihre Kindheit und Evelyn in ihren ersten Jahren als Mutter, bis sich beide 1989 wiedertreffen. Auch Silvias Tante Betti und die Monika, die mit Silvia zur Schule ging und dann im Ort wohnen blieb, sind interessante Persönlichkeiten, anhand denen die Autorin ganz deutlich werden lässt das Außenwirkung und innere Gefühlswelt nicht immer übereinstimmen. Wie prägt uns unsere Kindheit und Vergangenheit? Welche Erinnerungen bleiben? Was steckt hinter der Fassade? Rund um diese Fragen dreht sich der Roman, der dabei flüssig und unterhaltsam zu lesen ist.


    Von mir daher eine klare Leseempfehlung! Der Roman „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, Blaues Kleid“ von Alena Schröder, der auf der Zeitebene von Silvias Tochter Hanna spielt, ist nun ebenfalls auf meiner Wunschliste nach oben gerutscht.

  • Klappentext

    Ildingen, 1950er Jahre. Evelyn Borowski hat alles, was sie sich je erträumt hat: Ein Eigenheim mit Garten, einen fürsorglichen Mann und das lang erwartete Töchterchen Silvia. Trotzdem ist sie nicht glücklich: Sie vermisst ihren Beruf als Ärztin und fühlt sich fremd und allein in dieser süddeutschen Kleinstadt. Betti, Ihre Freundin und Schwägerin, ist unverheiratet und kümmert sich deshalb um die Eltern. Mit losem Mundwerk und rasantem Fahrstil sorgt sie für reichlich Ärger.

    1989, in Berlin liegt Aufbruch in der Luft. Silvia Borowski aber macht einen Schritt zurück. In einem geklauten Polo fährt sie Hals über Kopf Richtung Süden. Neben ihr die erst wenige Wochen alte Tochter Hannah. Was erwartet sie in ihrem Heimatort, aus dem Silvia vor vielen Jahren überstürzt geflohen ist? Ist sie stark genug, sich der Vergangenheit zu stellen?


    Über die Autorin

    Alena Schröder, geboren 1979, arbeitet als freie Journalistin und Autorin in Berlin. Sie hat Geschichte, Politikwissenschaft und Lateinamerikanistik in Berlin und San Diego studiert und die Henri-Nannen-Schule besucht. Nach einigen Jahren in der ›Brigitte‹-Redaktion arbeitet sie heute frei u.a. als ›Brigitte‹-Kolumnistin.


    Mein persönliches Fazit

    Mir hat das erste Buch der Autorin unheimlich gut gefallen. Daher war ich sehr gespannt auf ihr neues Buch. Und sie mit mich wieder begeistern können. Ich mag ihren Stil, der so angenehm leicht zu lesen und dabei doch sehr feinfühlig ist. Alena Schröder transportiert mit dieser Art für mich sehr viele Emotionen. Mit jeder Figur konnte ich auf die eine oder andere Art mitfühlen und habe mich einfach mittendrin in dieser Geschichte gefühlt. Ich finde es wunderbar, welche Details mit eingearbeitet werden. Die Musik auf Rüdigers heimlicher Lieblingskasette hatte ich ständig im Ohr, die Kosmetik-Runde habe ich bildlich vor mir gesehen. Ich hatte das Gefühl, die Stille zu hören und den Staub zu riechen, habe Tante Betti mit ihrem roten Auto vor Augen gehabt. Überhaupt hatte ich sehr viel Kopfkino beim Lesen. Ich liebe das!


    Ja, man kann erahnen, in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln wird und so richtig große Überraschungen gibt es nicht. Das tut für meinen Geschmack dem Gesamtpaket aber keinen Abbruch. Für mich ist es ein schöner Schmöker, der mir auch ans Herz gegangen ist und einfach nur Spaß gemacht zu lesen.

  • Mütter und Töchter!

    Silvia lebt in Berlin in einer heruntergekommenen WG. Als sie ein Kind bekommt und der Vater nichts von seiner Tochter wissen will, erinnert sie sich an ihre Mutter, die sie seit vielen Jahren nicht gesehen hat und fährt kurzentschlossen zu ihr und hofft auf eine Versöhnung.


    Am Anfang war mir Silvia nicht sehr sympathisch. Sie lebt etwas außerhalb der Gesellschaft und eckt überall an, ist vor langer Zeit aus ihrem Elternhaus geflohen und hat den Kontakt abgebrochen. Aber nach und nach lerne ich sie kennen und erfahre von ihren Erlebnissen in der Kindheit und Jugend und kann sie etwas besser verstehen. Auch die Mutter ist kein Sympathieträger, sie wirkt sehr kalt und distanziert. Auch sie versteht man besser, je mehr man sie und ihre Vergangenheit kennenlernt.


    Alena Schröder hat eine sehr klare, flüssig zu lesende Sprache. Sie erzählt und schildert genau bis ins Detail, so dass die Szenen lebendig werden. Dabei streut die Autorin gezielt hier einen Namen ein und dort eine Begebenheit. Und langsam enthüllt sie die Schicksale von Silvia und Evelyn.


    Das ist ein Roman, der unterhält, betroffen macht, traurig, aber auch Hoffnung gibt.


    Fazit: ein tolles Buch, wie schon das erste der Autorin, mit der ganzen Bandbreite an Gefühlen.


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    2025 gelesen: 16 Bücher / 5971 Seiten


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  • Der erste Band hat mich ja leider etwas enttäuscht, aber nach Lektüre dieses Buches frage ich mich, ob das daran gelegen haben könnte, dass ich einfach etwas anderes erwartet hatte. Dieses Buch fand ich gut zu lesen und auch wirklich interessant. Ich mochte die teil sehr eigenwilligen Charaktere und bin froh, dass ich mich zum Lesen dieses Buches entschlossen habe.

    With freedom, books, flowers, and the moon, who could not be happy? ― Oscar Wilde

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