Klappentext/Verlagstext
Harlem, 60er Jahre: die Geschichte eines einfachen Mannes, der so ehrlich wie möglich versucht aufzusteigen. Der neue Roman des zweifachen Pulitzerpreisträgers und Bestsellerautors Colson Whitehead
Eigentlich würde Ray Carney am liebsten ohne Betrügereien auskommen, doch die Einkünfte aus seinem Laden reichen nicht aus für den Standard, den die Schwiegereltern erwarten. Cousin Freddy bringt gelegentlich eine Goldkette vorbei, die Ray bei einem Juwelier versetzt. Doch was tun mit dem Raubgut aus dem Coup im legendären „Hotel Theresa“ im Herzen Harlems, nachdem Freddy sich verdünnisiert hat? Als Polizei und Gangster Ray in seinem Laden aufsuchen, steht sein waghalsiges Doppelleben auf der Kippe. Der mitreißende Roman des zweifachen Pulitzer-Preisträgers Colson Whitehead ist Familiensaga, Soziographie und Ganovenstück, vor allem aber eine Liebeserklärung an New Yorks berühmtestes Viertel.
"Ray Carney was only slightly bent when it came to being crooked..." To his customers and neighbors on 125th street, Carney is an upstanding salesman of reasonably priced furniture, making a decent life for himself and his family. He and his wife Elizabeth are expecting their second child, and if her parents on Striver's Row don't approve of him or their cramped apartment across from the subway tracks, it's still home. ...
Der Autor
Colson Whitehead, 1969 in New York geboren, studierte an der Harvard University und arbeitete für die New York Times, Harper's und Granta. Whitehead erhielt den Whiting Writers Award (2000), den Young Lion’s Fiction Award (2002) und war Stipendiat der MacArthur „Genius“ Fellowship. Für seinen Roman „Underground Railroad“ wurde er mit dem National Book Award 2016 und dem Pulitzer-Preis 2017 ausgezeichnet. Für „Die Nickel Boys“ erhielt er 2020 erneut den Pulitzer-Preis. Bei Hanser erschienen bisher John Henry Days (Roman, 2004), Der Koloß von New York (2005), Apex (Roman, 2007), Der letzte Sommer auf Long Island (Roman, 2011), Zone One (Roman, 2014), Underground Railroad (Roman, 2017) und Die Nickel Boys (Roman, 2019). Der Autor lebt in Brooklyn.
Inhalt
Ray Carney betreibt in Harlem einen Laden für preiswerte Möbel; sein Umsatz mit Radiogeräten ist rückläufig, seit viele Kunden sich lieber eine Musiktruhe anschaffen. Ein Mann wie Ray würde im New York der 60er nicht mit Mister angesprochen. Dennoch ist er ein angesehener Geschäftsmann, weil seine schwarzen Kunden sich darauf verlassen können, dass sie von Ray bedient werden und hier kein Risiko eingehen, wegen ihrer Hautfarbe aus dem Laden gejagt zu werden. Rays Frau Elizabeth arbeitet ebenfalls an einer Schnittstelle, die es nur in einem Staat mit Rassentrennung geben kann. Ihr Arbeitgeber ist ein Reisebüro, das Schwarzen nicht nur Hotels vermittelt, in denen sie willkommene Gäste sind, sondern das versiert darin ist, sichere Reisewege auszutüfteln, die fernab von Einflussgebieten des Ku-Klux-Klan verlaufen. Zu Beginn der Kennedy-Ära müsste Ray sich eigentlich für den Möbelgeschmack seiner Kunden und den Ausbau seines Geschäfts interessieren. Ein vertrauenswürdiger Geschäftsfreund, der für Ray als Mittelsmann handelt, setzt ihm jedoch den Floh ins Ohr, dass Ray besser verdienen würde, wenn er gewisse Waren selbst verkauft und nicht nur den Laufburschen für die gibt, die daran verdienen.
Als Rays Cousin Freddie Ray mit in einen Überfall auf die Schließfächer eines Hotels hineinzieht, lernt der gezwungenermaßen, wie Harlem außerhalb seiner kleinen Straße funktioniert. Rays Schwiegereltern gehören zur angesehenen schwarzen Elite der Stadt und hatten bisher stets auf ihren Schwiegersohn herabgesehen. Ob Ray es mit dem Profit aus Freddies totsicherem Plan endlich auf Augenhöhe mit ihnen schaffen kann? Vor dem historischen Hintergrund der Rassenunruhen von 1964 stellt Colson Whitehead ein fein geknüpftes Netz von Abhängigkeiten dar – legalen und illegalen. Als Sohn von „Big Mike“ verfügt Ray im Milieu zwar über einen gewissen Ruf, der sich jedoch schnell zum Klotz am Bein auswachsen könnte. Schließlich muss Ray nicht nur erkennen, wo in Harlem das große Geld verdient wird, sondern wie gefährlich jemand lebt, der so leicht kränkbar ist wie er.
Harlem Shuffle besteht aus drei Teilen, die 1959,1961 und 1964 spielen und aus denen jeweils in die Vorgeschichten der Figuren gewechselt wird. Die Verbindung zwischen Ray, Freddie und zahlreichen Nebenfiguren wird durch die überlappenden Zeitebenen zusätzlich kompliziert. Whitehead erzählt Geschichte von unten, er bleibt stets nah an den Lebensbedingungen seiner Figuren und vermittelt, was es 1960 bedeutete, in Harlem schwarz zu sein. Ray wirkt als Mittler zwischen Whiteheads Lesern und dem Milieu seines Viertels, das sich spiegelt in der Schlitzohrigkeit des Erzähltons wie der Übersetzung des Slangs. Wenn ein Gauner den anderen auffordert „Nimm deine Griffel da raus“ trifft diese Übersetzung aus dem Abstand von 60 Jahren Milieu, Beziehung und Jahrzehnt perfekt, ohne ins Fettnäpfchen zu tappen.
Fazit
Wer New-York-Romane liebt und sich nicht an der Vielzahl der Figuren stört, liegt hier richtig.