Kazuo Ishiguro - Der begrabene Riese (ab 05.09.2021)

  • Menschenfresser

    Wenn wir uns von der mystischen Fabelwelt entfernen möchten. Damit können auch Tiere gemeint sein, denn es ist gut möglich dass die Bewohner der damaligen Zeit für gewisse Arten noch keinen Namen kannten.

    Das ist jetzt reine Spekulation meinerseits.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Kapitel 2


    Nun sind wir endlich auf der Reise und die Beiden erweisen sich als sehr harmonisches

    und auch vorsichtiges Paar. Beatrice kennt den Weg zwar nur aus vagen Erinnerungen,

    aber sie kämpft sich voran, und mahnt, wo nötig, vor vergrabenen Gefahren. Aber auch

    Axl hat seine Aufgabe. Er, der hinter Beatrice geht, ist den Gefahren eines Angriffs stärker

    ausgesetzt und man versichert sich gegenseitig: "Are you still there, Axl?" "Still here,

    princess." Axl hält zusätzlich Ausschau nach aufkommenden Nebel und dunklen Stellen

    am Horizont.

    Auf der Wanderung der Beiden ist es Beatrice, die zur Vorsicht mahnt und darauf besteht, dass das Hügelgrab, das Grab des begrabenen Riesen, nicht betreten werden darf.

    Das heißt für mich:

    es darf nur ja nichts angerührt werden, nur ja nichts geweckt werden, das Vergrabene muss schön in Ruhe gelassen werden, lieber nimmt man persönliche Nachteile in Kauf

    Gefahren zu erwecken wäre allerdings auch der Reise abträglich und der begrabene

    Riese birgt ja eine große Gefahr in den Köpfen der Beiden. So steht im Vordergrund

    die Reise zum verlorenen und fast vergessenen Sohn. Die Verbindung vom kollektiven Vergessen und dem begrabenen Riesen ist ihnen vielleicht noch nicht klar. Also lassen

    sie diese Gefahr noch schlafen.


    Als sie in der Villa ankommen und dieses seltsame Paar antreffen, läuteten für mich, vor

    allem bei der Erwähnung des dunkel gekleideten Fährmanns, alle mythologischen

    Glocken. Schauerlich schön beschrieben erscheinen die Beiden geheimnisvoll und

    vielleicht auch gefährlich:

    Zitat

    The oddly frozen stances of the tall man and the old woman seemed to cast

    a spell on Axl and Beatrice, for now they too remained as still and silent.. It

    was almost as if, coming across a picture and stepping inside it, they had

    been compelled to become painted figures in their turn.

    Das Bild des uralten Mythos des Fährmanns, der in der griechischen, römischen und

    auch der nordischen Mythologie am Fluß Acheron oder Styx weilt und dort die Menschen

    in das Reich der Toten führt, erfasst nun auch Axl und Beatrice.

    Ich habe mir da mal ein paar Gemälde und Statuen von Charon, dem Fährmann angeschaut

    und das passt sehr gut zu Ishiguros Beschreibung des Mannes in der Villa.

    Bedeutender für Beatrice, die sofort weiterdenkt und ob der Geschichte des Fährmanns

    und der am Fluss zurückgelassenen alten Frau an sich und Axl denkt. Wie könnten sie

    zusammen über den Fluss, wenn das Vergessen weiter anhält und sie die Fragen nicht

    beantworten könnten.

    Zitat

    But she went on speaking about how this land had become cursed with a mist of

    forgetfulness....

    How will you and your husband prove your love for each other when you can`t

    remember the past you`ve shared?

    Letztendlich lernen die Beiden aber, dass die einzige Möglichkeit das zurückholen der

    Erinnerungen ist. Sie erkennen, dass der Kampf gegen das Vergessen der Zweck

    ihrer Reise ist. Das Vergrabene muss erweckt werden und letztlich dann wohl auch der

    begrabene Riese.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Hallo ihr Lieben, ich habe es fertig gebracht und habe mich so verhoben, dass ich direkt Schmerzen bekommen habe, vermutlich Hexenschuss oder so, Es war der tolle Moment wo man beim hochheben merkt, dass diese Bewegung gerade absolut und total keine gute Idee war. Nüja, wird auch vorüber gehen. Deshalb jetzt etwas kürzer zu Kapitel 1, welches ich gehört habe.


    Eure Anmerkungen lese ich morgen. Ich hoffe doch, dass dann das schlimmste vorbei ist und ich etwas länger sitzen kann. :uups:


    Kapitel 1

    Mir wurde so richtig bewusst, dass die Wohnstatt ähnlich wie ein Hügelgrab ist. Warum Axl und Beatrice so weit weg vom wärmenden Feuer entfernt wohnen muss, erschließt sich mir nicht so recht. Überhaupt ist die Gemeinschaft nicht sehr fürsorglich zu den Beiden.

    Auffällig auch das Vergessen der Vergangenheit. Auch erst kürzlich erlebtes ist schon verschwunden, wie ich daraus schließen konnte wie sich Axl an eine rothaarige sehr freundliche Frau erinnerte, die fragte ob sie etwas zu Essen haben wollen, aber niemand sonst in der Gemeinschaft. Auch die Erinnerung an ihrem eigenen Sohn kommt eher mühselig und ganz wenig zurück. Der Name ist wie verschwunden.


    Alles erscheint wie eine Sage aus einer fernen Zeit, mit Menschenfressern und Zaunkönigadlern. Eingetaucht im Nebel. Ich muss gerade an das Mädchen denken, dass verschwunden und für immer weg schien. Bis sie plötzlich auf Axl stieß und mit ihm gemeinsam wieder zur Dorfgemeinschaft zurück kam. Als Mutter wäre ich überglücklich gewesen mein Kind zurück zu haben. Das Benehmen der Frau war da eher seltsam. Kurzes, eher unwilliges Feststellen der Anwesenheit des Kindes und husch kümmerte sie sich wieder um anderes. Für das Kind schien das nichts neues.



    Dann noch die Frau, um die sich Beatrice so freundlich gekümmert und gesprochen hatte. Während die Dorfbewohner lieber auf Abstand und Beatrice aufs übelste beschimpft haben, dass sie die Frau doch ignorieren soll.Wer war sie und vor allem was hat sie zu Beatrice gesagt. Das weckt meine Neugierde.


    Und was mir noch besonders im Gedächtnis haften blieb war die Kerze, die das alte Paar von einem Kind geschenkt bekommen haben. Wenigstens ein wenig Licht im Dunklen. Und wie die Dorfgemeinschaft, vor allem der Pfarrer, ihnen dieses wieder entrissen haben. Ein Licht im Dunkeln. So klein wie die wenigen Erinnerungsfetzen, die Beatrice und vor allem Axl haben.


    Ach ja, und wenn ich es richtig gehört habe, dann gab es noch etwas merkwürdiges, außer dem scheinbaren Dauernebel. Axl hatte im Herbst beim Acker geholfen und es wäre eine schwere Arbeit gewesen, weil der Boden tiefgefroren war. Das würde für mich eher zum Winter passen. Natürlich könnte man sagen, auch im Herbst kann der Boden gefrieren, aber so tief, dass die Arbeit erschwert wird. Vielleicht finde ich die Stelle im Buch wieder.


    Ein toller Anfang der sehr neugierig macht.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Ich hoffe doch, dass dann das schlimmste vorbei ist und ich etwas länger sitzen kann. :uups:

    Leider ist mein Wunsch nicht in Erfüllung gegangen. Ich war gestern noch beim Arzt, weil die Schmerzen schlimmer wurden. Das so eine einzige dumme Bewegung so eine Auswirkung haben kann. :roll: Das war vermutlich der bekannte Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte.

    Hoffentlich ist es nächste Woche wieder besser. Drückt mal die Daumen. Ich melde mich Anfang nächste Woche wieder.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Beatrice scheint mir ein wenig wacher zu sein, als Axl. Sie denkt und hinterfragt. Während Axl das macht, was er muss und fertig.

    Denkst du wacher im Sinne, wie sie mit der Frau auf dem Hügel spricht?

    Nein. Ihre Art. Sie freut sich über die Kerze, die ein Kind ihr geschenkt hat. Sie ist aufgeschlossener gegenüber Fremden. Sie bekommt Gespräche von anderen Frauen mit. Sie kämpft auch um die Kerze. So trist und dunkel alles drumherum dargestellt wird, ist sie doch sehr wachsam und hinterfragt einiges. Zum Beispiel, das Axl langsam bei der Arbeit ist. Während Axl im Zahnrad der Gesellschaft läuft. Für ihn ist die Situation so normal.

  • Kapitel 2 Seite 30 - 47 (E-Book)


    Eigentlich sind die beiden obwohl scheinbar nur noch geduldet, dennoch sehr in die Gemeinschaft eingebunden. Vor allem sind sie darauf angewiesen dass sie ihre Reise mit dem nötigen was sie brauchen erhalten werden.

    Da der Autor der Fokus mehr auf Beatrice und Axl legt, erfährt man sehr wenig wie die andern Menschen in dieser Siedlung sind.

    Oder nur in wenigen Szenen wie in Kapitel eins - welche jedoch kein positives Licht auf die Menschen abgeben.

    Als Mutter wäre ich überglücklich gewesen mein Kind zurück zu haben. Das Benehmen der Frau war da eher seltsam. Kurzes, eher unwilliges Feststellen der Anwesenheit des Kindes und husch kümmerte sie sich wieder um anderes. Für das Kind schien das nichts neues.



    Nun sind wir endlich auf der Reise und die Beiden erweisen sich als sehr harmonisches

    und auch vorsichtiges Paar.

    Dies ist auffallend, und auch sehr berührend - man kann sich das sehr gut vorstellen - Beatrice voran und ihre ständige Frage - das geduldige Antworten von Axl.


    Beatrice kennt den Weg zwar nur aus vagen Erinnerungen,

    aber sie kämpft sich voran, und mahnt, wo nötig, vor vergrabenen Gefahren.

    Damit erfährt man auch dass die Frauen wenn sie unterwegs in das Sachsendorf waren, sich über mögliche Gefahren unterhalten haben. Sicher nicht nur über die Gefahren welches das Gelände verbarg, ebenso Gefahren welche von möglichen Dämonen und anderen Wesen ausging. Wie weit das mit einem gewissen Aberglauben zusammen hing, darüber kann man nur spekulieren. Vor allem auch von wem aus ging solcher Aberglauben, wer förderte diesen auch. Was sicher ist er wurde von Generationen auf Generationen übertragen und spukte somit ständig in den Köpfen der Menschen.


    Etwas besonderes ist der Hügel welche sie umrunden müssen, was Beatrice sehr betont. Jetzt wird auch zum ersten Mal Jesus Christus erwähnt, was ein klares Zeichen ist dass die Menschen eigentlich dem christlichen Glauben zugehörig sind.


    Ich mag mich erinnern dass bei John Burnside in seinem Buch -Über die Schönheit des Moments - dies ein Thema war. Die Menschen obwohl christlichen Glaubens dennoch Geister und Dämonen ein wichtiges Element des Lebens waren.


    Als sie in der Villa ankommen und dieses seltsame Paar antreffen, läuteten für mich, vor

    allem bei der Erwähnung des dunkel gekleideten Fährmanns, alle mythologischen

    Glocken.

    Die Beschreibung dieser Begegnung wird sehr eindrucksvoll beschrieben. Ich habe mich auch sofort mit dem Fährmann beschäftigt.

    in Hermann Hesse's -Siddharta ist der Fährmann Vasudeva derjenige welche Siddharta den Weg zur Erleuchtung deutet.

    Nicht von ungefähr hält die Frau ein Kaninchen auf dem Schoss. Das Kaninchen oder Hase ist im Leben der verschiedner Kulturen mit unterschiedlicher Symbolik ständig präsent.

    Wikipedia

    Ganz langsam nähern wir uns dem essentiellen der Geschichte - die Wichtigkeit das vergessene zurück zu holen.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Kapitel 2


    Mir fällt auf der Reise vor allem die sehr ritualisierte Konversation der beiden auf. Das Wiederholen der immer gleichen Formeln und auch das ständige Verwenden des Vornamens oder Kosenamens. (Wobei für mich das Wort "Prinzessin" irgenwie aus dem Rahmen fällt, das will mir zeitlich nicht recht passen.) Ich hoffe, dass diese Art zu sprechen noch erklärt wird, vielleicht durch das Vergessen? Schön zu lesen finde ich sie nämlich nicht unbedingt.


    Die Begegnung mit der Fährmann und der alte Frau rief bei mir auch sofort die verschiedensten Assoziationen wach, zum einen natürlich der Fährmann über den Styx. Die gesamte Episode hat für mich aber auch märchen- bzw. sagenhafte Elemente (Liebende, die auf eine Probe gestellt werden). Und sie hat auch die Moral, dass Dinge nicht immer so sind, wie sie auf den ersten Blick scheinen und man sich zuerst beide Seiten einer Geschichte anhören sollte.


    Sie erkennen, dass der Kampf gegen das Vergessen der Zweck

    ihrer Reise ist.

    Das scheint ein Thema zu sein, mit dem Ishiguro sich häufiger befasst, in "Damals in Nagasaki" spielt das ja ebenfalls eine große Rolle. Und es wird sich wohl auch hier noch zeigen, ob Vergessen wirklich ein Fluch ist oder ob es auch ein Segen sein kann. Wer weiß, was die beide vergessen haben, an manches will man sich vielleicht gar nicht mehr erinnern, wenn man die Wahl hat.


    Kapitel 1

    Ich muss gerade an das Mädchen denken, dass verschwunden und für immer weg schien. Bis sie plötzlich auf Axl stieß und mit ihm gemeinsam wieder zur Dorfgemeinschaft zurück kam. Als Mutter wäre ich überglücklich gewesen mein Kind zurück zu haben. Das Benehmen der Frau war da eher seltsam. Kurzes, eher unwilliges Feststellen der Anwesenheit des Kindes und husch kümmerte sie sich wieder um anderes. Für das Kind schien das nichts neues.

    Das könnte theoretisch aber auch mit dem Vergessen zu tun haben, so dass den Eltern keine richtige Beziehung zu ihrem Kind gelingt. Oder eben eine Darstellung des Charakters der anderen Bewohner - vielleicht auch eine Mischung aus beidem.

  • Ich hoffe, dass diese Art zu sprechen noch erklärt wird, vielleicht durch das Vergessen? Schön zu lesen finde ich sie nämlich nicht unbedingt.

    Ich habe das Gefühl, dass Ishiguro die Sprache sehr bewusst karg und einfach gehalten hat.

    Die beiden sind bodenständige, einfache Menschen zu denen eine reiche Sprachfähigkeit

    nicht wirklich passend wäre. Die Ritualisierung der Ansprache entsteht ja auch durch die

    Gefahr dieser Reise zu zweit. Man versichert sich dabei gegenseitig das keine Gefahr droht.

    Das wirkt alles sehr nüchtern, da bin ich ganz bei dir, aber ich finde es passt recht gut.


    Und es wird sich wohl auch hier noch zeigen, ob Vergessen wirklich ein Fluch ist oder ob es auch ein Segen sein kann. Wer weiß, was die beide vergessen haben, an manches will man sich vielleicht gar nicht mehr erinnern, wenn man die Wahl hat.

    Zuerst einmal wirkt es eher wie ein Fluch, aber das könnte sich natürlich auch noch in eine

    andere Richtung entwickeln, denn die vergessenen Erinnerungen können ja durchaus

    auch erlebten Schmerz und Trauer wieder hervorholen. Ich bin auf jeden Fall gespannt

    wie Ishiguro das weiter entwickelt.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Kapitel 2


    Beatrice und Axl sind jetzt unterwegs. Sie haben sich vorher noch einige Sachen zusammengestellt. Warum das nicht auffiel in der Gemeinschaft? Dann war die Bemerkung


    Zitat

    Wird es nicht merkwürdig sein, unsere Nachbarn zu verlassen, mit denen wir so viele Jahre gelebt haben, auch wenn sie sich manchmal über unsere grauen Haare lustig machen?

    Warum sollte man sich über graue Haare lustig machen? Sie scheinen ja die einzigen älteren Bewohner zu. Was ist mit den anderen passiert? :-k Komisch.


    Beatrice geht voran und Axl hinterher. Wenn sie soviel vergessen haben, kann sich Beatrice aber noch gut an den Weg erinnern. :scratch:


    Der Fährmann und die alte Frau. Ehrlich gesagt, habe ich es nicht so verstanden. Auch die Geschichte nicht. Waren die überhaupt real? ?(


    Bis jetzt bin ich nicht so begeistert. Vielleicht ändert es sich noch.

  • Beatrice und Axl sind jetzt unterwegs. Sie haben sich vorher noch einige Sachen zusammengestellt. Warum das nicht auffiel in der Gemeinschaft?

    Der Gemeinschaft war bekannt dass die beiden abreisen werden. Das zeigt sich indem sie um die nötigen Waren zu erhalten mit den andern Personen handeln mussten.

    Zitat

    Es war jedoch noch vieles zu erledigen, bevor sie sich auf den Weg machen konnten. …. War viel Handeln und Feilschen mit den Nachbarn nötig.


    Beatrice geht voran und Axl hinterher. Wenn sie soviel vergessen haben, kann sich Beatrice aber noch gut an den Weg erinnern.

    Mit dem Vergessen ist nicht das Vergessen gemeint wie man einen Weg findet, wie man die täglichen Aufgaben erledigt.

    Es ist das Vergessen - der Verlust wichtiger, das Leben bestimmende Erinnerungen - (denken wir an den Nebel, welcher schwer über dem Land liegt- welcher sicher Einfluss auf die Menschen hat)

    Es ist gar nicht so einfach dies richtig zu formulieren - vielleicht gelingt es einem andern Leser etwas besser.


    Der Fährmann und die alte Frau. Ehrlich gesagt, habe ich es nicht so verstanden. Auch die Geschichte nicht. Waren die überhaupt real? ?(

    Ob diese Figuren real waren, das überlasse ich deiner Interpretation. In der Mythologie geleitet der Fährmann die Verstorbenen in die Unterwelt. Damit kannst du den Fährmann in Verbindung bringen.

    Naraya hat diese Begegnung wunderbar formuliert.

    Die gesamte Episode hat für mich aber auch märchen- bzw. sagenhafte Elemente (Liebende, die auf eine Probe gestellt werden). Und sie hat auch die Moral, dass Dinge nicht immer so sind, wie sie auf den ersten Blick scheinen und man sich zuerst beide Seiten einer Geschichte anhören sollte.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Hallo an alle,


    es tut mir sehr Leid, dass ich mich jetzt erst melde.


    Wie befürchtet, ist in der Arbeit seit Montag die Hölle losgebrochen und ich habe diese Woche jeden Tag gearbeitet und jede Menge Überstunden gemacht.


    Ich habe beide Kapitel gelesen und werde mir mal eure Anmerkungen dazu zu Gemüte führen.

    Ich fürchte aber, dass ich nicht mithalten/mitmachen kann, wenn es nächste Woche so weitergeht - was mit ziemlicher Sicherheit so sein wird, leider.

    Lesen ist ein großes Wunder. Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach


    :study: Das lese ich gerade: *klick*

  • KAPITEL 1 & 2


    Den Ton finde ich nämlich doch recht modern, zumindest hatte ich auf Anhieb nicht das Gefühl, einen historischen Roman zu lesen (rein sprachlich).

    So ging es mir auch. Vor allem der Spitzname "Prinzessin" passt für mich so gar nicht, ebenso die Namen - Beatrice und Axl.

    Das erste Kapitel wirft soviele Fragen auf, das ich gar nicht weiß, auf was ich mich konzentrieren soll.

    Mir ging es ebenso. So viel Unklares, so viele Fragen, so wenig, woran man sich halten/orientieren kann. Bin gespannt, wie es weitergeht.

    Ich habe ja das Gefühl, dass hier jemand oder etwas nachhilft, die Ältesten der Gemeinschaft oder wer auch immer - um etwas zu vertuschen oder generell die Menschen im Zaum zu halten. (Aber vielleicht denke ich zu realistisch.)

    Für mich hat es eher was von einem "Fluch", etwas Größeres, das alle Bewohner vergessen lässt.

    Ich kenne es noch nicht.

    Ich auch nicht.

    Gute Besserung, Farast !

    Nun sind wir endlich auf der Reise und die Beiden erweisen sich als sehr harmonisches

    und auch vorsichtiges Paar.

    Ich mag ihren Umgang miteinander, so achtsam und wertschätzend.

    Dies ist auffallend, und auch sehr berührend - man kann sich das sehr gut vorstellen - Beatrice voran und ihre ständige Frage - das geduldige Antworten von Axl.

    Ich fand das ebenfalls sehr berührend und hatte die beiden plastisch vor mir.

    Der Fährmann und die alte Frau. Ehrlich gesagt, habe ich es nicht so verstanden. Auch die Geschichte nicht. Waren die überhaupt real?

    Hier bin ich ebenfalls "ausgestiegen". Ich kann mit der Geschichte überhaupt nichts anfangen - gibt es sie wirklich?

    Irgenwie wirkte das Ganze an den Haaren herbeigezogen auf mich.

    Mal sehen, wie es weitergeht.


    Fazit: Ich möchte wissen, wie es weitergeht, bin aber noch nicht so richtig "drinnen" oder "gefangen" in der Geschichte.

    Lesen ist ein großes Wunder. Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach


    :study: Das lese ich gerade: *klick*

  • Mir fällt auf der Reise vor allem die sehr ritualisierte Konversation der beiden auf. Das Wiederholen der immer gleichen Formeln und auch das ständige Verwenden des Vornamens oder Kosenamens. (Wobei für mich das Wort "Prinzessin" irgenwie aus dem Rahmen fällt, das will mir zeitlich nicht recht passen.) Ich hoffe, dass diese Art zu sprechen noch erklärt wird, vielleicht durch das Vergessen? Schön zu lesen finde ich sie nämlich nicht unbedingt.

    Bis jetzt bin ich nicht so begeistert. Vielleicht ändert es sich noch.

    Fazit: Ich möchte wissen, wie es weitergeht, bin aber noch nicht so richtig "drinnen" oder "gefangen" in der Geschichte.

    Das lesen dieses Interview erklärt sehr gut mit was für Vorstellungen der Autor das Buch geschrieben hat.

    Zitat von Ishiguro Kazuo

    Der begrabene Riese" ist kein Geschichtsbuch, sondern ein sehr unterhaltsamer Roman. Ist er reine Fantasy?

    Wenn ich ein Buch schreibe, dann denke ich tatsächlich niemals bewusst über sein Genre nach. Bei meinen Büchern steht am Anfang immer eine Idee, der ich Ausdruck geben will – das ist für mich der Ausgangspunkt. Und diese Idee ist sehr oft noch nicht in Raum und Zeit verankert. Das sind vielfach zunächst Gedanken, die ich mir notiere. Diesmal waren eben Drachen und Menschenfresser die Elemente, von denen ich annahm, dass sie für meinen Roman am besten funktionieren würden – also habe ich sie als Werkzeuge gebraucht.


    dw.com

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Wo ist eigentlich drawe ?? ......... :huhu: ...... :huhu: .... :huhu:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Wo ist eigentlich drawe ??

    Hier - melde mich wieder zur Stelle! Danke fürs Nachfragen!


    Am Wochenende haben die letzten Kinder und Enkelliebchen unser Haus verlassen und ich bin nun leicht ermattet und auch ein bisschen wehmütig, so anstrengend der wochenlange Trubel auch war.


    Ich habe aber meine Lese-Hausaufgaben gemacht und Eure Post alle gelesen.


    Zu Kapitel 2

    Das Bild des uralten Mythos des Fährmanns, der in der griechischen, römischen und

    auch der nordischen Mythologie am Fluß Acheron oder Styx weilt und dort die Menschen

    in das Reich der Toten führt, erfasst nun auch Axl und Beatrice.

    Auf solche Bilder und Vorstellungen fahre ich richtig ab...

    Styx bzw. Lethe trennen nicht nur die Lebenden von den Schatten, sondern sie sind auch die Flüsse des Vergessens - das passt hier so schön.

    Die Vorstellung des Totenreichs als Insel gibt es auch bei den Germanen: die Insel heißt Helheim (nach der Göttin Hel, die im Märchen als Frau Holle auftaucht) und wird bewacht vom Helhund = Höllenhund.


    Und bei den Kelten - gibt es da diese Vorstellung nicht auch? Avalon?

    Ishiguro die Sprache sehr bewusst karg und einfach gehalten hat.

    Sie hat, finde ich, einen Märchenton, der durch die betuliche Sprache des Paares noch verstärkt wird, und dieser Märchenton passt zu dem Nicht-Realistischen der Erzählung.

    Mit dem Vergessen ist nicht das Vergessen gemeint wie man einen Weg findet, wie man die täglichen Aufgaben erledigt.

    Es ist das Vergessen - der Verlust wichtiger, das Leben bestimmende Erinnerungen - (denken wir an den Nebel, welcher schwer über dem Land liegt- welcher sicher Einfluss auf die Menschen hat)

    Das i st wirklich schwierig...Der Weg wird erinnert, weil Handel mit dem Dorf der Sachsen, der Eroberer, getrieben wird, auch Verhaltensregeln für das Leben in der Gemeinschaft sind präsent, ebenso die Arbeitseinteilung und dergleichen.

    Aber ich frage mich natürlich auch, was denn dann eigentlich vergessen wird?

    Eigentlich könnte man statt "vergessen" auch "tabuisieren" sagen.

    Es muss mit dem Sohn und der geschichtlichen Ereignissen zusammenhängen. Vielleicht mit den Sachsen und ihren Eroberungen? Ich hab's tatsächlich vergessen... :scratch:

    ist sie doch sehr wachsam und hinterfragt einiges. Z

    Ich finde auch, dass Beatrice wiefer ist als ihr Mann, umsichtiger. Auch im Streit zwischen dem Fährmann und der Vogelfrau ist es Beatrice, die einen Vergleich vorschlägt. Sie war es auch, die den Gedanken der Reise zum Sohn hatte, während Axl diese Reise ablehnte -aus Angst?

    Vor allem der Spitzname "Prinzessin" passt für mich so gar nicht, ebenso die Namen - Beatrice und Axl.

    Ich habe erst gedacht, sie war vielleicht wirklich eine Prinzessin, was weiß man denn :uups: - aber es ist wohl nur eine besonders liebevolle Anrede. Mir gefällt sie auch nicht; sie erinnert mich an Walt- Disney-Filme.

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Und bei den Kelten - gibt es da diese Vorstellung nicht auch? Avalon?

    Ja stimmt. Avalon taucht ja in der Artus-Sage als zentrales Motiv auf und ist

    die Anderswelt der keltischen Mythologie.


    Eigentlich könnte man statt "vergessen" auch "tabuisieren" sagen.

    Es muss mit dem Sohn und der geschichtlichen Ereignissen zusammenhängen. Vielleicht mit den Sachsen und ihren Eroberungen?

    Tabuisieren würde nach den Worten des Erzählers nicht passen. Er sagt:

    Zitat

    For in this community the past was rarely discussed. I do not mean that it was

    taboo. I mean that it somehow faded in to a mist as dense as that which hung

    over the marshes.

    Das Vergessen scheint sich also weniger auf praktische, überlebenswichtige Dinge

    zu beziehen, sondern auf die persönliche und kollektive Geschichte. Es könnte also

    durchaus mit den Sachsenkriegen, aber vielleicht auch mit dem neu erschienenen

    christlichen Gott zu tun haben. Die alten Götter werden mit einem Schleier versehen,

    damit der neue Gott die Macht übernehmen kann.

    Das ist natürlich pure Spekulation, aber es macht Spass darüber nachzudenken. :)

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Tabuisieren würde nach den Worten des Erzählers nicht passen.

    "Tabuisieren" hieße, dass die Dinge nicht vergessen sind, aber nicht ans Tageslicht geholt werden sollen/dürfen, aus welchen Gründen auch immer.

    Hier aber werden sie tatsächlich vergessen, da gebe ich Dir Recht.

    Wobei ich allerdings davon ausgehe, dass das Erzählte nicht real ist, sondern ein Bild für etwas Reales ist - d. h. wenn wir abschließend deuten, könnte "Tabuisieren" wieder eine Rolle spielen. Nachhaltiges Tabuisieren führt zum Vergessen - und da fällt mir spontan die Mitwirkung vieler Bürger an den sog. Todesmärschen gegen Ende des II. Weltkrieges ein. Nachhaltig tabuisiert und fast vergessen. Ein weites Feld.

    Wir werden sehen.


    Ich denke auch, dass das Vergessen mit den Eroberungen durch die Sachsen zusammenhängt und dass der Sohn da etwas mit zu tun hat.

    Deinen Gedanken der Christianisierung finde ich schlüssig und da spekuliere ich sehr gerne mit :) - ist der Sohn Christ geworden? Hat sich von den Traditionen der "Alten" abgewandt? Überläufer? Kollaborateur?

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Wobei ich allerdings davon ausgehe, dass das Erzählte nicht real ist, sondern ein Bild für etwas Reales ist - d. h. wenn wir abschließend deuten, könnte "Tabuisieren" wieder eine Rolle spielen.

    Den Eindruck habe ich auch. Grundthema vieler Mythen, Sagen und Märchen ist doch

    oft auch eine weite, gefahrvolle Reise an deren Ende eine Lösung/Erlösung steht.

    Tolkien beschrieb das in einer Vorlesung als >eucastrophe<. (Gute Drachen sind rar)

    Das ist ja schon beim Gilgamesch Epos so und zieht sich seitdem durch all diese alten

    und auch neuen Geschichten. Also eine Kern Realität und viele Traumbilder die all das

    auffüllen.

    Tolkiens 3 Aufsätze drehen sich um genau dieses Thema:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)