Philipp Mattheis - Ein Volk verschwindet

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    In der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang ist in den vergangenen Jahren eine Dystopie Wirklichkeit geworden: Die muslimischen Uiguren werden dort mit allen Möglichkeiten des Digitalzeitalters erfasst und überwacht. Etwa eine Million Menschen sind monatelang in »Umerziehungslagern« interniert, wo Folter, Zwangsarbeit und Gehirnwäsche an der Tagesordnung sind. Gleichzeitig werden Moscheen geschlossen, religiöse Feste untersagt, Baudenkmäler zerstört. Offensichtlich soll die kulturelle Identität des 15-Millionen-Volks ausgelöscht werden. Westliche Konzerne hält das nicht davon ab, in Xinjiang produzieren zu lassen. Philipp Mattheis’ aufrüttelndes Buch erzählt von den Schicksalen Betroffener und klärt über die Hintergründe des Geschehens auf.


    Im Vorwort beschreibt der Autor, wie dieses Buch entstanden ist, und verweist auf die Seite http://www.uyghurttribunal.com, auf welcher die Berichte der Zeugen, welche die Lager überlebt haben, vollständig nachgelesen werden können.


    Ein Grossteil dieses Buches ist somit den Berichten der Zeugen gewidmet.


    Die Uiguren sind ein Turkvolk im Westen von China Xinjiang, eine der ärmsten Provinzen des Landes. Ihre Bevölkerung zählt rund 15 Millionen. Das meiste, was über die Herkunft und Geschichte der Uiguren bekannt ist, stammt aus chinesischen Quellen.


    Bei den Überlegungen wieso das Volk der Uiguren der chinesischen Volksrepublik „ein Dorn im Auge ist“ - stellt man schnell fest, es hat auch etwas mit dem Glauben zu tun. Praktisch alle Uiguren fühlen sich dem Islam zugehörig. Somit ist in der Umerziehung ein sehr wichtiges Element, dass sie ihren Glauben ablegen.


    Die Wende der Politik Chinas gegenüber der Uiguren hat heute im Rückblick 2014 begonnen. Die Uiguren wurden in einer Datenbank festgehalten unter dem Vermerk - als mögliche „Terroristen“ . Der Aufwand, welcher betrieben wurde, um das Volk „in die rechten Bahnen zu leiten“, lässt sich nur erahnen, denn mögliche Verstösse gegen die Menschenrechte drangen und dringen nur spärlich und oftmals mit grosser Verspätung an die Weltöffentlichkeit.


    Für den Aufbau des Überwachungssystems in der Provinz Xinjiang hat China bis 2019 sieben Milliarden Dollar investiert.


    Erst mit den investigativen Besuchen von Journalisten, Datenforschern und Menschenrechtler in der Provinz Xinjiang gelang es mehr und mehr bekannt zu machen, was dort passiert.

    Denn bekannt ist -

    Zitat

    Bis zu zwei Millionen Menschen werden monatelang in »Umerziehungslagern« festgehalten. Folter, Zwangsarbeit und Gehirnwäsche sind dort an der Tagesordnung. Anfangs basierten die Meldungen noch auf Gerüchten und wenigen Berichten derer, die entkommen sind. Mittlerweile aber sind die Menschenrechtsverletzungen der kommunistischen Partei Chinas gut belegt.

    Einer dieser Journalisten, Harald Maass, reiste 2018 in die Provinz Xinjiang, um mit eigenen Augen zu sehen, welche Zustände herrschten, weil die Gerüchte, welche nach aussen drangen, verhiessen nur ungutes.

    Zitat

    Was ich dann aber tatsächlich sah, übertraf meine schlimmsten Befürchtungen.« Maass schildert die Provinz als ein gigantisches Freiluftgefängnis, in dem die Uiguren auf Schritt und Tritt überwacht, kontrolliert, gescannt, registriert und diskriminiert werden. Am schlimmsten sei die Situation im Süden der Provinz. Nachts glichen die Städte einer einzigen Polizeikontrolle: Überall Blaulicht, bewaffnete Soldaten, die herumbrüllten, Durchsuchungen. Maass selbst wurde in den zwei Wochen 57 Mal kontrolliert.

    Jedoch nicht nur das Volk wird mit System unterdrückt, ihre Eigenständigkeit zerstört, dasselbe passiert mit Kashgar - der Stadt, welche die Uiguren als Ihre Hauptstadt betrachten. Unter dem Vorwand, diese erdbebensicher zu machen, eine Stadt, welche 2000 Jahre alt ist und sicher mehr wie nur ein Erdbeben überstanden hat, wird die Altstadt abgerissen, um neue moderne Wohnblöcke zu bauen. Zugleich werden die Uiguren umgesiedelt - ihnen wird der Lebensraum genommen.


    Das ganze Ausmass der Tragödie dieses Volkes offenbart sich jedoch, wenn man die einzelnen Berichte der Personen liest.

    Männer und Frauen, welche inhaftiert werden, gefoltert - Eisenstangen und Elektroschocks - , tagelang ohne Nahrung und Wasser verhört werden - Letztere vergewaltigt und oftmals zwangssterilisiert, erst wieder entlassen, wenn gewährleistet ist, dass die Umerziehung wirklich sicher gelungen scheint. Zeugen berichten von medizinischen Eingriffen - von Frauen, welche Spritzen bekamen, um den gesamten Menstruationszyklus zu unterbrechen.


    Damit diese kontrolliert werden kann, werden die Familien gezwungen, über einen gewissen Zeitraum systemtreue Han-Chinesen bei sich zu beherbergen, sie zu verköstigen.


    Besonders die Kinder sind dem Einfluss Chinas ausgesetzt, während die Eltern in den „Umerziehungslagern“ sind. Sie werden in „Hochsicherheitseinrichtungen“ untergebracht, ihrer Familie und ihrer Kultur entfremdet.



    Ein wichtiges „Sprachrohr“ für das Volk der Uiguren ist WUC (Weltkongress der Uiguren), welches sich einsetzt, die zahlreichen Menschenrechtsverbrechen im Uyghur Tribunal aufzuarbeiten.


    Wobei in diesem Buch auch, und das ist gut so, die Frage nach Schuld, Mitschuld - Verantwortung des Westens erforscht wird.


    Genau so wie die Frage gestellt wird „Was wir tun können“ - eine Frage, welche nicht einfach zu beantworten ist. Das ist auch das Schlusswort des Autors.

    Zitat

    Was wir tun können, ist oft nicht viel. Aber Unrecht zu benennen, wenn es geschieht, ist der erste und wichtigste Schritt, es zu verhindern.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Ein lesenswertes Buch, scheint mir!

    Wieviele Sterne vergibst Du?

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ein lesenswertes Buch, scheint mir!

    Wieviele Sterne vergibst Du?

    Soeben nachgeholt. Danke für das Erinnern.

    Habe gerade gesehen dass der oben einfügte Link nicht funktioniert, deshalb nochmals Uyghurt Tribunal

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter