Alain Mabanckou - Zerbrochenes Glas / Verre cassé

  • Autor: Alain Mabanckou
    Titel: Zerbrochenes Glas, aus dem Französischen übersetzt von Holger Fock und Sabine Müller
    Originaltitel: Verre cassé, erschien erstmals 2005
    Seiten: 224 Seiten
    Verlag: liebeskind
    ISBN: 9783954380060


    Der Autor: (von der liebeskind-Verlagsseite)
    Alain Mabanckou wurde 1966 in der Republik Kongo geboren. Mithilfe eines Förderstipendiums verließ er Ende der Achtzigerjahre seine Heimat, um in Paris sein Jurastudium fortzusetzen. Danach trat er in einen französischen Wirtschaftskonzern ein, für den er fast zehn Jahre lang als juristischer Berater tätig war. Während dieser Zeit erschienen zwei Lyrikbände und sein Debütroman, für den er den Grand Prix littéraire de l’Afrique noir erhielt. Weitere Romanveröffentlichungen folgten, darunter »Zerbrochenes Glas« (2005) und »Black Bazar« (2009). Mit dem Roman »Stachelschweins Memoiren« gewann er 2006 den Prix Renaudot, 2012 wurde er von der Académie française für sein Gesamtwerk mit dem Grand Prix de Littérature ausgezeichnet. 2015 stand er mit »Die Lichter von Pointe-Noire« auf der Shortlist des Man Booker International Prize. Alain Mabanckou lebt in Paris und Los Angeles.


    Inhalt: (Klappentext)
    »Zerbrochenes Glas« ist Stammkunde einer heruntergekommenen Bar in Brazzaville, deren Name Programm ist: »Angeschrieben wird nicht«. Tag für Tag versammelt sich hier ein Haufen skurriler Gäste, um Palmwein zu trinken und über das Leben zu schwadronieren. Der Kirche ist die Bar ein Dorn im Auge, denn manch einer der Gläubigen erliegt der Versuchung, die Messe zu schwänzen und stattdessen einen zur Brust zu nehmen. Doch die ständigen Anfeindungen lassen den Wirt kalt, schließlich nennt man ihn nicht umsonst »Sture Schnecke«. Und die Kundschaft zeigt sich solidarisch bis zum letzten Tropfen: Als »Zerbrochenes Glas« sich daranmacht, für die Nachwelt die Historie des Etablissements niederzuschreiben, erzählt jeder Gast nur allzu gerne die Geschichte seines Lebens ...


    Meinung:
    Nun denn: meine erste Lektüre eines Schriftstellers aus der Republik Kongo, wohlgemerkt dem Kongo mit der Hauptstadt Brazzaville, nicht die Demokratische Republik Kongo mit der Hauptstadt Kinshasa (obwohl ich von dort auch noch keinen Roman gelesen habe).

    Der Roman handelt von einer Bar in der Hauptstadt, die sozusagen ein Treffpunkt für Säufer und gescheiterte Personen ist. Der Wirt beauftragt den ehemaligen Lehrer, genannt Zerbrochenes Glas, um eine Geschichte über die Bar «Angeschrieben wird nicht» zu verfassen. Und sogleich kommen die (stets männlichen) Stammgäste herbei, um von ihrem Schicksal zu erzählen, denn ohne ihren Bericht ist das Buch unvollständig, schließlich mussten sie das grösste Leid von allen ertragen.


    Und so enthält die erste Hälfte des Buches allerlei Geschichten, zusammenhanglos, über diverse Unglücke, die erlitten wurden. Das Ganze in einer Sprache, ziemlich derb, und so niedergeschrieben, wie der Gedankenfluss des Schreibers oder des Redners wohl war: seitenweise ohne Punkt, manchmal ein Komma oder ein Absatz. Zumeist aber ein Wortschwall, ein Gedankenstrom, Erklärungen liefernd, von einem Thema aufs andere wechselnd, in einem langen Satz auslaufend. Zunächst ungewohnt zu lesen, aber es gefiel mir ganz gut und hat auch prima zum Thema «Thekengespräche» gepasst. Die Betroffenen entladen sozusagen ohne Punkt und Komma ihren Frust von der Seele. (Übrigens nicht nur deren Geschichten, sondern das ganze Buch ist so verfasst: ein Satz zieht sich typischerweise über 2-3 Seiten)


    Im zweiten Teil geht es mehr um den Lehrer selbst, um sein Schicksal, um die Trauer um seine Mutter und seine Schwierigkeiten mit seiner Frau (und ihrem Unverständnis für seine Trinksucht). Und diese zweite Hälfte empfand ich als deutlich schwächer. Das Buch fing sehr stark an, beginnend mit einer polemischen Kritik an der Regierung von Kongo, der Diskussion ob man die Bar verbieten sollte, nach einer griffigen Parole suchte, etc, hin zu einem Monolog über das eigene Versagen.


    Da nach einem gelungenen Anfang das Buch immer schwächer, und die Erzählungen der Gäste immer derber (z. Bsp. Wettpinkeln) wurden, hadere ich ein wenig mit der Bewertung. Den Erzählstil mit ellenlangen Sätzen fand ich toll, die Szenerie mit einer heruntergekommenen Kneipe war ganz nett, aber die Bar hätte auch sonst wo stehen können, und die Wortwahl erschien mir nun provozierend «platt».


    Hilfreich waren noch die 4 Seiten Anmerkungen im Anhang, die zusätzliche Informationen zu im Text erwähnten Sängern, Orte und Geschehnisse geben. Insgesamt ein gutes Buch, ich werde nach weiteren Romanen von Alain Mabanckou Ausschau halten, denke aber, dass dies nicht unbedingt der beste Roman von ihm ist.


    Dennoch: als The Guardian im Sep 2019 die 100 besten Romane seit 2000 auflistete, kam dieses Werk immerhin auf Platz 99!

  • Und hier ein Link zum französischsprachigen Original:


    Verre Cassé est un client assidu du Crédit a voyagé, un bar congolais des plus crasseux. Un jour, L'Escargot entêté, le patron, lui propose de mettre sur papier les prouesses héroïco-comiques des habitués... Dans un cahier de fortune, sous la plume désabusée de cet ancien instituteur ivrogne, prend vie l'histoire horrifique d'une troupe d'éclopés aux aventures fantastiques.