„>Es sind nicht immer die Schiffbrüchigen, die Zuflucht auf einer Insel suchen<, schreibt Ingeborg Bachmann. Nein. Es sind auch die Mutigen. Die Kreativen. Die Unabhängigen. Die Querköpfe. Die Insel nimmt sie alle auf, vorbehaltlos. Sie ist es von jeher gewohnt, überspült zu werden mit Neuem, mit Fremdem. Es macht ihr nichts aus. Sie fragt nicht: Woher kommst du? Sie fragt nicht: Was machst du? Sie fragt nur: Gehst du wieder, oder bleibst du?“ (Quelle: Klappentext)
Für die einen mag es ein neugieriges erstes Herantasten an unbekannte Länder (und Gewässer) sein, für andere ein wohlvertrauter Sehnsuchtsort, an den man in Gedanken reisen und für ein wenig Zeit verweilen mag: Anne von Canal gibt in der Erzählung „ihres“ Gotlands allen Lesenden die Möglichkeit, ihre Verbindung zu der schwedischen Ostseeinsel selbst zu erforschen. Dabei ist jedes der insgesamt zehn Kapitel eine Liebeserklärung an Gezeiten, Leute und Natur. Wir lernen flüchtige Bekannte kennen, alte Kindheitsfreundschaften, unbekannte Schicksale vergangener Generationen und erinnern uns über Umwege an jene, die in der kargen Landschaft Hoffnung, Heimat und sich selbst gefunden haben.
Anne von Canal verwebt ihre Eindrücke der Insel mit historischen Ereignissen und Persönlichkeiten, lässt uns eintauchen in die lange, ereignisreiche Geschichte des Eilands und teilhaben am Leben derer, die es heute noch als ihr Zuhause bezeichnen. Mit äußerst feinfühliger, stets vorsichtiger Zurückhaltung malt sie Bilder voll von aufbrausendem Meer, rauem Kalk und rauschendem Wind. Wir begleiten sie auf Reisen rund um die Insel, vertreiben uns die Zeit mit einsamen Fußballspielen, auf Grund gelaufenen Schiffen, wachsen mit Prinzessinnen in ein unabhängiges Leben hinein, führen Gespräche mit längst verstorbenen Seelenverwandten und trauern um eine Liebe, die die natürlichen Grenzen der Insel nie verließ.
Fazit
Ohne genau zu wissen, was ich lesen werde, begann ich das Buch. Im Nachhinein betrachtet hätte ich es bereits früher von meinem SUB nehmen sollen. Ich war positiv überrascht von der stellenweisen Härte des Inhalts, die sich aber mühelos in die liebevollen Erzählungen von Canals einbrachte. Eine wunderbare Nachmittagslektüre, um sich „Wind, Zeit und Einsamkeit“ hinzugeben. (Quelle: Buchtitel)