M eine Frau mittleren Alters lebt mit ihrem Mann Tony in einer abgelegenen Gegend, eines nicht näher erwähnten Landes. Dort haben sie neben ihrem Haupt Haus auch eine kleines Cottage, genannt „Second Place“. Jenes stellen sie unter anderem Künstlern für kurze Zeit zur Verfügung, in der Hoffnung dass diese dort die richtige Muße für ihre Arbeit finden.
M die vor etlichen Jahren mal eine Ausstellung des Malers L besuchte und sich in seinen Werken mit einer großen Intensität wiederfand, lädt diesen nun ein „Second Place“ zu besuchen.
Was folgt entspricht überhaupt nicht dem was M sich von diesem Besuch versprochen hat. Denn zum einen erscheint L nicht allein und zum anderen entpuppt er sich als wahres Ekelpaket. Und auch der Besuch der Tochter, mit dessen Freund, nimmt Einfluss auf die Dynamik der Geschehnisse.
Erzählt wird die Geschichte durch einen Brief, den M an den uns unbekannten Jeffers schreibt. Er beginnt mit einer Reihe von Ereignissen in Paris, u. a. dem Besuch von Ls Ausstellung und dreht sich dann fast ausschließlich um den Aufenthalt von L in Ms „Second Place“ gut 15 Jahre später.
Als Leser*in folgt man den Gedankengängen von M, die ganz bestimmte Erwartungen an den Besuch von L geknüpft hat. Und die jetzt mit der Realität seines Charakters und ihrer Unzufriedenheit konfrontiert wird.
ZitatI once told you, Jeffers, about the time I met the devil on a train leaving Paris, and about how after that meeting the evil that usually lies undisturbed beneath the surface of things rose up and disgorged itself over every part of life.
It was like a contamination, Jeffers: it got into everything and turned it bad. I don't think I realised how many parts of life there were, until each one of them began to release its capacity for badness.
I know you've always known about such things, and have written about them, even when others didn't want to hear and found it tiresome to dwell on what was wicked and wrong. Nonetheless you carried on, building a shelter for people to use when things went wrong for them too. And go wrong they always do!
Man taucht u.a. ein in Themen wie Privilegien durch Reichtum und Geschlecht, Mutterschaft und die Opfer die man dadurch bringt, Ehe und Kommunikation, das Patriarchat und natürlich die Kunst.
Dieser Roman hat eine wundervoll dichte, leicht traurige Atmosphäre, und wirkt zuweilen traumhaft mit seiner sumpfigen, einsamen Landschaft als Hintergrund.
Jeder Satz fühlt sich essenziell an, kein Wort scheint zu viel. Und auch driften die Gedanken von M nie zu sehr ins „stream of consciousness“ ab. Die Handlung, wenn auch nicht sehr groß, trägt die Erkenntnisse und Fragen von M wie auf Schwingen.
Es gibt in diesem Buch viel zu entdecken, wenn man sich die Zeit dafür nimmt. Aber anscheinend auch so einiges, was einem entgeht wenn man sich mit der Autorin noch nie auseinandergesetzt hat. Dies war mein erstes Werk von Rachel Cusk. Vorher war sie nie auf meinem Radar aufgetaucht. Mittlerweile weiß ich aber dass sie viel aus ihrem echten Leben in ihre Werke einfließen lässt.
Und auch das Buch das dieses hier inspiriert hat, ist mir völlig fremd. Und zwar „Lorenzo in Taos“ von Mabel Dodge Luhan. In dem eben diese Kunst Gönnerin, von dem Besuch von D.H. Lawrence und seiner Frau in 1922 erzählt.
Aber auch ohne all dies Vorwissen, liebe ich dieses Buch und es erhöht nur den Wunsch es alsbald nochmals zu lesen und zu genießen. Am besten beschreibt es dieses Zitat einer Goodreads Userin.
Zitat...transporting me to a time and place I'm too dumb to fully understand but smart enough to appreciate.
Und wie sehr ich den Stil von Cusk genossen habe zeigt sich darin, dass ich mir direkt im Anschluss drei weitere Bücher von ihr gekauft und noch im selben Monat gelesen habe.
Die deutsche Ausgabe erscheint am 1. November 2021.