Sybille Hein - Eure Leben, lebt sie alle

  • Wann, wenn nicht jetzt?


    Eure Leben, lebt sie alle, Roman von Sybille Hein, 335 Seiten erschienen im dtv-Verlag.


    Fünf Frauen die sehr unterschiedlich sind, doch ein hauchdünner Faden verbindet sie alle.


    Marianne, Ellen, Freddy, Johanna und Luise, stehen am Grab des jungen charismatischen Musikers Jonas Kiekhöfel, seine Mutter Marianne und seine Freundinnen. Zwanzig Jahre später, gibt es immer noch ein Band, das die Frauen miteinander verbindet. Die Erinnerung.


    Das Buch teilt sich in sechs Runden, die einen kurzen Zeitabschnitt beschreiben. Jede Runde trägt einen Titel, der den Inhalt zusammenfasst. In jedem einzelnen Teil kommt jede der Frauen, außer Johanna zu Wort. Immer im Ich-Stil aus der Sicht der jeweils erzählenden Frau. Schlagfertige Dialoge und humorvolle Szenen haben mich schmunzeln lassen. Aber auch traurige, emotionale Augenblicke, gibt es zur Genüge. Ein Buch, welches mich nicht mehr losgelassen hat. Es steht unheimlich viel in diesem nicht unbedingt umfangreichen Buch, jede Zeile passt, kein Wort zu viel. Atmosphärisch überaus dicht erzählt, das ist der Autorin hervorragend gelungen.


    Flüssig und bildmalerisch erzählt, merkt der Leser gar nicht so recht, wie die Seiten dahinfliegen. Eine angenehme Spannung baut sich Kapitel für Kapitel auf. Die Charaktere sind ganz tief gezeichnet, nach einer kurzen Einlesezeit meint man, sie schon lange zu kennen. In fast jeder der Frauen habe ich Gemeinsamkeiten in meinem Leben entdeckt, so konnte ich mich mit beinahe allen identifizieren. Betroffen hat mich das Leben von Freddy gemacht, außer Marianne war es meine Lieblingsfigur. Ihre Sorge um den geliebten Vater im Seniorenheim konnte ich teilen, in einigen Entscheidungen fand ich sie jedoch reichlich naiv. Marianne und ihre Trauer um den verstorbenen Sohn, haben mich bis ins tiefste Mark bewegt, auch ihre Angst dement zu werden, ist sehr emotional. Das Leben von Ellen, so strapaziös, durch ihre vielfältigen Verpflichtungen und Tätigkeiten, immer hat sie das Gefühl nicht allem gerecht zu werden, welche berufstätige Mutter und Ehefrau kennt das nicht? Überhaupt nicht leiden konnte ich Luise, ihr mieser Charakter hat sich aber auch erst im Laufe der Erzählung herauskristallisiert. Egoistisch, oberflächlich, manipulativ und verletzend, charakterisiert sie wohl ziemlich genau.


    Besonders schön fand ich die Szenen zwischen Ellen und ihren Töchtern, oder Marianne und den Mädchen. Hat es doch gezeigt, dass jedes Lebensalter einer Frau Probleme bringt und sich diese Probleme oft gar nicht so groß unterscheiden.


    Dem Buch gerecht zu werden, ohne zu spoilern, ist schwierig, da bleibt nur die unbedingte Leseempfehlung meinerseits. Einziger Kritikpunkt, das Cover. Es ist einfach komisch. Die Farbgebung ist nicht gut gewählt und nicht zum Inhalt passend, einzig Jack Russell Terrier Mr. Spock, konnte ich klar identifizieren.

    Von mir 5 Sterne. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study::musik::montag:


    Und wenn mir alle Königskronen für meine Bücher und meine Freude am Lesen angeboten wären: Ich würde sie ausschlagen.
    François Fénelon

  • Kurzweilig, leichtfüßig, allzu bemüht

    Wieder mal so ein Buch, das wirklich alle Klischees bedient: Frauenbuch, Frauenthemen, Frauenprobleme. Wie am Reißbrett ist der Handlungsaufbau konstruiert. Alle Spielarten weiblicher Charakteranlagen kommen zum Zuge: die Kümmerin, die Narzisstin, das Sensibelchen, das Powerweib - und über allen thront die mütterliche Freundin, an der Oberfläche abgeklärt und weise, aber mit massiven Altersängsten, deren jung verstorbener Sohn die Konstruktion des weiblichen Quintetts zusammenhält. Alle, wirklich alle Probleme von Frauen in der Lebensmitte werden heruntergefiedelt, dargeboten in einem Tonfall, der penetrant um Beifall heischt: bin ich nicht witzig, sind meine Formulierungen nicht originell? Eine flotte Feierabendlektüre, ja - ein ambitioniertes Zeugnis literarischer Gestaltung: ganz gewiss nicht!

  • Zeit für eine Lebensinventur


    Der lockere und humorvolle Schreibstil der Kabarettistin Sybille Hein führt vom Prolog über sechs Runden zum Epilog. Ein winziges Spinnentier namens Jonas spinnt sich in das Leben von fünf äußerst unterschiedlichen Frauen. Jeweils aus Sicht der einzelnen Protagonistinnen erzählt, taucht die Leserin immer mehr in die Persönlichkeiten, Schicksale und Lebenssituationen der Damen ein. Das macht den Roman sehr abwechslungsreich und vielschichtig, aber anfangs auch etwas kompliziert bis man alle sortiert hat. Die überspitzten Beschreibungen insbesondere der unsympathischsten Hauptdarstellerin haben mir dabei sehr gut gefallen. Ich bin durch die Seiten geflogen und fühlte mich gut unterhalten.


    Mein Lieblingszitat: „Man kann nicht alles haben, und wenn man es versucht, läuft man Gefahr, genau das zu verlieren, was einem am meisten bedeutet."


    Normalerweiseder erste Eindruck, aber hier aus gutem Grund zum Schluss gewürdigt – das over: Die Frauen auf dem Bild passen für mich auch im Nachhinein nicht zum Buchinhalt. Den Rest habe ich im Buch wiederfinden können. Auch nach der Lektüre werde ich aber mit dem Cover nicht warm. Es hätte mich beim Stöbern im Buchladen nicht eingeladen, mich näher mit dem Inhalt zu befassen. Schade, denn für mich hat das Buch insgesamt durchaus 4 Sterne verdient. Aber umso besser, dass es Leserunden und Buchverlosungen gibt!