Felix Lee - China, mein Vater und ich. ...

  • ... Über den Aufstieg einer Supermacht und was Familie Lee aus Wolfsburg damit zu tun hat


    Klappentext/Verlagstext

    Der Aufstieg Chinas neu erzählt
    Am 17. April 1978 ist Wenpo Lee Anfang vierzig und Leiter der Forschungsabteilung bei Volkswagen in Wolfsburg. Hinter ihm liegt ein langer Weg: Als Kind floh er aus China nach Taiwan, lebte dort auf der Straße, bis ihn ein Lehrerehepaar aufnahm und er schließlich zum Studium nach Deutschland ging. Mit China hatte er abgeschlossen – bis zu dem Tag, an dem eine chinesische Delegation vor dem VW-Werk steht. In der Folge wird Wenpo Lee zu einem der Architekten des China-Geschäfts von VW und trägt damit maßgeblich zum Aufstieg des Landes zur Wirtschaftsmacht bei.

    Anhand der Geschichte seiner Familie erzählt Felix Lee die rasante Entwicklung Chinas noch einmal neu: Pointiert, facettenreich, voller Anekdoten – und mit dem kritischen Blick eines Wirtschaftsjournalisten.


    Der Autor
    Felix Lee, geb. 1975 in Wolfsburg, studierte Soziologie, Volkswirtschaft und Politik und absolvierte die Berliner Journalistenschule. Von 2003 bis 2022 arbeitete er als Wirtschafts- und Politikredakteur der taz. Ab 2010 war er neun Jahre China-Korrespondent in Peking. Er schreibt u. a. für Zeit Online und China Table Professional Briefing. 2011 erschien sein Buch »Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann« und 2014 die Biografie »Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiaoping«. Lee lebt in Berlin.


    Inhalt
    „Alles begann damit, dass 1978 bei VW in Wolfsburg eine Gruppe chinesischer Besucher vor dem Werkstor stand, die sich spontan über Nutzfahrzeuge informieren wollte - und vom Westen lernen. Nutzfahrzeuge wurden in Wolfsburg aber nicht gebaut, sondern nur Pkw. Einer der Besucher war der chinesische Minister für Maschinenbau Yang Keng …“ Diese Anekdote gehört zu den im China-Kontext häufig erzählten Stories aus der Frühzeit deutsch-chinesischer Kommunikation. Felix Lee kennt sie aus erster Hand; denn Lee Wenpo (geb. 1936), der damals ebenso spontan zum Dolmetschen gerufen wurde, ist sein Vater. Nach seiner Flucht mit zwei älteren Schwestern von Nanjing nach Taipeh arbeitet der Kaufmanns-Sohn inzwischen bei VW als Entwicklungsingenieur. Ohne Lees intuitives Erkennen, dass es mit dem Übersetzen des Gesagten nicht getan ist, sondern zugleich Kontext und kultureller Hintergrund vermittelt werden müssen, hätte VW in der deutsch-chinesischen Wirtschaftsgeschichte vermutlich nur eine Nebenrolle gespielt.


    Zwischen den historischen Eckpunkten Besetzung Nanjings durch die japanische Armee 1937 (die vielen Deutschen inzwischen durch die Figur des John Rabe bekannt ist) und der Niederschlagung des Aufstands auf dem Tiananmen-Platz in Peking 1989 erzählt der junge Mister Lee von der Flucht seines Vaters und seiner Schwestern nach Taipeh, von glücklichen Zufällen und klugen Ratschlägen, bis Wenpo Lee schließlich 1962 zum Studium nach Aachen gelangt, eine Stelle bei VW annimmt - und seine katholisch getauften Söhne am VW-Standort sehr deutsch aufwachsen.


    Als Lee Mitte der 80er mit Frau und Kindern nach China reist, hat er seine Familie dort seit 30 Jahren nicht gesehen. Kurz zuvor hatten ihn am Flughafen Nanjing sein Schwager und dessen Bruder mit Fahrrädern erwartet, ein Rad-Gepäckträger gedacht für Wenpo Lee, der andere für seinen Koffer. Auf Bus oder Taxi hätten die drei lange warten können, denn in der Stadt waren offenbar nur Militärfahrzeuge unterwegs. Dieser erste Eindruck von seiner Geburtsstadt ganz ohne Privat-Pkw wird ein zentraler Antrieb Lees werden in den jahrelangen Verhandlungen über Joint Ventures zwischen VW/SAIC Volkswagen in Shanghai, sowie Audi/FAW in Changchun. Dass das Land, in dem bis dahin noch Reis, Öl und Baumwollstoff vom Staat zugeteilt wurden, ein gigantischer Markt für die Produktion von Taxis werden würde, ahnte noch kaum jemand.


    Im Rückblick wird deutlich, welche Eigenschaften Wenpo Lee zum Pionier machten und wie er immer wieder intuitiv erfasste, wie der chinesische Markt funktionierte. Als er 1988 von einem dreijährigen Aufenthalt in Peking (mit Frau und Kindern) zurückkehrte, schien China für den VW-Konzern noch immer ein Buch mit sieben Siegeln zu sein. Der junge Felix Lee als äußerst kritischer, umweltbewusster Vegetarier schließt mit dem Thema China erst einmal ab, als er 1989 von Deutschland aus die Fernsehberichte vom Tiananmen-Platz sieht ...


    Fazit

    Felix Lee verknüpft das Einwanderer-Schicksal seines Vaters Wenpo mit der knackig und kritisch dargestellten deutsch-chinesischen Wirtschaftsgeschichte seit den 80ern. Auch wer sich kaum für die Automobilindustrie interessiert, wird sich von Lees flüssig zu lesendem Text mitreißen lassen, der mit Kritik an deutscher Selbstgefälligkeit und jüngsten Fehleinschätzungen gegenüber anderen Ländern nicht spart. Im Jahr 2 des Ukraine-Kriegs ein hochaktuelles Thema.


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