Maria Regina Kaiser - Enid Blyton. Geheimnis hinter grünen Hecken

  • Mitten in der Pandemie konnten junge deutsche Zuschauer*innen (und ihre nostalgischen Eltern) sich über die von der BBC produzierte Serie "Malory Towers" freuen, welche auf der gleichnamigen Reihe von Büchern der britischen Schriftstellerin Enid Blyton (1897 - 1968) beruhrt. Auch wenn sie seinerzeit die kommerziell erfolgreichste Kinderbuch-Autorin war, werden ihre literarischen Werke in der aktuellen Gegenwart aufgrund von Rassismus, Sexismus und Homophobie angeprangert; ihre literarische Bedeutung wird wegen der schlichten Sprache als gering eingeschätzt. Auch der Film "Enid" mit Helena Bonham-Carter zeichnet ein negatives Bild von Enid Blyton, die großen Wert auf ein makelloses Image in der Öffentlichkeit legte und sich selbst als eine Meisterin der Selbstinszenierung und -vermarktung entpuppte, in dem sie ihre eigene "Marke" kreierte.

    In der öffentlichen Wahrnehmung verschwimmen Fakten und Fiktion. Nach mehreren Werken, die in der englischen Sprache erschienen sind, legt Maria Regina Kaiser die erste deutschsprachige Romanbiographie "Enid Blyton. Geheimnis hinter grünen Hecken" vor, in dem Leben und Werk der britischen Autorin unter Berücksichtigung der jeweiligen politischen sozialen Kontexte näher beleuchtet werden. Für mein Empfinden achtet Maria Regina Kaiser auf sachliche Distanz; sie enthält sich jeglicher Idolisierung noch Kritik und überlässt es ihren Leser*innen, ihr eigenes Urteil zu fällen.

    Das in Sepia-Tönen gehaltene Cover zeigt ein authentisches, zeitgenössisches Portrait. Für meinen Geschmack strahlt es Selbstbewusstsein und Würde aus; es ist eine attraktive, erfolgreiche Frau mittleren Alters, die voller Stolz auf ihr literarisches Werk zurückblicken kann.

    Aufgewachsen in privilegierten Verhältnissen, wirken Kindheit und Jugend von Enid sehr bedrückend; als Liebling ihres Vaters muss sie sehr unter der Trennung und Scheidung ihrer Eltern gelitten haben. Die Ehe war von Lieblosigkeit geprägt; Vater und Mutter waren konträre Charaktere, die langsam, aber unaufhaltsam auseinanderdrifteten. In der Erziehung ihrer KInder vertraten sie gegensätzliche Ansichten. Während ihr Vater seine Zuneigung offen zeigte und sich nach Kräften bemühte, seine einzige Tochter zu fördern, war das Verhältnis zur Mutter unterkühlt, was den völligen Kontaktabbruch in späteren Jahren erklärt.

    Nach dem frühen Tod ihres Vater schien Enid Blyton nach einer Vater-Figur zu suchen; ihre Wahl fiel auf Hugh Pollock, einen wesentlich älteren ( getrennt lebenden, aber noch nicht geschiedenen) Mann, der sich als Cheflektor in der Buchszene auskannte und ihr wertvolle Tipps erteilte. Hugh hielt nichts von Gleichberechtigung, er hing verstaubten Idealen nach und wollte in ihrer Beziehung das Sagen haben (auch wenn Enid Blyton sich durchaus durchsetzen konnte). Dabei schien er nicht aufrichtig zu ihr zu sein; auch wenn er die Scheidung von seiner ersten Frau durchzog, um die geplante Hochzeit mit Enid realisieren zu können, verschwieg er seinen Sohn aus erster Ehe. Ihre Verbindung verlief unglücklich; die erlittenen Kriegs-Traumata von Hugh Pollock schimmerten im Laufe der Ehe mehr und mehr durch. Er suchte keinen ärztlichen Rat (eine psychotherapeutische Behandlung passte nicht in sein Weltbild, vermute ich), sondern betäubte sie mit Alkohol, tröstete sich mit einer Affäre - und verlor seine Frau an einen anderen Mann.

    Auch wenn die einzelnen literarischen Werke von Enid Blyton etwas zu kurz kommen, war der Einblick in ihr Familienleben sehr spannend. Nach der Scheidung von Hugh Pollock setzte sie einen völligen Kontaktabbruch ihrer Töchter Gillian und Imogen zu ihrem Vater durch; sie erhielten den Familiennamen ihres zweiten Mannes, des Arztes Kenneth Darrell Waters. In der Presse verschwieg sie ihre erste Ehe; aus Sorge um ihren guten Ruf wurde die unliebsame Vergangenheit gleichsam "ausradiert" und eine geschönte Version (heiles Familienleben) in der Öffentlichkeit präsentiert. Ihre zweite Ehe hielt bis zu ihrem Lebensende; sie achtete auf ihren persönlichen Freiraum, arbeitete unermüdlich an neuen Texten und konnte ihre eigene "Marke" kreieren, mit der sie sich ein hohes Einkommen auf dem Buchmarkt sichern konnte.

    Ihre Beziehung zu ihren zwei Töchtern war schwierig; sie beschäftigte sich wenig mit ihren Kindern, sondern überließ sie lieber der Obhut von Nannys, um sich auf das Schreiben von Kinderbüchern konzentrieren zu können. Als "schlechte Mutter" möchte ich Enid Blyton nicht bezeichnen; sie achtete auf eine gute Ausbildung und hielt sich an die gängigen Konventionen, welche den Besuch von (exklusiven) Internaten und Universitäten beinhalteten. Wie ihre Mutter erkrankte Enid Blyton an Demenz; das unaufhaltsame Fortschreiten der Krankheit setzte ihrer literarischen Produktion ein Ende.

    Für mein Empfinden war Enid Blyton eine kompliziert gestrickte Persönlichkeit, sie scheute klare Konfrontationen und neigte dazu, unliebsame Begegebenheiten "auszuradieren" und "störende" Menschen aus ihrem Leben zu streichen. In der Presse präsentierte sie eine gefilterte Version, die sie im positiven Licht zeigte; sie liebte die "heile Welt", alles Unangenehme blieb ausgeklammert.

    ,Alles in allem hat mir diese Lektüre sehr gefallen. Für mich ist dieses einfühlsam geschriebene und angenehm zu lesende Buch eine wahre Fundgrube an wertvollen Informationen, das in jeden Bücherschrank gehört.

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Maria Regina Kaiser: Geheimnis hinter grünen Hecken“ zu „Maria Regina Kaiser - Enid Blyton. Geheimnis hinter grünen Hecken“ geändert.
  • Ihre Bücher haben Generationen begeistert, zum Lesen gebracht und nicht zuletzt vor Diskussionen gesorgt. Doch wer war die Frau, die die 5 Freunde und Hanni und Nanni erfand? Aufgewachsen bei einer Mutter, der sie nie etwas recht machen konnte, verlassen vom Vater, der sie als einziger verstanden, aber zugunsten einer neuen Liebe zurückgelassen hat, hat sich Enid aus den Fesseln der Konventionen befreit und ist konsequent ihren eigenen Weg gegangen. Trotz des mütterlichen Widerstandes hat sie sich zu der großen Schriftstellerin entwickelt, die sie immer sein wollte.


    Diese Romanbiographie zeichnet episodenhaft den wenig bekannten Lebensweg Enid Blytons nach. Anfang des 20. Jahrhunderts aufgewachsen, mit allen Erwartungen an das weibliche, englische Ideal des gehobenen Bürgertums erlebte sie beide Weltkriege und die vielen gesellschaftlichen Umstürze, die ihr viel ermöglichten. Nicht immer ist das Bild der großen Schriftstellerin positiv, aber ihr Leben war faszinierend. Man erkennt viele Motive aus ihren Büchern wieder, man stellt Zusammenhänge her und nicht zuletzt will man sofort wieder zu ihren Büchern greifen. Bitter und mit viel Wiedererkennungswert wird zum Schluss beleuchtet wie auch ihre Geschichten in den 60ern in die Kritik gerieten wegen der Rollenverteilung, gesellschaftlicher Schichten und daraus resultierender Verbannung aus Bibliotheken. Ernsthaft wird sich hier mit den Vorwürfen auseinandergesetzt und nicht zuletzt im ausführlichen Nachwort der Autorin noch mal aufgegriffen und kritisch beleuchtet.


    Eine spannende Romanbiographie zu einer Autorin, die fast völlig hinter ihren Büchern zurückgetreten ist. Jeder kennt ihr Werk, nur wenige wissen etwas zur Autorin selbst, dabei ist auch ihr Leben und ihre Persönlichkeit sehr interessant. Maria Regina Kaiser hat sich dieser Geschichte angenommen und den Lesern zugänglich gemacht. Ein rundum gelungenes Buch!

  • Über die Autorin (Amazon)

    Maria Regina Kaiser, Dr. phil., 1952 in Trier geboren, studierte in Frankfurt am Main Alte Geschichte, Archäologie und Hispanistik. Nach ihrer Promotion war sie bis 1986 in der Forschung tätig, von 1987 bis 1991 arbeitete sie als Lektorin in einem Wissenschaftsverlag. Heute ist sie freie Autorin vor allem von historischen Romanen und vielbeachteten Romanbiografien.


    Produktinformation (Amazon)

    ASIN ‏ : ‎ B0CGF3ZYD4

    Herausgeber ‏ : ‎ Südverlag; 1. Edition (1. August 2023)

    Sprache ‏ : ‎ Deutsch

    Dateigröße ‏ : ‎ 1383 KB

    Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 313 Seiten


    Eine interessante Persönlichkeit

    Ihr Vater Thomas Blyton wollte aus Enid eine Musikerin machen, was sie einige Jahre mitmachte. Doch dann wollte sie das nicht mehr und lernte Lehrerin und wurde Kolumnistin für Kinderzeitschriften. Sie wurde dann durch ihre Schreibleidenschaft zu einer international erfolgreichen Schriftstellerin. Sie nahm die Kinder ernst, wusste wovon sie träumen. Ihre Bücher wurden millionenfach verkauft, denn sie bietet attraktive Fluchtwelten und vollem spannendes Lesefutter. Jungen sowie Mädchen tauchen seit Jahrzehnten in die Abenteuer der Fünf Freunde oder der Schwarzen Sieben ein. Auch war sie eine gute Geschäftsfrau bei der Vermarktung ihrer Titel. Sie engagierte sich karitativ, kümmerte sich um vernachlässigte schutzlose Kinder. Heute, mehr als fünfzig Jahre nach ihrem Tod stempeln viele Erwachsene ihre Werke als trivial ab, sie kritisieren Sprache und Moral ihrer Texte. Sie umwabert Rätselhaftes und Geheimnisvolles. Doch fast jeder kennt ihren Namen, hat etwas von ihr gelesen. Doch verstanden wird sie von den wenigsten.


    Meine Meinung

    Auch ich war eine eifrige Leserin von Enid Blytons Büchern. Doch leider kam ich erst als Erwachsene und Mutter einer Tochter dazu. Und genau diese Tochter hat mich zum Lesen von Enid Blytons Büchern gebracht. Ich frage mich, was an diesen Büchern trivial sein soll. Es ist die Sprache der damaligen Zeit. Genauso wie ich Rassismus nicht verstehe. Wenn ich einen historischen Roman lese, der z. b. in den Südstaaten spielt dann lese ich auch von Negern und Weißen, von Sklaven und ihren Besitzern. So war das eben damals und das zu verändern, verfälscht die Geschichte. Zum Glück ist die Sklaverei längst abgeschafft. Doch in diesen Büchern geht es um Kinder, um Kinder die eben so beschreiben werden wie sie damals waren. Ich fand Enid Blytons Bücher immer klasse und habe sie mit Begeisterung, als Erwachsene, gelesen. Das vorliegende Buch beschreibt nun ihren Werdegang. Wie es letztendlich dazu kam, dass es mit der Schriftstellerei doch noch klappte. Und das nach sehr vielen Rückschlägen. Denn kein Verlag wollte ihre Texte zunächst drucken. Familiär ging auch einiges schief. Zunächst bezüglich ihren Eltern und dann letzten Endes auch bei ihr selbst. Am Ende des Buches (und das beansprucht fast ein Fünftel) kann man ein Personenverzeichnis finden. Auch ein Ortsverzeichnis und noch vieles mehr. Diese Verzeichnisse sind sehr ausführlich, weshalb sie natürlich auch eben viel Platz benötigen. Das Buch liest sich sehr interessant, wenn man sich eben für Enid Blyton interessiert. Mir hat es gut gefallen. Eine Empfehlung und vier von fünf Sternen bzw. acht von zehn Punkten.

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    Liebe Grüße
    Lerchie



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    nur wer aufgibt, hat schon verloren

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