Markus Thiele - Die sieben Schalen des Zorns

  • Kurzmeinung

    easymarkt3
    Selbstbestimmt sterben mit welchen Hilfen – juristisches Minenfeld in der BRD?
  • Vielschichtiger Roman um ein juristisches Dilemma


    Markus Thiele hat sich eines Themas angenommen, das hierzulande die Gemüter ähnlich spaltet wie das Thema Abtreibung: Sterbehilfe.

    Von unterschiedlichen Seiten her wird an die Thematik heran gegangen, die unterschiedlichen Sichtweisen durch verschiedene Protagonisten eingenommen. Dazwischen das Dilemma von Jonas, Staatsanwalt mit großen Chancen auf Beförderung. Nicht zuletzt deshalb, weil ihn mit dem Angeklagten Max seit ihrer Kindheit eine tiefe Freundschaft verbindet. Und er kannte das vermeintliche Opfer ebenso von Kindesbeinen an. Dazu kommt noch eine alte Schuld gegenüber Max, der ihn seinerzeit vor weitreichenden Folgen bewahrte.

    Auf der anderen Seite ist Jonas Staatsanwalt durch und durch; immer auf der Seite des Gesetzes, auch, wenn ein Gesetz ihm nicht immer richtig erscheint. Seiner Meinung nach muss die Rechtsprechung sich an die geltenden Gesetze halten. Für eine etwaige Änderung oder Anpassung sind ausschließlich die gesetzgebenden Institutionen zuständig.


    Der Roman entwickelt sich mit jedem Kapitel und lässt das Geschehene und die Hintergründe immer klarer für die Lesenden erscheinen. Nichts ist wirklich einfach. Die beiden Protagonisten Max und Jonas könnten unterschiedlicher kaum sein, was das Elternhaus und das Umfeld angeht. Trotzdem werden sie innige Freunde und verbringen ihre gesamte Jugend miteinander.

    Dankenswerterweise sind die unterschiedlichen Kapitel mit Ort und Datum versehen, dass beim Lesen keine Unklarheiten aufkommen. Es gibt immer wieder Zeitsprünge, die für das bessere Verständnis des "Täters" vonnöten sind.

    Die Charaktere, allen voran Max, werden mit der Geschichte immer dichter und klarer und ich konnte mich sehr gut in eigentlich alle Personen des Romans einfühlen. Es wird keine Partei ergriffen, sondern im Grunde jeder Argumentation Raum gegeben, sodass man sich während der Lektüre selbst eine Meinung bilden kann.

    Sehr interessant war für mich der Einstieg des Buches, bei dem Jonas in Max Schuld gerät. Genau das bringt ihn später in die Bredouille, ob wirklich immer für ihn Recht und Gesetz an erster Stelle steht.


    Der Roman ist sehr unterhaltsam geschrieben, wenngleich er mich nicht so mitgerissen hat wie sein letztes Buch. Trotz allem uneingeschränkt empfehlenswert!


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  • Mehr als ein Roman - und ein guter noch dazu!


    Mir war der Autor bisher unbekannt - aber das Thema interessierte mich sehr. Eine Geschichte rund um die Dimensionen der Sterbehilfe. Und das dann noch anhand einer demenzkranken alten Frau! Ich bin selbst in der Pflege tätig, und fühlte mich sofort angesprochen.

    Das Buch hat alle meine Erwartungen erfüllt, und sogar noch übertroffen. Es besitzt moralische Tiefe, ohne einseitig zu werden. Es bietet Denkansätze für den Leser in Fülle. Und noch dazu ist es schlicht eine gute Geschichte!

    Ich hatte mehr oder weniger erwartet, hier einen "Thesenroman" vorzufinden, bei dem die Geschichte ein wenig hinterher hinkt. Doch weit gefehlt! Zugegeben, der Autor lässt sich Zeit, die Geschichte zu entwickeln. Doch das hat gerade den Lesereiz ausgemacht.

    Die Romanhandlung an sich wird aus mehreren Perspektiven beleuchtet: sowohl aus der von Max, der bei Maria aufwächst und später Arzt wird, und aus der von Jonas, seinem besten Freund aus dem Internat. Er kannte ebenfalls Maria, hat viel Zeit mit ihr verbracht. Jonas wird Anwalt, ja sogar Staatsanwalt. Und tragischerweise hat genau er die Sache von Max zu vertreten, als dieser Marias letzten Wunsch umsetzt, sterben zu dürfen.

    Das Buch beginnt mit Rückblenden in die Zeit von Jonas' und Max' Kindheit und Jugend, und wie sie durch einen tragischen Unfall gegenseitig in des anderen Schuld stehen. Es springt in die mittlere Vergangenheit, als beide Männer Entscheidungen für ihr späteres Berufsleben treffen, und auch den einen oder anderen Schicksalsschlag hinnehmen. Zuletzt gibt es Szenen aus der Gegenwart, davon der größte Teil im Gerichtssaal spielend.

    Besonders gut gefallen hat mir, dass der Autor sich jeglichen Urteils enthält. Dennoch merkt man ihm den Juristen an, durch und durch. Denn auch ein Straftäter (und ein Richter!) hat eben eine Vorgeschichte, und das versucht er hier zu beleuchten. Menschen in Extremsituationen handeln nie aus dem "Nichts"! Man entwickelt als Leser Verständnis für sämtliche Positionen. Max hat als Kind Leid und Armut erlitten, in seiner Lebensgeschichte war der Tod ständiger Begleiter. Jonas hingegen, sein Freund, scheint nur auf den ersten Blick erfolgreicher. Er war immer abhängig vom Urteil seines eigenen Vaters, dessen Anerkennung er nie wirklich erlangen konnte. Und dann kommt ausgerechnet der Fall mit Max auf ihn zu... als er gerade dabei ist, zum Oberstaatsanwalt ernannt zu werden...

    Auch die dezent eingeflochtene religöse Thematik hat mir sehr gefallen! Der Titel des Buches ist aus der Offenbarung des Johannes entlehnt. Max sieht sich nämlich in einer tragischen Position, war eigentlich gläubig, glaubt aber, Gott habe ihn verlassen. Es gibt einige sehr erhellende Gespräche in dem Buch, zum Beispiel mit einem Pfarrer, einem Angehörigen, und einem alten Richter.

    Wie sehr die Familie einen Menschen prägt, zeigt das Buch ebenfalls. Und welche Fallstricke die Familie bereithält. Ich will hier nicht allzusehr spoilern, kann aber sagen, dass es als Leser durchaus nicht leicht ist zu beurteilen, wer hier das einfachere Schicksal hatte.

    Zuletzt - das Buch basiert auf einer wahren Geschichte, die vor Gericht sogar als Präzedenzfall zitiert wird - ein Fall aus den Niederlanden. Überhaupt war ich von der Schilderung der Verhandlung fasziniert - Richter und Staatsanwälte sind ja durchaus keine Unmenschen, sondern sehen sich mit den Grundpfeilern des modernen Lebens konfrontiert, die sie ständig neu verhandeln müssen.

    Ich bin wirklich rundum begeistert, habe viel dazugelernt, und würde dieses Buch rundum uneingeschränkt empfehlen. Entgegen der "schweren" Thematik ist es überaus gut lesbar, ohne flach zu sein.

    "Ein Mensch, der Ideale hat/
    Der hüte sich, sie zu erreichen!/
    Sonst wird er eines Tags anstatt/
    Sich selber andern Menschen gleichen."
    (Erich Kästner) :):)

  • Der Autor Markus Thiele, behandelt in seinem neuen aufrüttelnden Roman „Sieben Schalen des Zorns“ die Frage, ob der Mensch das Recht hat, selbstbestimmt zu sterben und welche Hilfe er dafür in Anspruch nehmen darf.


    Inhalt:


    Aus freien Stücken: Wo verlaufen die Grenzen beim assistierten Suizid?


    Dr. Max Keller ist Arzt mit Leib und Seele. Als seine todkranke Tante Maria ihn um Sterbehilfe bittet, gerät er in ein moralisches Dilemma. Soll er ihren letzten Wunsch erfüllen und ihr ein selbstbestimmtes Sterben ermöglichen?


    Obwohl er als Arzt dem Leben verpflichtet ist, hilft Keller der alten Frau, das ihre zu beenden. Kurz darauf eröffnet die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen ihn. Der Vorwurf: strafbare Tötung auf Verlangen. Keller droht eine Freiheitsstrafe und der Entzug seiner Arztzulassung – was sein Ende bedeuten würde. Doch hat er Maria wirklich getötet?

    Meine Meinung:


    Der Autor erzählt im Hier und Jetzt, jedoch zwischendurch immer wieder rückblickend die Lebensgeschichten der Freunde Max und Jonas: Auf der einen Seite die schwere Jugend von Max, die tragischen Verluste, die er erleben musste, auf der anderen Seite der Weg von Jonas, der durch die Dominanz des Vaters vorgezeichnet war.


    Max Keller ist Arzt geworden. Seine Tante Maria Linz, die ihn nach dem Tod seiner Großmutter und der Alkoholsucht seines Vaters wie ihren eigenen Sohn bei sich aufgenommen hatte, bittet ihn, ihr beim Sterben zu helfen. Max hilft ihr und begibt sich damit in eine Zone zwischen Recht und Unrecht. Ihm wird Tötung auf Verlangen vorgeworfen. In dieser Situation bittet er seinen Freund Jonas, der jetzt als Staatsanwalt kurz vor dem ganz großen Karrieresprung steht, um Hilfe.


    Die Ermittlungen sowie der Verlauf des spannenden Prozesses gegen Max stehen im Vordergrund. Die Hintergründe werden beleuchtet und sehr gut dargestellt.


    Hier hat mir besonders gut gefallen, wie der Autor die Diskussion anhand verschiedener Sterbehilfefälle an Hand von Rechtsprechung, deren Probleme und Auslegungen, zusammen fasst ohne ein endgültiges Schlusswort zu ziehen. Die einzelnen Argumente regen dazu an, über das Gelesene nachzudenken, um sich selbst eine eigene Meinung zu bilden.


    Fazit:


    Dem Autor ist es hervorragend gelungen, einen tiefgründigen und sehr emotionalen Roman, zwischen Fiktion und Wahrheit über Sterbehilfe, Freundschaft und Schuld, der zum Nachdenken anregt, zu erzählen. Die Protagonisten sind im Handlungsverlauf sehr gut eingebunden und sehr glaubwürdig dargestellt.

    Von mir 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung!

  • Was ein intensives und beeindruckendes Buch. Mit dem Thema Sterbehilfe musste ich mich zum Glück bis jetzt noch nicht beschäftigen. Umso interessanter fand ich das Buch und die moralische Grauzone. Der Autor hat es spielerisch geschafft, mich in die Lage des Protagonisten Max reinversetzten und sein Handeln nachvollziehen.

    Max ist mit Leib und Seele Arzt. Seine Tante kommt mir einem sehr großen und ungewöhnlichen Wunsch auf ihn zu. Maria ist an Alzheimer erkrankt und möchte ihrem Leben selbstbestimmt ein Ende bereiten. Beide schreiben den Wunsch und die Umsetzung ganz genau auf. Als der Tag für Maria gekommen war, läuft alles wie besprochen und Max erfüllt ihr ihren letzten Willen. Mit dem Gedanken, eine Straftat begangen zu haben, zieht er den Plan dennoch durch und eine Welle von Ermittlungen, Gesetzten und Vorurteilen nehmen ihren Lauf.

    Ich habe großen Respekt vor dieser Erzählung und finde Max sehr mutig.

    Der Schreibstil war anfangs etwas verwirrend für mich. Der Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart ging mir manchmal zu schnell. Dennoch kommt man nach einer gewissen Zeit gut in die Dynamik des Schreibens rein und es ließt sich wie von selbst zu Ende.

  • Ein Ende in Würde

    Max Keller hat eine schwierige Kindheit hinter sich, als er nach dem Tod des gewalttätigen Vaters von seiner Tante Maria aufgenommen wird. Die beiden haben ein inniges Verhältnis, deshalb ist es für Max, der inzwischen Arzt ist, gar keine Frage, als Maria ihn nach einer Alzheimerdiagnose bittet, ihrem Leben ein Ende zu setzen, wenn eines Tages ein Leben in Würde nicht mehr möglich sein sollte.


    Max, der inzwischen weitere Schicksalsschläge hinter sich hat, löst sein Versprechen ein und wird prompt der aktiven Sterbehilfe angeklagt.


    Ausgerechnet Max Kellers bester Freund aus Jugendtagen, Jonas, der kurz vor der Ernennung zum Generalstaatsanwalt steht, ist der zuständige Staatsanwalt in dem Verfahren gegen seinen alten Freund, in dessen Schuld er steht.


    Der Autor und Rechtsanwalt Markus Thiele spricht hier ein brisantes und aktuelles Thema an. Wo verläuft die Grenze zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe? Ist es nicht Teil eines selbstbestimmten Lebens und somit verfassungskonform, wenn man seinem Leben ein Ende setzen will, wenn dieses nur noch aus Siechtum besteht? „Die sieben Schalen des Zorns“ ist ein anspruchsvolles und aufrüttelndes Buch. In Rückblenden erfährt der Leser Einzelheiten aus dem Leben der Hauptpersonen, die für das Verständnis ihrer Handlungsweisen wichtig sind. Allerdings fand ich diese Rückblicke zum Teil sehr langatmig und ausufernd, was bei mir etwas Langeweile aufkommen ließ. Nichtsdestotrotz ist es ein Buch, das ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema anspricht. Klare Leseempfehlung. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Mit diesem Titel wird Bezug genommen auf die Bibel. Im Gespräch mit Pfarrer Braun geht es um die Johannes-Offenbarung, in der Gott die alte Welt dem Erdboden gleichgemacht hat und seinen Zorn dabei auf sieben Schalen verteilt, die die Engel nach und nach auf die Erde ausschütten. Dabei trifft es jedes Mal den Hauptakteur Dr. Max Keller, der im Verlauf seines Lebens von ihm geliebte Menschen durch Tod verliert: seine Grossmutter, Ehefrau und Tochter, seinen Vater inklusive Bauernhof, seine todkranke Tante Marie. Ihr assistiert er beim Sterben und erfüllt damit ihren letzten Wunsch, nachdem Alzheimer in fortgeschrittenem Stadium ihr Leben mehr als unwürdig gestaltet.

    Inspiriert von wahren Fakten der Justiz in Deutschland liest sich dieser Roman wie ein Krimi rund um das Thema ‚Sterbehilfe‘ mit moralischen, religiösen und juristischen Diskussionen über das Recht auf einen selbstbestimmten Tod.