Alexa Hennig von Lange - Die karierten Mädchen

  • Wes Brot ich ess...

    Die karierten Mädchen, historischer Roman von Alexa Hennig von Lange, EBook erschienen im Dumont-Verlag. Erster Teil einer Trilogie.


    Ein Roman über eine Frau, die sich aus der Geschichte raushalten will – und sich doch in ihr verstrickt.


    Die Autorin hat so viel wie möglich in den Roman einfließen lassen, von dem was ihre Großmutter auf über 130 Tonkassetten über ihre Vergangenheit geschildert hat, Lücken die entstanden sind und Dinge die nicht erwähnt wurden, hat sie durch gründliche Recherchearbeit ergänzt.
    Klara ist 91 Jahre alt und blind. Als sie Urgroßmutter wird, entschließt sie sich, die Geschichte ihres wahren Lebens, ihren Nachkommen als Tondokument zu hinterlassen. Es beginnt, als die junge Klara, als Hauswirtschaftslehrerin in einem Kinderheim in Oranienbaum eine Anstellung findet, als dort die einjährige Tolla, jüdischer Herkunft abgegeben wir nimmt sie die Kleine in ihre Obhut. Durch die Wirtschaftskrise spitzt sich die finanzielle Lage des Heimes immer mehr zu, als einzigen Ausweg sucht sie die Nähe der nationalsozialistischen Machthaber, doch bald merkt sie, worauf sie sich eingelassen hat. Es soll daraus eine Bildungsstätte im Sinne des nationalsozialistischen Denkens werden. Sie gibt das kleine Mädchen als ihre Tochter aus und begibt sich somit in große Gefahr.


    Das Buch besteht aus 31 Kapitel, es überzeugt durch seinen flüssige und bildhaften Erzählstil, innerhalb kürzester Zeit hatte ich das Werk ausgelesen, zum einen weil ich wissen wollte wie die Geschichte von Tolla und Klara weitergeht, das war schon ein sehr mitreißender Plot. Zum anderen ist es ein Vergnügen durch die Seiten zu fliegen, weil mir das Lesen so leichtfiel. Das Besondere am Buch waren die toll geschilderten Landschafts- und Ortsbeschreibungen, es war ein Genuss, die Protagonistin in Dessau, am Bahnhof, beim elterlichen Anwesen und in den Heimen zu begleiten. Die blühenden Wälder und Wiesen, prächtig gebundene Blumensträuße, der dunkle Wald, die karierten Dirndlkleider sind direkt vor meinem inneren Auge bei der Lektüre entstanden. Die Autorin erzählt in zwei verschiedenen Zeitebenen. In der Gegenwart der 91jährigen Protagonistin und wie sie alleine wohnend, blind ihren Alltag meistert und zum anderen die Rückblicke in ihre Jugendzeit, der Übergang der beiden Zeitebenen ist mit den Tonaufzeichnungen begründet und hat sich gut gefügt. Briefe und Liedtexte, Gedichte etc. erscheinen kursiv, sind also deutlich gekennzeichnet.


    Die Personen sind so echt geschildert, dass man meint sie schon lange zu kennen. Meine Lieblingsfigur Täve, der „kleine Lehrer“ – Ehemann der Protagonistin und ein Fels in der Brandung. Auch die Kolleginnen und Schülerinnen in den Heimen, besonders Susanne, die kleine Tolla, die Familie Klaras habe ich liebgewonnen und wollte sie gar nicht gehen lassen. Die Parteimenschen, Regierungsbeamten etc. sind trotz ihres Charakters gut beschrieben. Alle handeln authentisch.
    Insgesamt ein sehr gelungener Einstiegsband in die Trilogie, die ich sicher weiter lesen werde. Besonders neugierig bin ich natürlich darauf das Schicksal Tollas zu erfahren.
    Klara ist eine überaus interessante Person, so liebevoll wie sie mit der kleinen Tolla und ihren Schülern umging, war sie wohl in ihrem späteren Leben nicht mehr, die Zerissenheit ist immer noch deutlich zu spüren. Zum einen die Verpflichtung zu ihrem jüdischen Stiefkind und ihre Verachtung des nationalsozialistischen Gedankenguts. Zum anderen ihr Beruf und die damit einhergehende Akzeptanz dieser braunen Schergen, sie selbst ein Werkzeug davon. Irgendwie hatte ich unterschwellig das Gefühl, dass sie ihre leiblichen Kinder und Enkel mit Strenge erzogen, bzw. behandelt hat. Einzig ihre Liebe zu ihrem Mann war stets unerschütterlich, wie sehr sie ihn geliebt und verehrt hat, ist auch 20 Jahre nach seinem Tod noch spürbar.


    Von mir eine deutliche Leseempfehlung und 5 Sterne. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study::musik::montag:


    Und wenn mir alle Königskronen für meine Bücher und meine Freude am Lesen angeboten wären: Ich würde sie ausschlagen.
    François Fénelon

  • ele

    Hat den Titel des Themas von „Alexa Hennig von Lange - Die kartierten Mädchen“ zu „Alexa Hennig von Lange - Die karierten Mädchen“ geändert.
  • Vergangenheitsbewältigung und ein Stück Zeitgeschichte


    Was macht ein betagter Mensch, der immer wieder von seiner Vergangenheit eingeholt und nicht in Ruhe gelassen wird? Er verschafft sich Luft, indem er Erlebtes in Worte fasst, diese auf Tonbandkassetten festhält und damit gleichzeitig ein Stück Zeitgeschichte an die Nachwelt weitergibt.
    So jedenfalls macht es die über 90-jährige Klara, die während des Nationalsozialismus Leiterin eines Kinderheims in Oranienbaum wird und mit gesellschaftlichen sowie politischen Entwicklungen, absonderlichem Gedankengut und deren unmittelbaren Folgen hautnah in Berührung kommt, zumal sie die Betreuung eines jüdischen Mädchens übernommen hat.


    „Die karierten Mädchen“ von Alexa Hennig von Lange erzählt Klara’s Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht und sich absolut authentisch darstellt. Der Leser lernt eine starke Frau kennen, nimmt an ihrem Leben und Schicksal teil, fiebert mit und wird noch dazu in ein leider schreckliches Kapitel deutscher Vergangenheit zurückversetzt. Die Autorin hat es mit ihrem einfachen, dennoch bildhaften und eindrücklichen Schreib- und Erzählstil sowie einer überaus sympathischen Hauptfigur geschafft, mich ein- und gefangenzunehmen. Ich bin eingetaucht, habe mitgelitten und mich an keiner Stelle gelangweilt gefühlt.


    Der erste Teil der Trilogie wirkt bei mir noch immer nach und lässt auf die Fortsetzungen hoffen. Ihn zu lesen, lohnt sich in meinen Augen wirklich.
    Hut ab für ein gelungenes Buch gegen das Vergessen.

  • tolle Thematik

    " Die Karierten Mädchen " von Alexa Henning von Lange, war ein Buch ganz nach meinem Geschmack, weil es mich sehr zum Nachdenken gebracht hat.


    Klara, mitlerweile neunzig, beginnt ihre Vergangeheit auf Kasette aufzunehmen, um ihren Enkeln und Urenkeln einen Einblick in ihr früheres Leben zu geben. UNd was war das für ein Leben ? Als junge Frau, Anfang der dreißiger Jahre, übernimmt Klara die Leitung eines Kinderheims. Eines Tages wird dort ein Säugling abgegben, Tolla, mit der sich Klara gleich verbunden fühlt. Tolla ist Jüdin und zu diesen Zeiten natürlich besonders gefährdet.Als sich die finanzielle Lage des Heimes verschlechtert, ist Klara gezwungen, mit der nationalsozialistischen Regierung zu kooperieren, was sie natürlich in eine gefährliche Lage bringt, zumal sie Tolla als ihre Tochter ausgibt.Auch wird von ihr eine Pädagogik verlangt, hinter der sie nicht steht.


    Ich fand dieses Buch toll, vor allem auch deshalb, weil es mich zum Nachdenken angeregt hat. Ich habe mich immer wieder gefragt, wie hätte ich reagiert. Hätte ich die Courage gehabt zu meiner Gesinnung zu stehen und wäre das klug gewesen ? Hätte ich damit nicht nur Tolla und mich, sondern auch alle Bewohner des Heimes in Gefahr gebracht? Ist man ein Verräter, wenn man gegen seine Einstellung agiert ?


    Sehr berührend wird diese Geschichte beschrieben und ich habe mich keine Minute gelangweilt bei diesem Buch. Klara Leseempfehlung.

  • Ungereimtheiten

    Nach einer Leseprobe hatte ich mich auf das Buch sehr gefreut, denn ich habe bereits andere Bücher der Autorin gelesen, die mir sehr gefallen haben, insbesondere 'Kampfsterne' und 'Die Weihnachtsgeschwister', in denen die Autorin sehr realistisch das menschliche Miteinander, Freundschaften, soziale Abgründe und Disharmonien beschreibt. Meine Erwartungshaltung ging in diese Richtung, aber da wurde ich leider enttäuscht.

    Klara, 91 Jahre alt, beginnt Kassetten zu besprechen, um ihre Vergangenheit noch einmal lebendig werden zu lassen, denn als Leiterin eines Kinderheims kommt sie als junge Frau in den 30er Jahren nicht umhin, mit den Nationalsozialisten zu kooperieren, denn die wirtschaftliche Situation ist alles andere als gut. In diesem Heim wird eines Tages das jüdische Mädchen Tolla abgegeben, zu dem sich Klara sehr hingezogen fühlt, da es allein vom Erscheinungsbild her ihre Tochter sein könnte. Außerdem hat sie Mitleid mit dem Kind und möchte es vor dem Waisenhaus bewahren. Als die Situation immer schwieriger wird, gibt sie Trolla als ihr eigenes Kind aus und verbrennt seinen Geburtsschein. Nahezu zeitgleich plant sie mit den Nationalsozialisten die Umstrukturierung des Kinderheims zu einer Ausbildungsstätte für junge Frauen in der politisch gewünschten Ausrichtung.....

    Sehr gefallen hat mir der Schreibstil der Autorin, der keine Langeweile aufkommen lässt, auch in den Passagen, in denen nicht wirklich viel passiert. Das Buch ist abwechslungsreich geschrieben, in ständigem Perspektivwechsel zwischen der jungen Lehrerin Klara und der alten Klara, die ihre Memoiren auf Band spricht.

    Von Beginn an wird die junge Klara als nahezu perfekt geschildert. Sie ist eine vortreffliche Lehrerin, versorgt ihren Bruder postalisch mit vorgefertigten Hausaufgaben, unterstützt ihre Eltern finanziell, ist literarisch gebildet, bei allen beliebt usw. Auch möchte sie ihre Schülerinnen zu selbstständigen jungen Frauen erziehen, die sich beruflich bilden und sich nicht von einem Mann abhängig machen. Das hört sich gut an, und auf den ersten Blick scheint Klara auch diesem Ideal entsprechend zu leben. Leider passt dazu aber überhaupt nicht ihr absolutes Desinteresse an der Politik, was dann auch dazu führt, dass sie die Gefahren der Nazi-Diktatur nicht erkennt bzw. nicht erkennen will. Sie sieht nur die finanziellen Vorteile und man fragt sich, ob sie wirklich so blind ist, die Realität nicht zu erkennen. Das bildet einen großen Widerspruch zu ihrer sonstigen Haltung und erscheint mir nicht nachvollziehbar. Der zunächst vielseitige Charakter der Klara verwandelt sich damit zu einer immensen Oberflächlichkeit. Schade....!

    Ich hatte damit gerechnet, dass die alte Klara auf diesen Widerspruch eingeht, aber auch hier war nur Stillschweigen.

    Auch andere Unstimmigkeiten werden für mich nicht gelöst. Ist es wirklich möglich, dass die alte Heimleiterin das neue Baby im Heim nicht bemerkt oder ihr diese Nachricht zugetragen wird? Selbst wenn sie krank ist, erscheint mir dies unwahrscheinlich. Und wird Tolla nicht im Amt als Waisenkind geführt? Da muss es doch noch irgendwelche Dokumente geben....

    Ich hoffe, dass die folgenden zwei Bände dieser Trilogie etwas mehr Tiefgang bieten und Ungereimtheiten ausgeklammert werden.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Die karierten Mädchen ist der erste Band einer Triologie von Alexa Henning.



    Im Buch wird die Geschichte aus der Sicht von Klara erzählt, die im Alter von 92 beschließt ihre Erinnerungen aus ihrer Vergangenheit auf Tonbandkassetten aufzunehmen.

    Beginnend im Jahre 1929 nimmt Klara eine Arbeitsstelle als Hauswirtschaftslehrerin in einer Kinder-Lungenheilanstalt auf.

    Als die Leiterin der Heilanstalt verstirbt und dem Haus die Schließung droht übernimmt Klara deren Job und versucht alles um das Heim aufrecht erhalten zu können.

    Die damals an die Macht kommenden Nationalsoziallisten bieten Klara finanzielle Unterstützung an wenn sie das Heim als Bildungsstätte für junge Frauen unter der nationalsozialistischen Ideologie führt - jedoch befindet sich im Heim ein jüdisches Mädchen.



    Die Autorin wurde von ihrer eigenen Großmutter und deren Erlebnisse und Erinnerungen inspiriert diesen Roman zu schreiben.

    Besonders gut gefallen hat mir, dass Frau Hennig darauf eingeht in welch schwierigen Lage sich die Menschen nach der Machtübernahme der NSDAP befunden haben, wenn sie dieser Ideologie nicht folgen wollten. Das Buch zeigt auf wie schnell man sich selbst in Gefahr gebracht hat um andere zu schützen.

    Die Protagonistin steht in ihrer Position ständig in einem inneren Konflikt zwischen Moral, Gewissen und aber der Notwendigkeit selbst zu überleben.



    Ich bin gespannt auf die weiteren 2 Bände, die ich auf jeden Fall lesen möchte.

  • Die blinde, über neunzigjährige Klara findet, dass es an der Zeit ist, ihre Geschichte zu erzählen. Dafür nutzt sie Tonbandkassetten, denen sie ihre Geheimnisse anvertraut. Wie wird es die Familie aufnehmen, wenn sie erfährt, was Klara in der Vergangenheit gemacht hat?


    Zur Zeit der Weltwirtschaftskrise ist Klara froh, dass sie eine Stelle in dem Kinderheim in Oranienbaum bekommt. Dann soll die einjährige Tolla für kurze Zeit aufgenommen werden. Klara kümmert sich um das Mädchen, das aber nicht mehr abgeholt wird. Die wirtschaftliche Situation macht natürlich auch vor dem Kinderheim nicht halt und Klara, die inzwischen die Leitung hat, versucht alles, um das Heim zu retten. Dafür setzt sie auf die neuen Machthaber und erkennt zu spät, auf wen sie sich das eingelassen hat. Damit gerät auch Tolla in Gefahr, da sie jüdisch ist. Klara versucht Tolla als ihr Kind auszugeben.


    Dies ist der erste Band der Trilogie, in der die Autorin Alexa Hennig von Lange die Erinnerungen ihrer Großmutter verarbeitet. Es ist eine berührende Geschichte, die auf zwei Zeitebenen spielt. Das Buch liest sich gut und flüssig, hat mich aber nicht ganz überzeugt.


    Mit Klara konnte ich mich nicht wirklich identifizieren. Sie wirkt auf mich oft etwas naiv. Die Zeiten sind schwierig und sie versucht zu helfen. Dabei weiß sie, dass sie sich auf ein gefährliches Terrain begibt, verdrängt das aber trotz ihrer Ängste. Sie versucht zwar, das jüdische Mädchen zu retten, aber das doch eher aus Zuneigung als aus Widerstand gegen das Regime. Für mich ist sie eine Mitläuferin, wie es damals so viele gegeben hat. Damit will ich sie nicht verurteilen, weil ich nicht weiß, wie ich selbst mich verhalten hätte.


    Auch wenn sich meine Begeisterung in Grenzen hält, so würde ich doch gerne wissen, wie es weitergeht.