Emma Cline - Daddy

  • In „Daddy“, mit zehn Kurzgeschichten/Storys, stehen selbstredend Väter im Mittelpunkt. Von ihren erfolglosen Kindern enttäuschte Väter, brutale Väter, Väter, die ihre übergriffign Söhne rauspauken nach dem Motto: "Der Papa wird's schon richten." Was freilich nicht gerichtet werden kann, ist die Beziehung zwischen den beiden.


    Eine Verkäuferin, die darauf wartet, dass ihre Schauspielausbildung Früchte trägt und mehr aus Langeweile denn Geldnot auf abgelegenen Parkplätzen ihre getragene Unterwäsche verkauft und dabei in eine gefährliche Situation gerät. Eine ebenfalls gelangweilte Hausfrau Mitte 30, die sich online zuerst als naive blonde High-School-Cheerleaderin ausgibt und dann als geiler Mann – und sowohl in der einen wie in der anderen Rolle postet sie Fotos von sich selbst in neckischen Posen. Ein Mann, der irgendetwas angerichtet hat, was genau, wird nicht verraten, aber er hat seinen Job verloren, seine ganze Existenz ist ins Rutschen geraten, und jetzt wird er panisch, weil ihm eine Kontaktlinse hinters Auge gerutscht ist. Emma Clines Figuren sind kaputt.


    Kurzgeschichten sind weit anspruchsvoller als Romane. Viel zu kurz, um viel zu erklären. Der Leser ist gefordert. Diese literarische Form ist offen. Bei vielen dieser Väter-Geschichten lässt Emma Cline sie auch zu, diese Offenheit: Es ist vor Weihnachten, die schon flügge gewordenen Kinder kommen über die Feiertage nach Hause, nisten sich wieder ein, Zeit für John, sich zu erinnern, etwa an die Disney-Filme, die sie damals als Familie gemeinsam geschaut haben, und immer war da ein Dad, dem die Töchter fröhlich um den Hals fielen. Zeit auch, sich zu ärgern: Über Chloe, die ihn ungerührt ihres Zimmers verweist, dabei ist er doch nur gekommen, um ein bisschen zu reden. Über Sasha, die während des Tischgebets aufs Handy starrt. „Der Drang, sich das Ding zu schnappen, es zu zerschmettern. Aber am besten nicht wütend werden, sonst würde Linda auf ihn wütend werden, sie würden alle wütend werden. Wie leicht man alles verderben konnte.“


    Die Männer bei Emma Cline sind oft bedrohlich. Da küsst ein Vater die eigene Tochter und deren Freundin zur Guten Nacht auf den Mund. Cline beschreibt hier weniger den Vater als die Folgen für die Mädchen, 13 und elf Jahre alt, die auf die sexualisierte Atmosphäre im Haus auf ihre Weise reagieren. Sie blödeln, klauen Unterwäsche, blättern den „Playboy“ durch und fragen sich, ob das Mädchen, das von Roman Polanski missbraucht wurde, schon Brüste hatte und ihre Periode. „Wir waren neidisch, stellten uns einen Freund vor, der einen so sehr begehrte, dass er gegen das Gesetz verstieß.“ „Das Kindermädchen“ ist die stärkste Geschichte des Bandes, zwingend, drängend, dicht.

    Illusionslos.

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