Natasha Pulley - Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit / The Kingdoms

  • Kurzmeinung

    nichtsalsguteworteDE
    Mal etwas ganz anderes zum Thema Zeitreisen. Mir hat es gefallen.
  • Kurzmeinung

    Farast
    Unterhaltsamer Zeitreiseroman, stellenweise recht konstruierte Handlung.
  • Schon „Der Uhrmacher in der Filigree Street“ war ein Highlight – ein überzeugender Mix aus Fantasy, alternativer Realität, Steampunk und Liebesgeschichte. In „Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit“ nimmt Natasha Pulley diese Zutaten wieder zur Hand und bereitet aus ihnen ein faszinierendes Lesevergnügen, das sich um eine Zeitreisegeschichte während der Napoleonischen Kriege dreht.


    Am Ende des 19. Jahrhunderts steigt Joe Tournier in London aus dem Zug und hat sein Leben vergessen. Er weiß zwar, dass London Londres heißt und alle Straßen und Plätze französische Namen haben, aber er weiß nicht, wo er wohnt und wer er eigentlich ist. Schon der Einstieg in den Roman entwickelt einen unglaublichen Sog und mit dem völlig überforderten Joe möchte man unbedingt herausfinden, wie diese Welt funktioniert und was Joe vergessen hat. Langsam und mit beeindruckender Meisterschaft entwickelt Pulley ihre Welt, gibt immer nur kleine Häppchen preis, bis sich am Ende alles fügt und in Beziehung zueinander setzt. Das macht den Roman extrem spannend, weil man als Leser immer aufgefordert ist, mitzudenken und die Zeitebenen im Blick zu behalten, damit man sie schließlich entschlüsseln kann. Zusammen mit Joe macht man sich auf die Reise, seine Identität zu ergründen. Dabei versucht man dann auch noch, den Lauf der Zeit zu verändern (zumindest scheint das hier einfacher möglich zu sein als bei Diana Gabaldon) und man wird in eine zarte Liebesgeschichte verwickelt.


    Natasha Pulleys Roman ist ein ureigener Mix aus Fantasy, historischem Roman, Liebesgeschichte, Abenteuer und alternativer Realität. Das könnte in Überfrachtung enden, doch Pulley gibt nie die Zügel aus der Hand. Sie hat ihre Handlung und ihre Charaktere immer im Griff und so besteht „Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit“ zwar aus vielen Zutaten, diese sind allerdings alle in der perfekten Dosis verwendet. Ein absolutes Lesevergnügen!

  • Eine eigenartige Zeitreise

    Joe Tournier ist verwirrt, er irrt durch die Straßen von Londres ( London, England gehört jetzt zum französischen Kaiserreich ) und landet in der Psychiatrie. Er hat einen Gedächtnisverlust und weiß weder wer er ist noch wo her er kommt. Auf der Suche nach seiner Identität macht er einiges durch. Er landet in Schottland und damit in der Vergangenheit.

    Das Buch ist faszinierend und verwirrend zu gleich. Auf alle Fälle fällt es schwer es aus der Hand zu legen. Ich wollte wissen wie es weiter geht und gleichzeitig hatte ich Angst den Faden zu verlieren, wenn ich aufhöre zu lesen. Die Geschichte hat mich magisch angezogen, Joe hatte mein Mitgefühl, sich an nichts zu erinnern, stelle ich mir schrecklich vor. Seine Reise erforderte Mut, den Mut der Verzweiflung. Gemeinsam war es aufregend, vor allem als es auf einmal eine Zeitreise wurde. Joe führt durch die Geschichte und die Zeit. Die anderen Figuren sind verhältnismäßig klein, aber sie schmücken und erklären eine Welt die es so nur in Büchern gibt. Es gibt turbulente, stille, romantische und lustige Szenen.

    Die Mischung aus Steampunk, Zeitreise und alternative Geschichte macht süchtig.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Verwirrend

    Die Geschichte beginnt im Jahre 1898. Joe Tournier steigt aus einem aus Glasgow kommenden Zug aus. Er befindet sich in London, doch seltsamerweise wird dort Französisch statt Englisch gesprochen und der Bahnhof heißt Gare du Roi. Joe hat sein Gedächtnis verloren, alles erscheint ihm falsch. Ein wohlmeinender Mitreisender bringt ihn in eine psychiatrische Einrichtung, wo bei Joe Epilepsie diagnostiziert wird. Angeblich ist diese oft mit Gedächtnisverlust verbunden und tritt zu dieser Zeit recht häufig auf. Nach einiger Zeit meldet sich ein Mann in der Einrichtung, bei dem Joe angeblich seit langer Zeit als Leibeigener lebt. Mit dabei ist Alice, Joes Ehefrau, an die er sich jedoch ebenfalls nicht erinnert.


    Dieser Einstieg in die Geschichte ist sehr spannend und mysteriös. Ganz rätselhaft wird es, als Joe eine Postkarte erhält, die vor 90 Jahren an ihn abgeschickt wurde und einen Leuchtturm in Schottland zeigt. Der Text fordert Joe auf, nach Hause zurückzukehren, wenn er sich erinnert. Daraufhin setzt Joe alles daran, zu diesem Leuchtturm zu gelangen. Wer weiß, vielleicht erinnert er sich dort an sein früheres Leben?


    Die Idee zu dieser Geschichte gefällt mir sehr gut. Allerdings war die Umsetzung ausgesprochen verwirrend. Die ständigen Zeitsprünge und Schauplatzwechsel - London 1898, Southampton 1997, Edinburgh 1807, Cadiz 1777 usw. – machen das Lesen schwierig und ich hatte große Mühe, den Faden nicht zu verlieren. Manchmal wusste ich nicht mehr, was ist historisch belegt und was Fantasie. Durch Zeitreisen reisten manche Protagonisten in der Zeit hin und her, wobei sie in jeder Zeit einen anderen Namen und ein völlig anderes Leben hatten. Ich kann nicht behaupten, dass mir die Auflösung schlüssig erschien, manche Ereignisse wurden für meine Begriffe nur unzureichend erklärt und ich hatte keine Ahnung, welche Bedeutung sie für die Geschichte hatten. Trotz des spannenden Beginns war ich am Schluss einfach nur froh, als ich das Buch fertiggelesen hatte.


    Positiv hervorheben möchte ich allerdings noch die wunderschöne Covergestaltung und die hervorragende Übersetzung. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Ich wollte mich ja wirklich an die Sperrfrist des Verlags halten, aber nachdem hier schon eine Rezi nach der anderen auftaucht, hier nun auch meine, die schon seit fast 4 Wochen auf ihre Veröffentlichung wartet. Ich hoffe, Klett Cotta wird in diesem Fall ein Auge zudrücken, zumal das Buch beim großen Online-Händler offensichtlich auch schon vor dem 24.9. erhältlich ist.


    Kurzbeschreibung:

    1898 erwacht Joe Tournier ohne jegliche Erinnerungen am Bahnhof Gare du Roi in Londres. Die Welt steht Kopf: England ist französisch, und Joe wird in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Nur wenig später, als er wieder in Freiheit ist, trifft eine rätselhafte Postkarte bei ihm ein, die 90 Jahre zu ihm unterwegs war.


    Auf der Postkarte ist ein Leuchtturm auf einer Insel in den Äußeren Hebriden mit dem Namen Eilean Mor abgebildet, auf der Rückseite steht ein kurzer Text: "Liebster Joe, komm nach Hause, wenn du dich erinnerst. M." Was hat es mit dem Leuchtturm auf sich und wie kann ein Mann mittleren Alters aus einer 90jährigen Vergangenheit heraus vermisst werden? Und wer ist M.? Joe macht sich schließlich auf die nicht ungefährliche Reise nach Schottland, um den Leuchtturm zu suchen und findet stattdessen einen Weg in die Vergangenheit. Unversehens gerät er in die Turbulenzen der großen Schlachten zwischen England und Frankreich, die lange vor seiner Geburt entschieden wurden. Schnell wird klar, dass jeder Schritt in die Vergangenheit auch seine Zukunft beeinflusst. (Quelle: Verlagswebsite)


    Autorin:

    Natasha Pulley studierte in Oxford Englische Literatur. Nach Stationen im Buchhandel und bei der Cambridge University Press in den Bereichen Astronomie und Mathematik setzte sie ihre Studien in Tokyo fort. Sie erhielt ein Stipendium der Gladsone’s Library als Writer in Residence. Gegenwärtig hat sie Lehraufträge an den Universitäten von Bath und Cambridge. Ihr Debüt »The Watchmaker of Filigree Street« gewann den Betty Trask Award und wurde ein internationale Bestseller. Natasha Pulley lebt in Bristol. (Quelle: Verlagswebsite)


    Allgemeines:

    Erscheint bei Klett Cotta im September 2022.

    Gebunden mit Schutzumschlag

    544 Seiten in 4 Teilen, die sich in 52 Kapiteln gliedern. Danksagung.

    Der Roman spielt hauptsächlich auf 2 Zeitebenen: um 1900 sowie 100 Jahre früher – rund um die Schlacht von Trafalgar. Es gibt noch einige wenige Rückblenden, die noch 30 Jahre weiter zurückreichen.


    Das Original „The Kingdoms“ erschien 2021 bei Bloomsbury. Übersetzung aus dem Englischen von Jochen Schwarzer.


    Meine Meinung:

    Viele Autoren haben sich schon am Thema Zeitreisen versucht, viel ist schon darüber spekuliert worden, ob ein Zeitreisender die Zukunft beeinflussen würde. Verschwindet man, wenn man seine eigenen Urahnen tötet? Natasha Pulley hat für dieses Phänomen eine eigene und für sich schlüssige Lösung. Und sie führt uns ganz deutlich vor Augen, wie die Welt auf den Kopf gestellt wird, wenn man in der Vergangenheit rumpfuscht. Ich fand den Anfang der Geschichte total verstörend: Joe ist Leibeigener in einem französischen London, in dem Englisch sprechen verpönt, wenn nicht sogar verdächtig ist. Ich hab mir die ganze Zeit gewünscht, dass sich diese parallele Realität bitte wieder auflöst.


    Joes Geschichte ist ebenso verstörend. Er hat Gedächtnislücken und weiß weder, wer er ist, noch was ihm bisher zugestoßen ist. Epileptische Amnesie wird diagnostiziert (eine Krankheit, die es übrigens tatsächlich gibt). Man ist als Leser genauso irritiert, verunsichert und unwissend wie Joe und genau das macht den Reiz der Geschichte aus. Nach und nach nähert man sich den geradezu unglaublichen Fakten und Wahrheiten, greift nach einem Faden, zieht daran und hält doch wieder nur ein loses Ende in der Hand.


    Wir reisen von London nach Schottland (das auch in Pulleys Historie etwas anders ist, als der Rest des Königreichs :wink: ), sind auf hoher See unterwegs, erleiden Schiffbruch und werden von Franzosen und Spaniern gejagt. Das alles auf mehreren Zeitebenen, die aber jederzeit gut zu unterscheiden sind. Ganz nebenbei lernen wir Leser noch einiges über den Stand der Technik zu den beiden Jahrhundertwenden und auch über die Schlacht bei Trafalgar.


    Immer wieder habe ich mich dabei ertappt, dass ich diese alternative Entwicklung der Geschichte nicht mochte und mir gewünscht habe, dass Joe irgendetwas tun möge, das England wieder Englisch macht :) Unterhaltsam, mit Ironie, Humor und Feingefühl führt Pulley uns Leser durch ein „Was wäre wenn…?“ der Geschichte. Ihre Charaktere sind vielschichtig und sowohl liebens- als auch hassenswert. Sie beschert uns ein Wechselbad der Gefühle und findet am Ende eine ganz wunderbare Auflösung für alle Geheimnisse. Von mir gibt es :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: und eine absolute Leseempfehlung.


    Fazit:

    Ein fesselndes „Was wäre wenn“, das unsere Welt auf den Kopf stellt und eine ebenso fesselnde Geschichte um Familie, Sehnsucht und unerfüllte Liebe. Absolut lesenswert.

    Gelesen in 2024: 9 - Gehört in 2024: 6 - SUB: 626


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Über die Autorin (Amazon)

    Natasha Pulley studierte in Oxford Englische Literatur. Nach Stationen im Buchhandel und bei der Cambridge University Press in den Bereichen Astronomie und Mathematik setzte sie ihre Studien in Tokyo fort. Sie erhielt ein Stipendium der Gladsone’s Library als Writer in Residence. Gegenwärtig hat sie Lehraufträge an den Universitäten von Bath und Cambridge. Ihr Debüt »The Watchmaker of Filigree Street« gewann den Betty Trask Award und wurde ein internationale Bestseller. Natasha Pulley lebt in Bristol.


    Produktinformation (Amazon)

    ASIN ‏ : ‎ B0B4P9BV84

    Herausgeber ‏ : ‎ Klett-Cotta; 1. Edition (24. September 2022)

    Sprache ‏ : ‎ Deutsch

    Dateigröße ‏ : ‎ 5633 KB

    Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 545 Seiten


    Wieder zu durcheinander

    Joe Tournier erwacht im Jahr 1898 ohne Erinnerungen am Bahnhof Gare du Roi in Londres. England ist französisch und Joe kommt in eine psychiatrische Klinik. Als er endlich wieder in Freiheit ist, trifft eine seltsame Postkarte bei ihm ein, die ganze 90 Jahre zu ihm unterwegs war. Darauf ist ein Leuchtturm abgebildet, der sich auf eine Insel der Äußeren Hebriden befindet. Darauf steht geschrieben: Liebster Joe, komm nach Hause, wenn zu dich erinnerst. M. Und so macht sich Hoe auf ei gefährlich Reise nach schottlang, sucht den Leuchtturm und finden einen Weg in die Vergangenheit. Er gerät in die Turbulenzen der großen Schlachten zwischen England und Frankreich, die lange vor seiner Geburt entschieden wurden. Es wird klar, dass jeder Schritt in der Vergangenheit auch seine Zukunft beeinflusst.


    Meine Meinung

    Ich habe von dieser Autorin erst ein Buch gelesen, das mir nicht so sonderlich gefallen hat. Doch ich wollte ihr nochmal eine Chance geben. Auch dieses Buch war nicht ganz so leicht zu lesen, denn es gab doch viel Durcheinander. Da gibt es die Gegenwart und durch ein Tor kommt man die Vergangenheit. Und diese Erzählungen aus der Vergangenheit haben mich teilweise etwas verwirrt, da sie auch in verschiedenen Jahren passiert sind. Da liest man abwechselnd vom Jahr 1807 und landet plötzlich im nächsten Kapitel im Jahr 1805. Und so geht es hin und her. Das hat mich etwas durcheinandergebracht. Und ich musste höllisch aufpassen. Es gibt da noch mehr, was verwirrend gewesen war, doch darüber kann ich nichts schreiben ohne zu spoilern. Alles in allem hat es mir aber doch einigermaßen gut gefallen, denn spannend war es allemal. Doch es war für meinen Geschmack etwas zu viel Durcheinander. Die schnellen Umstellungen von jetzt auf nachher, gefielen mir nicht so gut. Man hätte sie etwas besser kenntlich machen können, auch wenn die Jahreszahl durchaus vor dem Kapitel stand. Aber es war mir in diesem Moment total unklar, wieso ich mich jetzt plötzlich, statt im Jahr 1807 im Jahr 1805 befand. Der Sinn erschloss sich mir erst mit der Zeit, aber trotzdem war es etwas chaotisch und ich denke, ein weiteres Buch dieser Autorin werde ich wohl nicht mehr lesen. Doch es gibt sicher Leser, denen das nichts ausmacht. Wäre auch schlecht, wenn dem nicht so wäre. Von mir keine Leseempfehlung und eben nur gute drei von fünf Sternen bzw. sechs von zehn Punkten. Für vier Sterne hat es leider doch nicht gereicht.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Liebe Grüße
    Lerchie



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    nur wer aufgibt, hat schon verloren

  • Schon in "Der Uhrmacher in der Filigree Street" hat sich die Autorin mit Unruhen und Bombenanschlägen irischer Nationialisten in England des Jahres 1883 auseinandergesetzt. Auch hier haben wir es mit einem Krieg zu tun, allerdings reisen wir sozusagen noch weiter zurück, denn es geht um die Schlacht von Trafalgar im Jahr 1805. Allerdings mit dem Gedanken, wenn diese ganz anders ausgegangen wäre.


    Das erlebt nämlich der Protagonist Joe Tournier, der im Jahr 1898 aus einem Zug in Londres aussteigt und keine Erinnerungen mehr an seine Vergangenheit hat. London bzw. Londres ist ihm eigentlich vertraut, aber alles erscheint im völlig anders. Er zweifelt an seiner Wahrnehmung, an seinem Verstand und auch an sich selbst, bis plötzlich eine Postkarte eintrifft - aus dem Jahr 1805.

    Darauf abgebildet der Leuchtturm auf Eilean Mor und mit der kurzen Nachricht: Komm nach Hause, wenn du dich erinnerst. M.


    Eilean Mor hat sofort was bei mir klingeln lassen und mich an das Buch "Die Leuchtturmwärter" von Emma Stonex denken lassen. Denn es ist genau dieser Leuchtturm, der auch in dieser Geschichte eine Rolle spielt. Denn dort sind im Jahr 1900 tatsächlich drei Wärter auf mysteriöse Weise verschwunden und auch Natasha Pulley bindet dieses Ereignis gekonnt in ihren Roman mit ein.


    Ich hatte eigentlich eine Liebesgeschichte erwartet, die war auch vorhanden, unterschwellig, zwischen den Zeilen und ja, sie spielt auch eine Rolle, aber hier geht es um viel mehr, dass ich gar nicht weiß, wie ich das alles in Worte fassen kann.


    Zeitreisen sind ja immer etwas schwierig. Sie widersprechen allem und vor allem die Konsequenzen, sollte sowas möglich sein, wirken immer paradox und einfach nicht möglich. Eine kleines Experiment mit Schildkröten zeigt hier aber interessante Möglichkeiten und diese ganze Geschichte wirkt eigentlich unglaublich, wird aber so gekonnt umgesetzt, dass sie mich total gefangen genommen hat mit einer konsequent durchdachten Logik, die mich einfach überzeugt hat. Ohne dass ich noch groß darüber nachdenken musste.


    Schon von der ersten Seite hat mich der Schreibstil in den Bann gezogen. Es wirkt auf eine leise, fast schon melancholische Art, was nicht nur auf den Charakter von Joe zurückzuführen ist, der sich hilflos fühlt in einer Zeit, in der er sich nicht dazugehörig fühlt.

    Während die Vergangenheit und die Schlacht von Trafalgar in den Fokus rückt, die Manöver auf See, der Kanonendonner, die Auswirkungen von Kriegen, die Spionage und der Wettlauf um das Wissen, das zu einem Sieg führen könnte, sind es doch vor allem auch die Charaktere, die mich hier unglaublich berührt haben.


    Krieg ist immer grausam, und damals ging es nicht darum, auf einen Knopf zu drücken, sondern man stand sich gegenüber, hörte die Schmerzensschreie, sah die Verwundeten auf gegnerischer Seite ebenso wie auf der eigenen. Kameraden, Familien, Freunde, verletzt, verbrannt, entzweigerissen - und um darin irgendwie zu überleben, musste man sich eine harte Schale zulegen. Denn Mitgefühl im falschen Moment konnte den Tod bedeuten, nicht nur den eigenen, sondern von Hunderten.

    Diese Schicksale sind schmerzlich, auch wenn oder gerade weil sie in dem Umfang zur Normalität gehören und oft nur nebenbei erwähnt werden. Die Atmosphäre der Unsicherheit, der Angst und dem verzweifelten Mut, sich immer wieder den vielen großen und kleinen Schlachten stellen zu müssen, hat die Autorin sehr lebendig und eindringlich beschrieben.


    Natashan Pulley hat hier großartige Charaktere definiert. Auch die Nebenfiguren, wie Frauen, die trotz des Verbotes einer Arbeit auf den Kriegsschiffen nachgehen, und neben typischen Männern in ihrer herrschaftlichen Rolle und von Selbstüberschätzung getragen auch solche, die zerbrechlich wirken, einsam und verurteilt zu einer Rolle, die sie nie spielen wollten.


    Ich bin kein Fan von Geschichten über Kriege, aber mich konnte die Autorin hier völlig packen und in eine Zeit reisen lassen, in der über die Zukunft entschieden wird. Das Schicksal Englands und damit all der Menschen, ihrer Vergangenheit und wie diese ihre Zukunft beeinflusst, war so gekonnt miteinander verflochten und bildhaft erzählt, dass ich nach dem Lesen das Gefühl hatte, tatsächlich aus einer anderen Zeit "aufzutauchen".


    Die Sehnsucht, nach Hause zu kommen, angekommen zu sein, da sind wir wieder bei der Liebesgeschichte, die unterschwellig mitschwingt, und die mich am Ende zu Tränen gerührt hat.


    Ein unglaublich intensives Buch über Leid und Verzweiflung, Liebe und Hoffnung, Kriege und Schlachten, Spionage und Wissen, die Auswirkungen von Zeitreisen und die vielen Menschen, die darin verzwickelt sind: fokussiert auf die fatale Begegnung zweier Menschen, deren Schicksal untrennbar miteinander verknüpft wird.


    Mein Fazit: 5 Sterne


    Weltenwanderer

  • Die Sehnsucht, nach Hause zu kommen, angekommen zu sein, da sind wir wieder bei der Liebesgeschichte, die unterschwellig mitschwingt, und die mich am Ende zu Tränen gerührt hat.

    Oh ja - mich auch.

    Gelesen in 2024: 9 - Gehört in 2024: 6 - SUB: 626


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Die Autorin Natasha Pulley, erzählt in ihrem neuen Roman „Der Leuchtturm – An der Schwelle der Zeit“, ein historisches Zeitreise-Fantasy-Abenteuer.

    Inhalt:

    »Komm nach Hause, wenn du dich erinnerst.«

    1898 erwacht Joe Tournier ohne jegliche Erinnerungen am Bahnhof Gare du Roi in Londres. Die Welt steht Kopf: England ist französisch, und Joe wird in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Nur wenig später, als er wieder in Freiheit ist, trifft eine rätselhafte Postkarte bei ihm ein, die 90 Jahre zu ihm unterwegs war.

    Auf der Postkarte ist ein Leuchtturm auf einer Insel in den Äußeren Hebriden mit dem Namen Eilean Mor abgebildet, auf der Rückseite steht ein kurzer Text: "Liebster Joe, komm nach Hause, wenn du dich erinnerst. M." Was hat es mit dem Leuchtturm auf sich und wie kann ein Mann mittleren Alters aus einer 90jährigen Vergangenheit heraus vermisst werden? Und wer ist M.? Joe macht sich schließlich auf die nicht ungefährliche Reise nach Schottland, um den Leuchtturm zu suchen und findet stattdessen einen Weg in die Vergangenheit. Unversehens gerät er in die Turbulenzen der großen Schlachten zwischen England und Frankreich, die lange vor seiner Geburt entschieden wurden. Schnell wird klar, dass jeder Schritt in die Vergangenheit auch seine Zukunft beeinflusst.

    Meine Meinung:

    Das wunderschön gestaltete Cover sowie der Klappentext und die Gestaltung des Buches haben mir ausgesprochen gut gefallen, ja mich richtig neugierig auf ein interessantes Zeitreise-Fantasy-Abenteuer, gemacht.

    Jetzt fällt es mir etwas schwer, die Geschichte zu bewerten, denn die Autorin taucht mit ihren Protagonisten von Kapitel zu Kapitel in unterschiedliche Jahrhunderte ein und baut damit von Anfang an viele Fragezeichen auf.

    Mit den vielen Details und Informationen aus gefährlicher Reise und historischem Roman, über Liebe, Abwege und Suche nach dem Sinn des eigenen Lebens, verliert sich die eigentliche Handlung.

    Über Joe, der recht sympathisch daher kommt, wird einfach viel zu wenig erzählt. Auch über die tatsächliche Suche nach dem Leuchtturm, wird in der Handlung nicht richtig eingegangen. Erst zum Ende hin, nimmt die Geschichte zwar noch einmal Fahrt auf, lässt mich aber trotzdem mit Fragen zurück.

    Fazit:

    Mit einem flüssigeren Schreibstil und einer besseren sowie spannenderen Umsetzung bzw. Verknüpfung der einzelnen Kapitel, hätte für mich die Geschichte viel mehr Potential gehabt. Den Charakteren fehlte die nötige Tiefe sowie Lebendigkeit und ließen die Handlungen für mich oftmals undurchschaubar wirken. Als ein Zeitreise-Fantasy-Abenteuer wurde diese Geschichte meinen Erwartungen nicht ganz gerecht und konnte mich nicht wirklich überzeugen.

    Von mir 3 von 5 Sternen!

  • Inhalt

    Im London von 1898, zur Zeit der Droschken, Dampfloks und Großsegler, findet sich Joe Tournier mit einer Gedächtnislücke wieder, die als Form von Epilepsie diagnostiziert wird. England scheint französisch besetzt zu sein und Joe muss einfach glauben, dass er Leibeigener eines Monsieur Saint Marie wäre, der ihn nach Joes Untersuchung in mehreren Kliniken zurück beansprucht. Angeblich ist der Patient verheiratet mit Alice und hat einen dunkelhäutigen Bruder, Toby. Da diese Art Gedächtnislücke häufig auftaucht, wenden die Beteiligten sich wieder ihrem Alltag zu, in dem man genug damit zu tun hat, nicht als schottischer Separatist verdächtigt zu werden.


    Eine Postkarte des Leuchtturms auf Eilean Mór/Hebriden von 1805 wird zum Auslöser von Joes Karriere als Leuchtturm-Mechaniker und führt ihn schließlich durch ein Portal an diesem Leuchtturm in die Epoche vor der Schlacht von Trafalgar (1805). Zeitreisen stelle ich mir stets als Zeitfalte vor und fantasiere mit Vergnügen darüber, was aus den Menschen wird – und hier, was mit der Ausrüstung, den Schiffen und Besatzungen passieren wird. Joe Tourniers Zeitreise findet geografisch und zeitlich nicht nur zwischen zwei Ebenen (1891 und 1797) statt, sondern außer u. a. London, Edinburgh, Eilean Mór, Cadiz und mehreren Windjammern als Schauplatz legen die Schiffe Strecken auf See zurück, Joe reist mit der Eisenbahn und an jedem Ort schreitet natürlich die lokale Zeit voran. Als wäre das nicht herausfordernd genug, wechseln die Personen mit dem Ortswechsel auch ihre Namen. Ob Joe auf seinen Reisen das Wissen seines Handwerks ins 18. Jahrhundert transferieren und die Geschichte daraufhin einen anderen Verlauf nehmen wird, diese Frage liegt natürlich nahe.


    Angenehm überrascht war ich davon, dass Natasha Pulley für ihre Figuren außer einem denkbaren alternativen Geschichtsverlauf auch alternative Lebensentwürfe und Rollenbilder entwickelt. So können Frauen z. B. an Bord der Schiffe den Rang ihrer im Krieg gefallenen Männer übernehmen und bekommen deren Sold weiter ausgezahlt, anstatt als verarmte Witwen existieren zu müssen. Männern wird trotz des Kriegszustands offenbar Emotionalität und das Leiden an Kriegstraumata zugestanden. Für die Epoche scheint mir das Heraustreten aus vorgeschriebenen Rollen revolutionärer als Joes technische Kenntnisse – und dazu hochaktuell, da wir im 21. Jahrhundert gerade erleben, welch revolutionäre Folgen auch nur die geringste Veränderung von Rollenbildern zeigen kann.


    Wer Pulleys „Der Uhrmacher in der Filigree Street“ kennt, ahnt, dass auf ihre Leser*innen auch hier wieder eine rätselhafte Handlung wartet, die zunächst mehr Fragen offenlässt als Antworten zu bieten.


    Der Test, ob sie reif für "den Leuchtturm" sind

    • ( ) Ich glaube unbesehen, dass an der schottischen Nordwestküste Schiffe mit Mann und Maus verschwinden können.
    • ( ) Ich interessiere mich für die authentische Geschichte der verschwundenen Leuchtturmwärter von Eilean Mór (1900).
    • ( ) Ich mochte Emma Stonex Roman, in dem sie das Leuchtturmwärter-Rätsel an die Küste von Cornwall verlegt.
    • ( ) Ich lese gern Romane, die an Bord von Großseglern spielen.
    • ( ) Ich mag Zeitreisen.
    • ( ) Ich ertrage Alternativen zum traditionellen dualen Rollenmodell.
    • ( ) Ich muss nicht sofort Antworten auf alle Fragen erhalten.
    • ( ) Ich lasse mich beim Lesen gern überraschen.
      ….

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Toibin - Long Island

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • 3 von 5 Sternen

    Tolle Geschichte mit einer teils schwachen Umsetzung...

    Joe steht eines Tages an einem Bahnhof und kann sich an nichts mehr erinnern. Wochen danach bekommt er eine Postkarte mit einem Leuchtturm drauf auf welcher interessante Worte stehen. 2 Jahre danach bekommt er die Chance den Leuchtturm zu besuchen und er ergreift sie.


    Ich bin mir sehr unsicher wie ich dieses Buch bewerten soll. Einerseits ist die Geschichte spannend und man kann sich gut die Zeit in der die Geschichte spielt eindenken anderseits gibt es auch mehrere Punkte, die mir das Lesen nicht gerade erleichtern. Die Geschichte läuft z. B. eigentlich nur so vor sich hin und Joe muss eigentlich gar nichts machen um die Geschichte zu beeinflussen. Außerdem weiß man bis zu ungefähr 2/3 des Buches eigentlich gar nichts über die Schwelle der Zeit. Natürlich erfährt man in dem Buch einige wichtige Infos, aber diese sind meistens nur zu den Charakteren und nicht z. B. zur Schwelle der Zeit.


    Die Charaktere waren sehr vielfältig und Joe, Agatha und teils auch Kite waren auch sympathisch. Joe hatte für mich zu wenig Durchsetzungsvermögen. Er hat oft von Ausbrechen etc. geredet, aber dabei einfach jeden Befehl befolgt ohne irgendwas dagegen zu tun. Das war ein wenig schade!


    Das Cover ist eigentlich ganz schön.


    Fazit: Eine tolle Idee, der es aber an vielen Stellen an einer guten Umsetzung gefehlt hat.

  • Zeitreisen


    Das Buch hatte mich durch den Titel, das Cover und das Thema Zeitreisen direkt angesprochen. Auch der Schreibstil und das Setting empfinde ich als sehr angenehm. Die Grundidee, dass in der Nähe eines Leuchtturms sich ein Zeitportal befindet, das einen Übergang schafft in eine Zeit im Abstand von 100 Jahren, empfinde ich als stimmig und gut gewählt. Ein Leuchtturm an sich hat für mich das Potential für etwas übernatürliches.


    Die Geschichte wird durch einen allwissenden Erzähler vorgetragen. Hiervon profitiert der Leser jedoch kaum, da er an vielen Stellen im Unklaren gelassen wird. Zudem weist die Geschichte Logiklücken auf, die teilweise nicht weiter kommentiert oder aufgeklärt werden. Ich möchte hier nicht spoilern, deshalb nur so viel: Die Schildkröten- Aktion konnte ich mir nicht plausibel machen.


    Dieses Mysteriöse und die Hauptperson Joe mit Gedächtnisschwund und Halluzinationen nahm insbesondere im ersten Abschnitt für meinen Geschmack deutlich zu viel Raum ein. Hier hätte ich das Buch- obwohl ich die Erzählweise und den Schreibstil als sehr angenehm empfunden habe- fast abgebrochen. Durch diesen gewählten Schwerpunkt kam ich schlechter in die Geschichte hinein und war auch oft eher genervt. Die Autorin konnte hier leider ihr Potential nicht voll ausschöpfen. Die Umsetzung der Idee war für mich leider nicht ganz stimmig (auch nicht unter Berücksichtigung der Logik der Geschichte) und auch die Auflösung konnte mich am Ende nicht ganz überzeugen.


    Ich habe das Gefühl, dass hier etwas Mystisches und Unheimliches einfach dadurch geschaffen werden sollte, dass der Leser schlicht im Unklaren gelassen wird. Weshalb die Figuren aus der Logik der Geschichte heraus jedoch so verschwiegen gegenüber Joe waren, erschließt sich mir leider nicht in Gänze.


    Auf Grund des herausragenden Schreibstils und der Hauptfiguren, die mir trotz der geschilderten Widrigkeiten ans Herz gewachsen sind, gebe ich eine eingeschränkte Leseempfehlung und 3 Sterne.

  • Ein Mann erlangt sein Bewusstsein wieder, er weiß weder, wer er ist, noch, wo er ist – so weit, so gut, das kennt man. Dann wird das Buch von Natasha Pulley zum Erlebnis einer völlig neuen Art Roman, die so derzeit noch einzigartig ist. Nicht nur, dass der Protagonist Joe Tournier sich an nichts mehr erinnern kann, er gelangt darüber hinaus in eine Welt, die ihm einerseits völlig fremd, aber auch seltsam vertraut ist. Ein London, in dem die Franzosen herrschen, in dem die Briten eine Art Unterklasse bilden und gesellschaftlich in Gebaren und Sprache verpönt sind. Eine Welt, in der unsere Hauptfigur sich mit einer Postkarte in ihrer Tasche wiederfindet, die ein Hinweis zu sein scheint auf ein verlorenes Leben. Ein Leuchtturm im äußersten Westen Schottlands! Warum? Was hat der Satz zu bedeuten: Komm wieder, wenn du dich erinnerst? Wer ist M.?


    Um dieses Rätsel zu lösen und die Suche nach sich selbst zu beginnen, muss sich unsere Hauptfigur in dieser Gesellschaft einen Platz erarbeiten, gegen Widerstände und Misstrauen der Besatzer. Um den Auftrag zu erhalten, den Leuchtturm zu warten. Was als beschwerliche Zugreise in das wilde Schottland und die unendlichen Wasser des Atlantik beginnt, wird schnell zu einer Reise ohne Wiederkehr. Joe wechselt die Zeit und gelangt in die Vergangenheit, in der noch nichts so ist, wie es dort ist, wo er herkam. In welche Zeit gehört Joe nun? Welche Zeit ist die richtige? All diese Fragen harren einer Antwort, die ihm niemand zu geben vermag. Oder doch? Joe lernt Geschwister kennen, eine freundliche Schwester und einen undurchsichtigen Bruder, zu dem er sich unweigerlich hingezogen fühlt. Joe kann sich trotz der Widrigkeiten des Eintritts in diese Welt nicht des Eindrucks erwehren, dass er hier fehl am Platze ist und seine Anwesenheit zu einer Katastrophe unermesslichen Leids und Ausmaßes führen kann. Denn Joe kennt die Zukunft. Er will instinktiv nicht, dass die Zukunft eintritt, weiß jedoch auch, dass jede Änderung, und sei sie noch so klein, zu einer Veränderung gerade dieser Zukunft führen wird. Fieberhaft überlegt unsere Hauptfigur, wie sie einerseits in dieser Welt voller Krieg und Leid überleben kann, andererseits jedoch nicht wider ihre Überzeugungen handelt. Mittels seiner technischen Fähigkeiten könnte er bahnbrechende Entwicklungen in Technik und Kriegsführung befeuern, die England zu einem Sieg über die drohende französische Invasion verhelfen könnte. Aber wenn er dies tut, gibt es dann überhaupt noch eine Zukunft, wie er sie kennt und deren Verbindungen er nicht aufgeben möchte?


    Was am Leuchtturm begann, endet am Leuchtturm. Die Schwelle, die unsere Hauptfigur hierbei übertreten muss, ist nicht nur diejenige der Zeit, sondern auch die seines Selbst, seiner Überzeugungen und seiner Menschlichkeit.


    Dieser Roman hat mich etwas ratlos zurückgelassen. Die Autorin schreibt sehr atmosphärisch und dicht, sie beschreibt die Figuren genau und teils drastisch. So lernt der Leser die Hauptpersonen in ihrer Verhaltensweise, aber auch in ihrer Gefühlswelt kennen. Das erleichtert das Verständnis der Geschichte, denn das Setting an sich ist keine klassische Zeitreise, wie man sie aus unzähligen Romanen kennt. Nein, es ist eher ein „Was wäre, wenn“- Roman, der die europäische Geschichte völlig neu erzählt und ins Gegenteil verkehrt, genau das annimmt, was sich über Jahrhunderte hinweg Monarchen, Strategen, Größenwahnsinnige und Politiker vorgestellt und erträumt haben, nämlich das die Macht Frankreichs nicht am Ärmelkanal endet, sondern das britische Weltreich, das auf einer vorgelagerten Insel des europäischen Festlands seinen Ursprung fand, unterwerfen konnte. Das Glimmen in den Augen solcher Theoretiker wird aus der Hand von Natasha Pulley doppelt Wirklichkeit, faszinierend und erschreckend zugleich. Die einstige Größe Frankreichs nicht mit Napoleon Bonaparte enden zu lassen, sondern in weitaus größerem Maßstab fortzuschreiben, die französische Kultur und Sprache als besatzend zu empfinden, macht nachdenklich, denn die Parallelen zur vorherrschenden Anglifizierung der Welt sind nicht weit.


    Selbstverständlich haben immer die Sieger die Bedingungen des Friedens diktiert, aber eine derartige Umstrukturierung und Unterdrückung sämtlicher bestehender und bekannter Anhaltspunkte einer gesamten Kultur wie der britischen kommt dem Leser unweigerlich seltsam aktuell vor. Dennoch mutet der Roman nicht vordergründig politisch an, sondern vielmehr als hypothetischer Geschichtsabriss, sehr authentisch und spannend. Trotz einer gewissen Abneigung gegen die Darstellung der französischen Rolle fühlt sich das Buch stimmig an, was vornehmlich an den Figuren liegt, ohne deren Darstellung die Autorin diese Geschichte nicht hätte erzählen können. Diese Entwicklungen aus den Augen der Personen zu erfahren, die beide Welten gesehen haben, lässt den Leser tief eintauchen und am Ende mit der Frage zurückbleiben: „Ja, was wäre, wenn …?“


    Fazit:


    Ein Zeitreiseroman der besonderen Art – mit dem Leuchtturm als Sinnbild der Erkenntnis der eigenen Rolle in der Welt.


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    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • Habe den Roman gerade beendet. Mir gefällt er sehr gut. Es ist eine Zeitreise, die die Aufmerksamkeit des Lesers erfordert, die aber in sich sehr gut und logisch aufgebaut ist, auch wenn der Leser erst sehr spät alle Zusammenhänge überblickt, überblicken kann. Aber das macht die Geschichte sehr spannend.

    Ich möchte hier nicht spoilern, deshalb nur so viel: Die Schildkröten- Aktion konnte ich mir nicht plausibel machen.

    Gerade diese Szene ist für mich ein Schlüssel und eine große Hilfe gewesen, um mich innerhalb des Romans orientieren zu können.

  • Inhalt:


    »Komm nach Hause, wenn du dich erinnerst.«1898 erwacht Joe Tournier ohne jegliche Erinnerungen am Bahnhof Gare du Roi in Londres. Die Welt steht Kopf: England ist französisch, und Joe wird in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Nur wenig später, als er wieder in Freiheit ist, trifft eine rätselhafte Postkarte bei ihm ein, die 90 Jahre zu ihm unterwegs war.Auf der Postkarte ist ein Leuchtturm auf einer Insel in den Äußeren Hebriden mit dem Namen Eilean Mor abgebildet, auf der Rückseite steht ein kurzer Text: »Liebster Joe, komm nach Hause, wenn du dich erinnerst. M.« Was hat es mit dem Leuchtturm auf sich und wie kann ein Mann mittleren Alters aus einer 90jährigen Vergangenheit heraus vermisst werden? Und wer ist M.? Joe macht sich schließlich auf die nicht ungefährliche Reise nach Schottland, um den Leuchtturm zu suchen und findet stattdessen einen Weg in die Vergangenheit. Unversehens gerät er in die Turbulenzen der großen Schlachten zwischen England und Frankreich, die lange vor seiner Geburt entschieden wurden. Schnell wird klar, dass jeder Schritt in die Vergangenheit auch seine Zukunft beeinflusst. »Halten Sie sich das Wochenende frei und lassen Sie sich entführen.« New York Times (Klappentext)



    Meine Meinung:


    Ein unterhaltsamer Zeitreiseroman. Die Geschichte beginnt am Bahnhof Gare du Roi in London. Als Leser ist man zunächst genauso orientierungslos wie der Hauptprotagonist Joe Tournier, der hier aus dem Zug steigt, und feststellt, dass er keinerlei Erinnerung an sein voriges Leben hat. Zunächst wird Joe von einem hilfsbereiten Unbekannten zu einem Krankenhaus begleitet, wo bei ihm epileptische Amnesie diagnostiziert wird, einer hier weit verbreiteten Krankheit, auch wenn es die meisten nicht so hart zu treffen scheint wie Joe. Schließlich erreicht Joe eine Karte, die ihn auffordert zu nach Hause zu kommen, wenn er sich erinnert. Das besondere an der Karte- sie wurde bereits vor fast 100 Jahren abgeschickt. Also begibt sich Joe auf die Reise zu besagtem Leuchtturm. Von hier startet eine Reise durch verschieden Zeitebenen, die für mich immer klar zuzuordnen waren. Im Zweifel stehen die entsprechenden Jahreszeiten auch in der Kapitelüberschrift, die ich jedoch notorisch überlese, aber auch ohne diese Informationen konnte ich mich in der Regel gut orientieren.


    Während man der Geschichte über die verschiedenen Zeitebenen folgt erfährt man dabei auch einiges über die jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten dieser Zeit, die nicht immer den tatsächlichen historischen Gegebenheiten entsprechen, wie man bereits am Anfang des Buches feststellt. Denn in London tragen sämtliche Bahnhöfe französische Namen und es wird französisch gesprochen. Dabei ist es spannend die weiteren Entwicklungen im Laufe der Geschichte zu verfolgen.


    Mir fällt es schwer über den Inhalt des Buches zu schreiben, ohne zu viel zu spoilern. Von daher schließe ich damit, dass sich das Buch sehr gut und flüssig lesen lässt. Etwa ab der Hälfte des Buches konnte ich es praktisch nicht mehr aus der Hand legen, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es weiter geht. Dabei hat es auch nicht geschadet, dass ich irgendwann eine grobe Ahnung hatte, wer „M“ ist und wie die Geschichte ausgehen könnte, denn sicher war ich mir absolut nicht und dazu kamen noch einige überraschende Wendungen mit denen ich nicht gerechnet hätte.



    Von mir gibt es :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: Sterne