Franz Werfel - Die vierzig Tage des Musa Dagh

  • „Alles auf der Welt ist zunächst eine moralische und viel später erst eine politische Frage.“

    Inhalt:

    Der in Paris lebende Gabriel Bagradian ist 1915 in seinem armenischen Heimatdorf in der Türkei zu Besuch, als gegen alle Armenier ein Deportationsbefehl ergeht. Gabriel führt daraufhin knapp 5000 Menschen auf den Mosesberg (Musa Dagh). 40 Tage wehren sie sich erfolgreich gegen die türkischen Angriffe, bis sie von alliierten Kriegsschiffen gerettet werden. Bagradian bleibt auf dem Berg zurück, um am Grab seines Sohnes zu sterben.


    Meine Meinung:


    Der österreichische Schriftsteller Franz Werfel, selbst Jude und mit Alma Mahler, einer glühenden Antisemitin verheiratet, thematisiert in diesem mehr als 1.000 Seiten umfassenden historischen Roman den Völkermord an den Armeniern von 1915. Anlass war ein Besuch einer Teppichfabrik in Damaskus 1929, in der zahlreiche armenische Waisenkinder unterernährt ihr Leben fristeten.

    Werfel recherchiert und lässt sich sogar alle verfügbaren Akten kommen.

    Als das Buch 1933 erstmals erscheint, ahnt er zwar die Verfolgungen der Juden voraus, will sie aber noch nicht wahrhaben. Nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland 1938 übersiedeln Werfel und seine Frau nach Sanary-sur-Mer in Südfrankreich. Nach dem Vormarsch der Deutschen und der Besetzung von Frankreich flieht das Ehepaar Mahler-Werfel zu Fuß über die Pyrenäen aus dem besetzten Frankreich.

    In drei Büchern erzählt er die Geschichte des Gabriel Bagradian, eines in Paris lebenden Armeniers, der bei einem Besuch seiner alten Heimat in die Politik gerät und 40 Tage lang den türkischen Truppen am Musa Dagh trotzt.

    • „Das Nahende“
    • „Die Kämpfe der Schwachen“
      „Untergang Rettung Untergang“

    Werfels poetische, eindringliche und ins Mystische gleitende Sprache lässt die historischen Ereignisse wie in einem Film im Kopf des Lesers ablaufen. Eine echte Verfilmung haben die diversen türkischen Regierungen bislang verhindert.

    Bis heute kämpfen die Armenier gegen das Vergessen der Gräueltaten und um Anerkennung des Verbrechens als Völkermord, bei dem auch Deutschland keine gute Figur machte.

    Franz Werfel gibt den namenlosen Opfern eine Stimme und hat mit diesem Werk mehr für die Armenier getan, als alle diplomatischen Bemühungen zusammen. Franz Werfel bewahrt mit diesem Werk den staatlich verordneten Völkermord vor dem Vergessen.


    Fazit:


    Eine Hommage an das armenische Volk, das nach wie vor gegen das Vergessen dieses Genozids kämpft. Gerne gebe ich hier 5 wohlverdiente Sterne.

    "Ein Tag ohne Buch ist ein verlorener Tag"


    "Nur ein Lesender kann auch ein Schreibender sein oder werden" (Maria Lassnig/1919-2014)

  • mit Alma Mahler, einer glühenden Antisemitin verheiratet,

    Wie kommst du denn darauf? Sie war mit zwei Juden verheiratet und niemals den Nazis zugetan und sie verhalf einigen Menschen zur Flucht, das ist ja fast eine Verleumdung.
    Sie mag ja kein sehr sympathischer Mensch gewesen sein aber Antisemitisch war sie bestimmt nicht.

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Das hab ich beim Wikipedia dazu gefunden und ich muss sagen, ich bin auch sehr überrascht darüber!

    Im Klima zunehmender politischer Radikalisierung verstärkte sich der bei Alma Mahler schon immer vorhandene Antisemitismus weiter. Sie hatte es zur Bedingung gemacht, dass Werfel vor der Hochzeit aus der jüdischen Religionsgemeinschaft austreten müsse. Werfel war diesem Wunsch gefolgt, trat jedoch wenige Monate später, nämlich am 5. November 1929, ohne Wissen Almas wieder zum Judentum über. Auch der spätere Literaturnobelpreisträger Elias Canetti, der als Verehrer der Mahler-Tochter Anna in der Villa auf der Hohen Warte verkehrte, erzählt in seiner Autobiografie Das Augenspiel, wie Alma Mahler selbst Gustav Mahler verächtlich als „kleinen Juden“ bezeichnete.[98] Den deutschen Nationalsozialisten stand Alma Mahler positiv gegenüber. Die politischen Auseinandersetzungen nahm sie nicht als Kampf zwischen politischen Ideologien wahr, sondern als Auseinandersetzungen zwischen Juden und Christen. Auch im Österreichischen Bürgerkrieg nach der Parlamentsausschaltung durch Engelbert Dollfuß im Jahre 1934 stand sie eindeutig auf der Seite der Austrofaschisten.

  • mit Alma Mahler, einer glühenden Antisemitin verheiratet,

    Wie kommst du denn darauf? Sie war mit zwei Juden verheiratet und niemals den Nazis zugetan und sie verhalf einigen Menschen zur Flucht, das ist ja fast eine Verleumdung.
    Sie mag ja kein sehr sympathischer Mensch gewesen sein aber Antisemitisch war sie bestimmt nicht.

    Susannah hat ja schon den Wikipedia-Eintrag zitiert. Buchdoktor das Buch von Oliver Hilmes vorgestellt, das ich auch gelesen und rezensiert habe.

    "Ein Tag ohne Buch ist ein verlorener Tag"


    "Nur ein Lesender kann auch ein Schreibender sein oder werden" (Maria Lassnig/1919-2014)

  • Der Roman ist zweifellos ein Meilenstein und ich kann mir gut vorstellen, wie er Unterdrückten Trost spendet oder Hoffnung gibt. Marcel Reich-Ranicki schrieb in seinen Memoiren, dass der Roman in polnischen Ghettos herumgereicht wurde, Menschen bei der Lektüre weinten und sich darin wiedererkannten.


    Als Leser fiebert man einfach die über 1.000 Seiten mit, zunächst ungläubig ob der plötzlichen Massnahmen gegen die Armenier, beobachtet deren Vorbereitungen für den Umzug auf den Berg, kämpft in der Verteidigungsstellung mit und hofft auf Rettung. Einige Protagonisten wachsen einem ans Herz und bleiben unvergessen. Bei einem solchen Epos quasi unvermeidlich, erst recht wenn man nebenbei noch ein wenig im Internet zum Thema recherchiert. Da macht es auch nichts, wenn Franz Werfel ein paar Details abändert (bspw hat die Zahl 40 eine höhere symbolische christliche Wirkung als die tatsächlich überstandenen 53 Tage).


    Thematisch also ein superspannendes Motiv, mich nervte nur etwas der Schreibstil Franz Werfels. Alles sehr pathetisch, Gabriel Bagradian entwickelt sich zwar glaubhaft zu einer Führungspersönlichkeit, aber die ganze Geschichte ist auf ihn zugeschnitten. Andere Führungsfiguren aus dem Führungsrat wirken eher blass. Am meisten störte mich aber Frau Bagradian, die edle Französin, die nun "bei den unzivilisierten Wilden" im Exil lebt. Dieser ständige Gegensatz zwischen den zivilisierten Europäern und den "ursprünglichen, naturverbundenen" Armeniern war arg dick aufgetragen. Das Ganze natürlich exemplarisch am Sohn der Beiden dargestellt, wie er sich vom Aussenseiter zum Helden entwickelt - indem er natürlich vom Franzosen zum Armenier wird und alles Dekadente verliert.


    In einem Roman, in dem es um Völkermord geht, muss es wohl auch um "Rassenunterschiede" gehen, erst recht wenn man bedenkt, in welchem Jahr es geschrieben wurde. Aber mich störte diese ständige Verallgemeinerung und Begründung der jeweiligen Charaktereigenschaften durch die Rasse und den "zivilisatorischen Vorsprung" mit der Zeit.

    Daher einen Stern Abzug des ansonsten empfehlenswerten Buches. Wenn Werfel aber immer so übertrieben feierlich, inbrünstig und schwarz-weiss schreibt, dann lasse ich mir noch etwas Zeit für weitere Werke von ihm.

    Eine echte Verfilmung haben die diversen türkischen Regierungen bislang verhindert.

    Es ist zwar keine Hollywood-Verfilmung, aber doch "echt": 1982 wurde der Roman verfilmt, unter der Regie von Sarky Mouradian und mit einem Drehbuch von Alex Hakobian. Man kann ihn sich auf Youtube anschauen (über zwei Stunden), aber wegen der schlechten Bildqualität habe ich nach einer halben Stunde abgeschaltet.

  • Daher einen Stern Abzug des ansonsten empfehlenswerten Buches. Wenn Werfel aber immer so übertrieben feierlich, inbrünstig und schwarz-weiss schreibt, dann lasse ich mir noch etwas Zeit für weitere Werke von ihm.

    MIr fehlen nach Jahren noch immer ca. 50 Seiten, ich konnte einfach nicht mehr, Bernadette ist ziemlich schwülstig und der veruntreute Himmel auch, dafür der Stern der Ungeborenen gar nicht.

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker: