Klappentext/Verlagstext
Drei Frauen, drei Zeiten, drei Orte, eine Gemeinsamkeit: Sie alle rennen vor etwas davon - vor ihren Familien, gesellschaftlichen Hürden, Einschränkungen und Gewalt. Dabei finden sie ihre Stimmen und ihre Identität.
2012. Eine Gynäkologin zögert, eine neue Stelle in London anzunehmen, obwohl die es ihr ermöglichen würde, der zunehmend angespannten Atmosphäre in dem Dubliner Krankenhaus zu entkommen, in dem sie praktiziert. Aber wer würde sich um ihre an Alzheimer erkrankte, pflegebedürftige Mutter kümmern?
1982. Die sechzehnjährige Jasmine läuft von zu Hause weg, um Boxerin zu werden. Ein Sport, der im Irland der 1980er Jahre für Mädchen verboten ist.
2012. In Maryland hat die junge Ali gerade ihre Mutter verloren. Ihre Großeltern, die sie nie zuvor gesehen hat, wollen sie adoptieren. Um ihnen zu entfliehen, schließt sie sich einer Biker-Gang an.
In Paula McGraths vielstimmigem Roman verbindet die generations- und ortsübergreifende Geschichte des Weglaufens drei Frauen, die sich danach sehnen, ihr eigenes Leben zu leben. Emanzipatorisch, befreiend, empowernd und hoch aktuell erzählt dieser Roman von Selbstbestimmung der Suche nach Identität. Aus dem Englischen übersetzt von Karen Gerwig, die ein Gespür für die direkte, poetische und packende Sprache von Paula McGrath unter Beweis stellt. "Dann rennen wir" von Paula McGrath ist eines der besten Bücher des Jahres laut der Irish Times.
Die Autorin
Paula McGrath ist eine irische Schriftstellerin. Sie wuchs auf einem abgeschiedenen Bauernhof nahe der kleinen Stadt Kildare in Irland auf. Anschließend studierte sie Englische Literaturwissenschaft und promovierte im Fach Kreatives Schreiben an der University of Limerick. Inzwischen unterrichtet sie Creative Writing am University College Dublin. Dann rennen wir ist ihr zweiter Roman. 2016 erhielt sie ein Literaturstipendium des Arts Council und war Writer-in-Residence des Irish Writers Centre in Florenz. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren Kindern in Dublin.
Inhalt
Paula McGrath erzählt in ihrem zweiten Roman von Frauen aus zwei Kontinenten, die ihrer vorbestimmten Rolle davonlaufen. Dr. McCarthy arbeitet in der Gegenwart als Ärztin in Dublin. Beruflich ist sie gerade von einem Medizinskandal in Anspruch genommen, als ihr Lebensgefährte sie mit einem attraktiven Stellenangebot dazu zu überreden sucht, zu ihm nach London zu ziehen. Doch sie müsste dazu ihre pflegebedürftige an Alzheimer erkrankte Mutter in Irland im Pflegeheim zurückzulassen. Im amerikanischen Maryland soll die noch minderjährige Alison/Ali nach dem Tod ihrer Mutter von Großeltern aufgenommen haben, die sie kaum kennt und denen ich nicht zutraute, mit einer sehr jungen, sehr respektlosen Jugendlichen klarzukommen. Als Ali spontan abhaut und ohne Auto augenblicklich zum Freiwild gewalttätiger Männer wird, vermutete ich, das zentrale Thema des Romans würde sein, dass Frauen stets einen hohen Preis zahlen, wenn sie ihrer vorgeschriebenen Rolle davonlaufen, während Täter oft ungeschoren davonkommen.
30 Jahre zuvor flieht Jasmine aus der irischen Provinz und scheitert nach kurzer Zeit in London. Nach ihrer Rückkehr setzt sie sich in den Kopf, Profi-Boxerin zu werden, obwohl Frauen-Boxkämpfe in Irland offiziell verboten waren – und dieser Weg ein Leben in der Illegalität bedeutet hätte. Eine Icherzählerin blättert zum ersten Mal in ihrem Leben auf, was in ihrer Jugend in Irland minderjährigen Schwangeren geschah. Sie wurden verstoßen, ins Kloster zu Nonnen gesteckt, die sie als herausragend boshaft empfanden, und gezwungen, ihre Kinder zur Adoption freizugeben. Von den Erzeugern dieser Kinder hörte man kaum etwas, vermutlich wagten sie nicht, sich zu ihrem Nachwuchs zu bekennen. An diesem Punkt kam mir das irische Referendum zur „Reisefreiheit“ in den Sinn, das immerhin 1992 großzügig erlaubte, dass von da an minderjährige Opfer sexueller Gewalt nach England zum Schwangerschaftsabbruch reisen „durften“. An diesem Punkt vermutete ich, dass das Thema des Buches Scheinheiligkeit im Windschatten der katholischen Kirche sein würde.
Fazit
Welche Verbindung zwischen ihren Frauenfiguren aus mehreren Generationen besteht, konnte Paula McGrath lange vor mir verbergen, und ich folgte beim Lesen eigenen Assoziationen. Besonders bei der Verknüpfung zu Alison in den USA wollte der Groschen einfach nicht fallen. Ob ein Plot so raffiniert verborgen und verschachtelt werden muss, finde ich fraglich, aber sehr passend zu den raffinierten Konstruktionen, zu denen McGraths Figuren von ihren Lebensverhältnissen gezwungen waren. Die provinzielle Scheinheiligkeit Irlands in jener Zeit finde ich hier grandios getroffen. Ein bewegender Roman mit glaubwürdigen Figuren – und einigen schwer zu ertragenden Szenen.