Mareike Fallwickl - Die Wut, die bleibt

  • Kurzmeinung

    EmilyE
    Drastisch, aufwühlend und sehr gut, das sollten viel mehr Menschen lesen
  • Kurzmeinung

    Smoky82
    Das Buch macht ganz deutlich, was es heißt, in unserer Gesellschaft Frau zu sein. Großartiges, aufwühlendes Buch
  • Es ist eine Szene, wie sie sich vermutlich in vielen Haushalten in Deutschland und auf der Welt abgespielt haben könnte. Eine Familie sitzt beim Abendessen. Vater, Mutter, eine Teenager-Tochter und zwei kleine Söhne. „Haben wir kein Salz?“, fragt der Vater. Die Mutter steht auf, niemand beachtet sie; vermutlich wird sie nur das Salz holen gehen, wie alle es von ihr erwarten. Doch Helene macht stattdessen drei Schritte zur Balkontür, geht hinaus und springt.

    Mit diesen eindrücklichen Sätzen beginnt Mareike Fallwickls neuer Roman „Die Wut, die bleibt“. Erzählt wird die Handlung abwechselnd aus der Perspektive zweier sehr unterschiedlicher Frauen: auf der einen Seite Lola, 15 Jahre alt, Helenes Tochter. Sie liest das Missy Magazin, gendert, ist Feministin und immerzu wütend. Auf der anderen Seite Sarah, Helenes beste Freundin. Sie ist Schriftstellerin, angepasst, zweifelt ständig an sich selbst und vor allem an ihrer Figur. Während Sarah sich in die neue Choreografie einfügt und wie selbstverständlich die Betreuung von Helenes Kindern und den Haushalt übernimmt, gibt Lola sich ganz ihrer Wut hin.

    „Die Wut, die bleibt“ ist ein passender Titel für diesen Roman, denn sie bleibt tatsächlich – von der ersten bis zu der letzten Seite. Die Wut auf Johannes, den Vater, der sich aus der Affäre zieht, weil er ja „das Geld verdienen“ muss und kaum noch zuhause ist. Die Wut auf Sarah, die ihm diese Flucht aus dem eigenen Familienleben möglich macht und die sich auch von ihrem Partner nach Belieben herumschubsen lässt. Und schlussendlich die Wut auf ein System, das Patriarchat, das Frauen immer wieder im Stich lässt.

    Das vordergründige Thema des Buches liegt auf der Hand: weibliche Wut, so verständlich und dennoch so abgewertet, als Hysterie, als Überreaktion, als unfein. Doch „Die Wut, die bleibt“ spricht noch so viel mehr an: Bodyshaming und den Bezug zum eigenen Körper, Frauen, die den Großteil unbezahlter Care-Arbeit leisten und zum Dank dafür gerne vergessen werden, sexualisierte und physische Gewalt gegen Frauen, Partner, die sich ihrer Verantwortung entziehen. Unbedingt lesen, absolutes Jahreshighlight! :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Vielen Dank, für diesen großartigen Tipp, Naraya !

    Welche Frau kennt die Gefühle, die hier beschrieben werden nicht zumindest ab und an auch im eigenen Leben? Welche Frau wollte nicht schon mal in einen abgelegenen Wald verschwinden und sich die Seele aus dem Leib zu schreien, wegen der Ungerechtigkeiten, die die Gesellschaft manchmal wie selbstverständlich an die weibliche Bevölkerung austeilt?


    OK. Jetzt muss ich schauen, wann ich zu meiner Buchhandlung komme und mir das Buch ganz schnell zulegen kann :wink:

    "Die Stille stellt keine Fragen, aber sie kann uns auf alles eine Antwort geben." (Ernst Ferstl)

  • Ich habe das Buch zwischenzeitlich schon lange gelesen, oder ich sollte wohl besser sagen verschlungen, komme aber erst heute dazu auch etwas dazu zu schreiben.

    Erstmal Danke, Naraya für diese Rezension :friends: .

    Dieses Buch hat mich so bewegt und beschäftigt, auch heute noch, 2 Monate nach dem Lesen.

    Am liebsten möchte ich das Buch jeder Mutter, generell allen Frauen, aber vor allem auch jedem Mann aufdrängen, weil ich es für so gut formuliert und wichtig halte. Das Buch beschreibt meiner Meinung nach sehr genau, was es heißt in unserer Gesellschaft Mutter bzw. Frau zu sein. Wir halten unsere westliche Gesellschaft oft für emanzipiert, aber dieses Buch zeigt deutlich auf, dass in vielen Situationen die Gleichberechtigung doch noch nicht so ganz umgesetzt ist.

    Mir sind nach dem Lesen erschreckend viele Beispiele in meinem eigenen Leben aufgefallen, wo ich wie selbstverständlich Pflichten auf mich nehme, was den meisten Männern nicht im Traum einfallen würde. Dieses Buch hat auch bei mir mächtig viel Wut aufgewühlt :wuetend: .


    Ich habe es schon an meine Mama und meine Teenager-Patentochter verliehen, in der Hoffnung, dass es ihr die Augen öffnet und sie einen gerechteren Weg finden und einschlagen lässt. Ich werde auch nicht aufhören, dieses Buch so lange weiter zu verleihen, bis es in seine Einzelteile zerfällt.


    Fazit: Hätte ich in diesem Jahr nicht auch "Adressat unbekannt" gelesen, was in meinen Augen ein Meisterwerk ist, dann wäre "Die Wut die bleibt" sicherlich mein Jahreshighlight geworden.

    Unnötig zu sagen, dass diese Geschichte von Mareike Fallwickl von mir :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: erhält.


    Absolute Leseempfehlung! :applause:

    "Die Stille stellt keine Fragen, aber sie kann uns auf alles eine Antwort geben." (Ernst Ferstl)

  • Ich kann der Rezension von Smoky82 voll zustimmen. Das Buch ist ein Augenöffner und zeigt, wie Frauen auch heutzutage noch in jeder Hinsicht benachteiligt werden. Allerdings finde ich, dass die männlichen Parts in diesem Buch (Vater der Kinder und Partner von Sarah) doch sehr negativ dargestellt werden - nicht jeder Mann 'geht wie die Sau vom Trog' (Ausdruck meiner Mutter) und nicht jeder Mann verstreut seine Wäsche da, wo er sich gerade entblättert hat.

    Der Höreindruck ist bei mir jedenfalls sehr nachhaltig und ich werde bei entsprechenden Situationen, bei denen ich mir bisher nichts gedacht habe, immer an das Buch erinnert werden.

    Die Erfindung des Buchdruckes ist das größte Ereignis der Weltgeschichte (Victor Hugo).

  • und ich werde bei entsprechenden Situationen, bei denen ich mir bisher nichts gedacht habe, immer an das Buch erinnert werden.

    Da kann ich Dir voll und ganz zustimmen. Ist mir in letzter Zeit auch öfter so gegangen.


    Und natürlich hast Du auch damit Recht, dass nicht alle Männer so sind wie im Buch beschrieben. Die Männer, welche im Alltag auf die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern achten und für die es selbstverständlich ist, auch mal selbst die unangenehmen Dinge des Haushalts zu übernehmen, die sind vorbildlich und dürfen sich bei der Lektüre des Buchs die Hände in Unschuld waschen, aber leider ist das, so zumindest meine Erfahrungen, leider immer noch eher die Ausnahme.

    Ich bin der Meinung, es gibt einen einfachen Weg herauszufinden, wie es um die Gleichberechtigung in einer Beziehung wirklich bestellt ist. Hier sagt die Frage: "wer putzt wie häufig die Toilette?" schon eine Menge aus, finde ich. Denn auch wenn viele Männer sich am Haushalt beteiligen, bleiben oft die unangenehmen Dinge doch wieder an der Frau hängen.

    Aber ich will niemandem auf den Schlips treten. Im Endeffekt muss das sowieso jeder selbst wissen.

    Ich finde es schön, dass das Buch genau hier ansetzt und hoffe, dass dieser Roman bei allen Lesern und Leserinnen zu einem Umdenken, und wie in Deinem Fall Bridgeelke auch in gewissen Situationen zu einem Überdenken, führt. Und das betrifft nicht nur die Männer sondern auch die Frauen, denn wie in dem Buch stellenweise beschrieben, lassen sich auch die Frauen oft viel zu selbstverständlich in diese alten Rollenmuster drängen bzw. laufen teilweise schon selbstständig automatisch hinein, in dem sie sich anbieten gewisse Dinge zu tun. (Ich spreche hier aus Erfahrung, dass ist mir nämlich nach Lesen dieses Buches sogar an mir selbst aufgefallen :shock:  :uups: )

    "Die Stille stellt keine Fragen, aber sie kann uns auf alles eine Antwort geben." (Ernst Ferstl)

  • Meinung

    Das Buch wurde in einem Podcast mit der Autorin vorgestellt. Die Lesung der Autorin machte mich neugierig. Ich war froh, daß ich es dann in der Bücherei ausleihen konnte.


    Zuerst war ich etwas unsicher, ob es mir gefallen könnte. Denn manche Passagen sind gewalttätig. Auge um Auge, Zahn um Zahn ist für mich nicht der richtige Weg. Daher habe ich mich schnell bei Sarah gefunden. Diese hat mir sehr gut gefallen. So nach und nach, aus schlechtem Gewissen, hat sie in ihren Weg gefunden.


    Lolas Sichtweise kann ich auch verstehen. Sie hat schnell gelernt, die Dinge beim Namen zu nennen. Sie kümmerte sich liebevoll um ihre Geschwister. Aber auf der anderen Seite war sie voller Wut.


    Drei Frauenschicksale, wobei eine sich verdeckt abspielte, wurden sehr gut dargestellt. Man bekam den Eindruck, unter welchen emotionalen Belastungen die Frauen standen. Wobei ich denke, das Sarah es gar nicht bewusst war, das sie ausgenutzt und unterdrückt wurde.


    Mir hat die Sprache der Autorin sehr gut gefallen. Sie hat die Situationen sehr gut beschrieben. Obwohl ich Lolas Verhalten etwas übertrieben fand, was die Gewalt angeht. Denn wenn man so einen Sport macht, muss man auch seine Grenzen kennen.


    Fazit

    Ich empfehle das Buch gerne weiter. Ich glaube, der Titel schreckt etwas ab.


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