Verlagstext:
Ein Gefängnis hoch oben auf einer Klippe. Darin eine Frau, die Tag und Nacht von Ärzten und Schwestern überwacht wird. Ein Mann, der sie immer wieder besucht. Wenn er kommt, erstarrt sie zu Stein – und wird unter seinen Händen wieder lebendig. In dieser Erzählung führt Madeline Miller den berühmten Mythos von Pygmalion fort: Der Bildhauer erschafft eine Statue, die so makellos ist, dass er sich in sie verliebt: Galatea. Die Göttin Venus erhört seine Gebete und erweckt Galatea zum Leben. Sie gebiert eine Tochter und ist zunächst glücklich in der Ehe mit Pygmalion – doch als sie beginnt, ihren eigenen Willen zu haben, und die Kontrollversuche und Eifersucht ihres Gatten nicht mehr ertragen kann, ereilt sie ein grausames Schicksal. Galatea will Freiheit. Sie schmiedet einen Plan. Und kalt und hart wie Stein setzt sie ihn um.
Quelle: amazon.de
Meine Meinung:
Ein neues Werk von Madeline Miller? Da musste ich sofort zuschlagen! „Ich bin Circe“ war mein Jahreshighlight von 2019, ich habe es seitdem vielfach verschenkt und auch „Das Lied des Achill“ von derselben Autorin sehr genossen.
Die Erzählung „Galatea“ habe ich am Nachmittag des Herunterladens direkt atemlos weggelesen. Madeline Miller schreibt einfach grandios. Wie sie bei der Kürze des Textes so vielschichtige Figuren entwirft, diese sich entwickeln lässt und ein emotionales Panorama aufbaut, dass einem buchstäblich die Luft wegbleibt, ist beeindruckend und hat mir ein großes Lesevergnügen bereitet. Wie immer bürstet die Autorin ihre antiken Vorlagen gehörig gegen den Strich, setzt andere Akzente, erfindet Handlung hinzu und verleiht damit den Figuren völlig neue Facetten, Gestaltungsmacht und Tiefe. Wie ihre Galatea sich auflehnt gegen die Vereinnahmung durch ihren Schöpfer Pygmalion und wie sie in ihrer Liebe zu ihrer Tochter Paphos bis ans Äußerste geht, hat mich stark beeindruckt:
Miller verwebt hier die Mutterliebe einer Art Anti-Medea mit einem an Christus erinnernden Sich-Opfern, das zugleich den Tod bringt und ihn überwindet. Und das auf so wenigen Seiten!
Lediglich der Umstand, dass das Büchlein neben der Erzählung selbst und den zugrundeliegenden Versen von Ovid noch ein Vorwort der Autorin UND ein literaturwissenschaftliches Nachwort enthält, hat mir nicht gefallen – ich habe das als überfrachtet wahrgenommen. Da die Autorin dafür nichts kann, gebe ich ihrer Erzählung dennoch die Höchstbewertung. Auch der hohe Preis - 20 Euro für ein Büchlein von 80 Seiten - lässt mich zusammenzucken. Ich selbst habe das Buch über NetGalley erhalten. Im Buchhandel erscheint es im Oktober 2022.
Ich kann es kaum erwarten, mehr von Madeline Miller zu lesen.