Christiane Zehl Romero - Anna Seghers 1900-1947

  • Autor: Christiane Zehl Romero
    Titel: Anna Seghers 1900-1947, erschien erstmals 2000
    Seiten: 560
    Verlag: Aufbau
    ISBN: 9783746614380


    Die Autorin: (Verlagsinfo)
    Christiane Zehl Romero ist in Wien geboren und studierte an der Universität Wien Germanistik und Anglistik. Weitere Studien in Vergleichender Literaturwissenschaft in Paris (Sorbonne) und in den USA (Yale University). Sie lebt in Winchester in der Nähe von Boston und ist „Professor of German and International Literary and Cultural Studies“ und „Goldthwaite Professor of Rhetoric Emerita“ der Tufts Universität, Medford, Massachusetts. Zahlreiche Aufsätze zur deutschen und vergleichenden Literatur und zum Film sowie Biographien über Simone de Beauvoir und Anna Seghers, auch als Herausgeberin tätig, u. a. die Briefe von Anna Seghers in 2 Bänden (2008 und 2010) sowie „Anna Seghers. The Challenge of History“ (2020).


    Inhalt: (Klappentext)
    Aus Netty Reiling wird Anna Seghers. Was zählt, sei das Werk, nicht die Person. Damit wehrte Anna Seghers zeit ihres Lebens Fragen nach Details ihrer Biographie ab. Viele Spuren hat sie bewusst verwischt, andere legte sie mit Bedacht. Sie, die bedeutendste deutsche Erzählerin ihres Jahrhunderts, war wohl auch eine der verschwiegensten. Anhand von neuen, zuvor nicht erschlossenen Quellen entwirft Christiane Zehl Romero ein völlig neues Bild von der Schriftstellerin, wobei ein Schlüssel in deren Kindheit und Jugendzeit liegt. In den Jahren der Verwandlung von Netty Reiling in Anna Seghers erlebte die junge Frau eine Intensität des geistigen Austausches, eine Radikalität der Fragestellungen und eine Vielfalt der Ideen, von denen die dogmatische Enge und die Scheindiskussionen späterer Jahre besonders abstechen mussten.


    Meinung:
    Dies ist der erste von zwei Bänden einer Biographie zu Anna Seghers, die anlässlich ihres hundertsten Geburtstags im Jahr 2000 erschien. Die Literaturwissenschaftlerin Christiane Zehl Romero hat hier ausführlich und wissenschaftlich ambitioniert die «erste Lebenshälfte» von Anna Seghers portraitiert.


    1900 in Mainz geboren, wird hier zunächst ihre Familiengeschichte umrissen: Herkunft und Beruf der Eltern und ihr Verhältnis zu den Verwandten in Frankfurt. Sicherlich ist es spannend zu erfahren, welche Rolle die Religion in ihrem damaligen Leben einnahm, oder wie das Antiquitätengeschäft des Vaters lief, welche gesellschaftliche Stellung sich daraus ergab, welche Erwartungen die Eltern an ihren Freundeskreis und später ihren zukünftigen Ehemann hatten. Das gehört in eine ordentliche Biographie und war auch interessant. Dann aber gab es auch seitenlange Episoden, die ich in ihrer Detaillierung unnötig fand: bspw die Aufzählung, welche Bücher Anna Seghers in ihrem Schrank stehen hatte, ob sie sie alle auch gelesen hat, von wem sie die Bücher geschenkt bekam, etc – immerhin ein 23 Seiten langes Kapitel dazu.


    Dafür nimmt ihr Aufenthalt in Mexiko verhältnismässig wenig Platz ein (ein 33 Seiten langes Kapitel). Immerhin eine Phase, die zu den schönsten und wichtigsten Abschnitten ihres Lebens gehörten, so wird Seghers eingangs zitiert. Für mich blieb insbesondere diese Zeit einigermassen blass. Wurde zuvor viel Aufwand investiert Anna Seghers als fleissige, zielgerichtete Schriftstellerin darzustellen, die mit ihren Texten etwas bezwecken wollte (bspw Menschen ausserhalb Deutschlands das Aufkommen der Nationalsozialisten zu erklären, das Leben in Deutschland zu beschreiben), so scheint sie im mexikanischen Asyl einigermassen abgeschottet gewesen zu sein. Obwohl sie doch hier «Transit» fertig schrieb und den Erzählband «Der Ausflug der toten Mädchen» verfasst, durch die Verfilmung von «Das siebte Kreuz» von jeglichen Geldsorgen befreit wird, einen Autounfall überlebt, mit anderen Exilanten wie Bertolt Brecht Konzepte für ein Deutschland nach den Nazis entwickelt… Eine spannende Zeit eigentlich, aber hauptsächlich schien es in den Jahren um die fehlende Unterstützung aus Moskau zu gehen. Die kommunistische Abteilung in Mexiko war evtl nicht gross genug oder zu weit weg, aber Seghers Kontakte in Moskau antworteten nicht mehr, oder hatten kein Gehör für ihre Vorschläge.


    Zudem bietet der Band eine Menge Anhang: auf 90 Seiten findet der interessierte Leser Anmerkungen, das meiste allerdings Hinweise auf Quellenangaben. Erläuterungen zum Haupttext sind eher selten. Ein Literaturverzeichnis, Personenregister und Bildnachweise für die 39 Abbildungen runden den Anhang ab.


    Insgesamt also birgt dieser erste Band eine Menge Details, allerdings empfand ich die gesetzten Schwerpunkte eher weniger interessant, und die Punkte über die ich gerne mehr erfahren hätte, wurden meines Erachtens vernachlässigt.