Lars Mytting - Die Glocke im See / Søsterklokkene

  • Kurzmeinung

    Melgarion14
    Bis auf das gehetzte Ende ein lesenswertes, sehr interessantes Buch, das Eindruck hinterlässt
  • Kurzmeinung

    Chattys Buecherblog
    Für Leser von anspruchsvollen Romanen, kann ich dieses Buch absolut empfehlen.
  • Norwegen, 1880:
    Kai Schweigaard heißt der neue Pfarrer von Butangen, der für seine Gemeinde eine größere und modernere Kirche errichten lassen will. Die seit 700 Jahren bestehende Stabkirche soll abgebaut und nach Deutschland verkauft werden, wo man die kulturgeschichtliche Bedeutung der alten norwegischen Kirchen längst erkannt hat. In Dresden werden sie erforscht und vor der Zerstörung bewahrt.
    Zur Überwachung des Abbaus und Begleitung des Transportes schickt die Dresdner Akademie den Architekturstudenten Gerhard Schönauer nach Butangen. Der junge Mann verliebt sich in die Bauerntochter Astrid Hekne, die unbedingt verhindern will, dass die beiden Glocken der Kirche an ihren neuen Bestimmungsort folgen müssen. Von einem ihrer Vorfahren gespendet, sollen die Schwesternglocken ohne menschliches Zutun immer dann zu läuten beginnen, wenn dem Dorf Unheil droht.
    Astrid, die sich ein Leben als Bäuerin nicht vorstellen kann, fühlt sich zum fortschrittlichen Kai Schweigaard hingezogen, und träumt sich immer wieder in die Rolle der Pfarrersfrau. Doch bald lässt der angehende Architekt Gerhard Schönauer, der mit einem wichtigen Auftrag nach Butangen gekommen ist, Astrids Herz höher schlagen. Allzu verlockend ist die Aussicht, ihm als seine Ehefrau ins ferne Dresden folgen zu können.

    Während Astrid, verwirrt von ihren Gefühlen noch um eine Entscheidung ringt, hat das Schicksal die Weichen längst gestellt.



    Mit diesem bemerkenswerten Roman hat sich Lars Mytting einem eher ungewöhnlichen Thema verschrieben, und es ganz großartig umgesetzt. Seine Art zu erzählen hat mich von Anfang an sehr für die Geschichte eingenommen. Man fühlt sich in ferne Zeiten und geheimnisvolle Landschaften zurückversetzt, in der ein beschwerlicher Alltag vom Aberglauben bestimmt wird.
    Ein Pfarrer mit fortschrittlichen Ideen, eine junge Frau, die einerseits stark in der traditionellen Denkweise verhaftet ist, andererseits aber auch Sehnsucht nach einem ganz anderen Leben verspürt, und ein begabter Student aus der modernen Großstadt Dresden sind die Hauptakteure dieses wunderbaren Buches.

    Charakterlich konnten mich die Protagonisten völlig überzeugen, da sie sehr vielschichtig dargestellt werden. Alle haben Stärken und Schwächen, Zweifel und Ängste, hegen Hoffnungen, schmieden Pläne und müssen sich doch immer wieder einem unerbittlichen Schicksal beugen.

    Besonders gut hat mir Astrid gefallen, eine starke junge Frau, die zwischen zwei Welten hin- und hergerissen wird. An einen harten Arbeitsalltag gewöhnt, in uralten Traditionen und abergläubischem Gedankengut verwurzelt, ist sie dennoch wissbegierig, klug und neugierig auf alles Unbekannte.
    Der Pfarrer Kai Schweigaard fällt ebenfalls aus dem Schema klischeehafter Darstellung. Er ist weder sanftmütig noch übertrieben fromm, sondern voller Tatkraft und Ehrgeiz, hin und wieder von unheiligem Zorn getrieben, in entscheidenden Augenblicken manchmal aber doch zu zögerlich.

    Gerhard Schönauer macht ebenfalls einen sehr sympathischen Eindruck. Ein talentierter, feinfühliger junger Mann mit einer großen Aufgabe und einer noch größeren Liebe, für die er viel riskiert.

    Stilistisch gesehen hat mir die Geschichte ebenfalls sehr gut gefallen, da Lars Mytting vor allem die einfache Denk- und Ausdrucksweise dieses wortkargen Menschenschlages verbal sehr gut umgesetzt hat. Den entbehrungsreichen bäuerlichen Alltag führt er seinen Hörern genauso eindrucksvoll vor Augen wie die landschaftliche Schönheit des entlegenen Gudbrandsdals.
    Die Idee, den Autor beim Abbau einer 700jährigen norwegischen Stabkirche begleiten zu dürfen, ist bei mir auf große Resonanz gestoßen. Mich haben die langen Beschreibungen mit tiefen Einblicken in die Baukunst und das Kunsthandwerk nie gelangweilt. Sollten sich dabei manche Längen ergeben haben, fällt das beim Zuhören kaum ins Gewicht, da die Sprecherin Beate Rysopp mit ihrer angenehmen Stimme über derartige Stellen gekonnt hinwegträgt. Sie liest sehr ruhig und dennoch eindringlich, eine ansprechende Art des Vortrags, angepasst an den Inhalt und die jeweilige Stimmung.
    Die Geschichte hat mich beinahe 14 Stunden lang von der ersten bis zur letzten Minute bestens unterhalten. Vor allem gegen das Ende hin hat mich der Autor immer wieder mit unerwarteten Ereignissen und Wendungen überrascht. Der Roman war für mich wahrlich eine Entdeckung, eine wohltuende Abwechslung im üblichen Einerlei der Themen.

    Auf den zweiten Teil darf man nach diesem großartigen Auftakt auf jeden Fall gespannt sein.

    Liebe Grüße von Lorraine :)


    "Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen." (Karl Kraus) :study: