Bedrich Fritta - Für Tommy zum dritten Geburtstag in Theresienstadt

  • Klappentext:


    Bedrich Fritta war während seiner Inhaftierung im Ghetto Theresienstadt mit der Leitung des Zeichensaales der Technischen Kanzlei betraut, die u. a. Propagandamaterial zu erstellen hatte, um die Öffentlichkeit über die Realität im Lager zu täuschen. Mehreren Zeichnern um Fritta gelang es, unzählige illegale Werke über die wirklichen Zustände anzufertigen und hinauszuschmuggeln, was schließlich zu Verhaftung, Verhör und Deportation führte. Fritta schaffte es jedoch im letzten Moment, einige seiner Zeichnungen zu verstecken – darunter ein Buch, das er seinem Sohn Tommy zum dritten Geburtstag gemalt hatte. Fritta wurde 1944 in Auschwitz-Birkenau getötet. 1945 konnten seine Werke von seinem Freund und Kollegen Leo Haas geborgen werden, der auch Frittas Sohn Tommy adoptierte.


    Dieses Buch ist ein „Buch des Lebens“. Es ist ein unglaubliches Dokument, ein zutiefst anrührendes Zeugnis der Liebe eines Vaters zu seinem Kind. Es hat aber auch ein unerhörtes Schicksal. Das Buch ist für den heute 74-jährigen Tommy sein Leben lang alles, was ihm von seinen Eltern geblieben ist. Das Buch und seine Geschichte vermag Kindern wie Erwachsenen – wie nur wenige andere Zeugnisse – vor Augen zu führen, was Theresienstadt, was der Holocaust für die Opfer damals bedeutete und wie er ein Leben lang nachwirkt.


    Mein Lese-Eindruck:


    Dieses Buch entfaltet seine Wirkung hauptsächlich über seinen Entstehungskontext.


    Fritta – eigentlich Fritz Taussig – wurde in Paris ausgebildet und arbeitete als Karikaturist an der Prager Auslandsausgabe des Simplicissimus. Zusammen mit seiner Frau und dem noch nicht einjährigen Sohn Tommy wurde er 1941 in Theresienstadt interniert, wo er die Zeichenstube leitete. Das Ghetto Theresienstadt erfüllte für die Nationalsozialisten eine wichtige Propaganda-Funktion, vor allem im Hinblick auf den Besuch des Internationalen Roten Kreuzes 1941, und der Zeichenstube bzw. der Kunst kam eine besondere Rolle zu. Ralph Giordano sagte später, dass Theresienstadt der einzige Ort in Europa gewesen sein, „wo sich geistige Kraft gegen Gewalt behaupten konnte“.


    Damit war Fritta privilegiert und durfte, im Unterschied zu den anderen Bewohnern, mit seiner Familie zusammenwohnen. Er war auch insofern privilegiert, als er Papier und Zeichenmaterial aus der Werkstatt heimlich mitgehen lassen konnte, und auf diese Weise entstanden düstere schwarz-weiße Zeichnungen, die das Elend im Ghetto Theresienstadt dokumentieren – und die nach ihrer Entdeckung dafür verantwortlich waren, dass Fritta und seine Familie gefangengesetzt, gefoltert (seine Frau starb) und er schließlich nach Auschwitz deportiert wurde, wo er nach 8 Tagen starb. Kurz vorher konnte er seine Werke, darunter auch dieses Kinderbuch, vergraben.


    Der damals dreijährige Sohn Thomas wurde von Leo Haas, einem überlebenden Kollegen Frittas, adoptiert, und dieser Leo Haas ist es wiederum, der nach der Befreiung Theresienstadts die Werke wieder ans Tageslicht beförderte, und das Leben des Leo Haas ist es auch, das Gerald Green für seinen Film Holocaust in der Figur des Karl Weiß spiegelte.


    Das Bilderbuch lässt nichts von dem alltäglichen Grauen, dem Hunger, den schlimmen hygienischen Bedingungen und dem ständig drohenden Abtransport erahnen. Wir sehen Zeichnungen von einem pausbäckigen kleinen Jungen, dunkle Konturen, mit hellen und sanften Farben koloriert. Mit einem leichten Strich und großzügiger Strichführung malt Fritta hier eine Welt, wie er sie sich für seinen Sohn vorstellt und wie er sie ihm wünscht: freundlich, sonnig, mit der Möglichkeit zu reisen, eine Welt mit einer echten Geburtstagstorte und einem Paket voller Würste, mit Spielsachen. Einige Bilder sind anrührend, z. B. das Bild eines blühenden Gartens, in dem der kleine Thomas nackt herumtollt, umgeben von Schmetterlingen und Vögeln – und daneben die Signatur: „Das ist kein Märchen – das ist die Wahrheit!“ Oder auch das Bild seiner Eltern, die liebevoll und lächelnd auf ihn schauen - und die vielen Tränen wirken dekorativ, wie kleine fallende Perlen.


    Fazit:

    Ein anrührendes Dokument: die einzige Hinterlassenschaft eines Vaters, der sein Kind liebt.


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    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).