Astrid Nylander Almaas/Kirsten Holtmon Resaland - Immer mehr ganz du: ... /Helt ærlig

  • ... Das Handbuch zu allen Lebensfragen


    Klappentext/Verlagstext

    Der Ratgeber, der Jugendlichen fundiert und einfühlsam Antworten auf die großen und kleinen Fragen des Lebens bietet, ab 12 Jahren.

    Diese Texte kennen keine Tabus. Es geht um Selbstfindung, Körper und Body-Image, Sex, Beziehungen, Psyche und Weltgeschehen. Doch dieses Buch macht auch vor ernsten Themen wie Scheidung der Eltern, Selbstmordgedanken und Essstörungen nicht halt. Die Autorinnen nehmen Unsicherheiten ernst, ohne Druck auszuüben. Auf diese Weise bieten sie nicht nur Orientierung und Zuversicht, sondern machen auch Mut, die Dinge zu hinterfragen: Um frei zu sein, die eigene Persönlichkeit zu entwickeln und zu ihr zu stehen.

    Das Handbuch zu allen Lebensfragen: Empfehlenswert für Jugendliche ebenso wie für Eltern und Lehrer*innen


    Die Autorinnen

    Astrid Nylander Almaas (*1975) hat an der Universität Oslo studiert, ist Chefärztin am Akershus Universitätsklinikum in Oslo , Fachärztin für Kinder- und Jugendkrankheiten und promovierte über Gehirnentwicklung und Ernährung bei Kindern.


    Kirsten Holtmon Resaland (*1980) ist Spezialistin für klinische Kinder- und Jugendpsychologie. Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der psychischen Gesundheit von Jugendlichen.


    Die Illustratorin

    Kristine Sand arbeitet seit 2009 als freie Illustratorin. Sie hat einen Abschluss der Academy of the Arts in Oslo und der School of Visual Arts, New York.


    Inhalt

    “Immer mehr ganz du” hat mit fast 400 Seiten einen für ein Jugendsachbuch ungewöhnlichen Umfang. Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt, dass das Buch für (für Jugendliche ab 12 und Erwachsene) folgende Schwerpunkte setzt: Jugendliche und die Konflikte, die in ihrem „Inner Circle“ entstehen können, Gefühle, Sexualität und Körperbild, „schwere Zeiten“ und wie Betroffene sich in Krisen Hilfe holen können. Ein vom Umfang kürzeres Kapitel befasst sich mit dem hochaktuellen Thema Urteilsfähigkeit; es zeigt auf, wie Jugendliche Informationen und Quellen beurteilen lernen, (wie Gerüchte, Zeitungsenten und Fakenews produziert werden) und was z. B. Kausalität und Korrelation unterscheidet.


    Die Kapitel über Gefühle, Beziehungen und Konflikte wirken für die jugendliche Zielgruppe ab 12 sehr tiefgehend und professionell. Im Auge behalten die Autorinnen stets den schmalen Grat zwischen normalen Krisen und psychischen Erkrankungen, die therapeutische Hilfe erfordern. Es geht hier z. B. um das Selbstbild, Selbstvertrauen, den persönlichen Nörgler im Kopf und den „kognitiven Diamanten“ (wenn Denken, Fühlen und körperliche Reaktion sich gegenseitig beeinflussen). Die Autorinnen ermutigen ihre Zielgruppe u. a., kritisch zu hinterfragen, wer daran verdient, dass Schönheitsideale und Bodyshaming meist zum Konsum anhalten …


    Die Kapitelüberschrift „Gefährlich Gedanken“ finde ich geschickt formuliert, weil sie alltäglichen negativen Einstellungen, Tratsch etc. Raum lässt und nicht gleich mit therapiebedürftigen Störungen ins Haus fällt. Auch das Kapitel zur Sexualität macht einen hilfreichen, seriösen Eindruck. Es setzt den Schwerpunkt beim Grenzen setzen und respektieren, Minderjährige zu schützen und insbesondere Diversität auf der Skala sexueller Identitäten zu respektieren. In „Schwere Zeiten“ geht es explizit um schwere Erkrankungen, Tod, Trennung der Eltern samt Konflikten in neuen Bonusfamilien der getrennten Eltern und dass gut gemeintes Kümmern allein betroffenen Jugendlichen längst nicht weiterhilft. Auch das Kapitel über Psychische Probleme kommt explizit zur Sache mit Angststörung, PTBS, Zwangsstörung, bipolarer Störung, Depression, Psychosen, ADHS, Autismus, Drogen, Essstörungen u. a.


    Das Themenspektrum zeigt der Zielgruppe auf, dass alle Menschen Probleme, Zweifel und Krisen haben, dass man als Betroffener oder Angehöriger jedoch rechtzeitig erkennen muss, wann Hilfe durch einen neutralen Erwachsenen/Therapeuten nötig ist. Die Autorinnen (als Psychologin und Ärztin) betonen, dass Jugendliche außer Therapeuten weitere Unterstützer brauchen, z. B. die allerbeste Freundin, die sie in der Krise nicht im Stich lässt.


    Angenehme empfinde ich die stets wertschätzende Sprache der Autorinnen und der Übersetzerin Karoline Hippe, die sicherlich auch erwachsenen Betroffenen guttut. Krisen des Jugendalters werden sachlich dargestellt, ohne Jugendliche als „Problembündel“ zu sehen. Den Autorinnen gelingt es, in einfacher Sprache schwerwiegende psychische Probleme zu erklären und Prozesse verständlich zu machen. Wer zu diesem Thema Texte für Erwachsene in einfacher Sprache sucht oder selbst formulieren will, sollte einen Blick in das Buch werfen.


    Rein optisch sorgen farbige Seiten, farbige Schrift, ein lockeres Layout und der kräftige Strich der Illustratorin Kristine Sand für einen niederschwelligen Zugang zu den sehr ernsten Themen. Der Band ist bewusst zum darin Blättern angelegt und kann wie ein Lexikon benutzt werden. Das Literaturverzeichnis, die Liste von 30 Experten, die die Autorinnen beraten haben, und der Service-Teil mit Anschriften von Beratungsstellen hinterlassen einen seriösen Eindruck.


    Fazit

    Eltern sind häufig skeptisch, ob 12-Jährige sich bereits mit den og. Problemen und Erkrankungen befassen sollten. Meine Erfahrung ist, dass Jugendliche als Mentor, Klassensprecher, Trainer schon früh existenzielle Krisen Gleichaltriger erleben und es sehr hilfreich sein kann, wenn sie sich (als Nichtbetroffene, aus sozialem Interesse) bereits mit psychischen Erkrankungen befasst haben. Mit seiner Themenwahl und der unaufgeregten wertschätzenden Sprache empfehle ich das Buch interessierten Jugendlichen wie Erwachsenen, Schulbibliotheken und Therapeut/Innen für ihre jungen Klient/Innen.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Ravik Strubel - Blaue Frau

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow