William Kotzwinkle - Hot Jazz Trio / The Hot Jazz Trio

  • Der Autor (Quelle: Rowohlt): William Kotzwinkle, geboren am 22. November 1943 in Scranton/Pennsylvania, erhielt mehrere literarische Auszeichnungen und gehörte in Amerika schon lange zu den Bestseller-Autoren, bevor sein rührend-hässliches Sternenwesen E.T. bekannter wurde als der Präsident der USA. Kotzwinkle ist mit der Schriftstellerin Elizabeth Gundy verheiratet und lebt abwechselnd in den USA und Kanada.


    Klappentext (Quelle: Rowohlt): Django Reinhardt durchstreift mit Cocteau und Picasso das nächtliche Paris; ein ägyptischer Pharao schifft sich ins Jenseits ein; zwei Clowns, zwei Landstreicher und eine hoffnungslos romantische Hotelkassiererin führen den Tod an der Nase herum – Kotzwinkle arrangiert die Geschichten des Hot Jazz Trio zu einer ebenso schrägen wie virtuosen Hymne an die Fantasie.


    Englische, deutsche und japanische Ausgaben:

    • Die amerikanische Originalausgabe erschien 1989 als „The Hot Jazz Trio“ mit zahlreichen Illustrationen von Joe Servello als Orion Hardback bei Houghton Mifflin/Seymour Lawrence in Boston (153 Seiten), neu aufgelegt 1991 als Paperback im britischen Verlag Black Swan (153 Seiten).
    • Die deutsche Übersetzung von Bruni Röhm und Gerd Burger erschien 1992 unter dem Titel „Hot Jazz Trio. Stories“ mit den Servello-Illustrationen als rororo-Taschenbuch Nr. 12858 im Rowohlt Taschenbuch Verlag in Reinbek bei Hamburg (185 Seiten).
    • Die japanische Übersetzung von Hashimoto Makinori erschien 1991 unter dem Titel „ホット・ジャズ・トリオ“ (Hotto jazu torio) im Verlag 福武書店 (Benesse) (226 Seiten).

    Inhalt:

    1. Django Reinhardt spielt den Blues (OT: Django Reinhardt Played the Blues, 115 Seiten) :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:
    2. Blues auf dem Nil: Ein Papyrusfragment (OT: Blues on the Nile: A Fragment of Papyrus, 14 Seiten) :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:
    3. Güterzug Blues (OT: Boxcar Blues, 45 Seiten) :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:


    Meine Einschätzung:

    Drei fantastische Erzählungen: eine Novelle und zwei Kurzgeschichten. Mit welcher Selbstverständlichkeit und welchem Ideenreichtum Kotzwinkle hier auf Alice-im-Wunderland-Pfaden Surrealismus, Humor und Bedrohung vermischt, finde ich wirklich außergewöhnlich: Räume verändern sich aus dem Nichts; unbelebte Gegenstände tauchen als Figuren auf, als hätten sie eine menschliche Form und menschliche Gefühle; der Wechsel zwischen verschiedenen Bewusstseinsebenen und Dimensionen, zwischen Traumreich, Diesseits und Jenseits ist fließend.


    In der kürzesten zweiten Geschichte macht sich der ägyptische Pharao auf den Weg ins Jenseits, doch statt auf seiner Sonnenbarke befindet er sich auf dem Kahn seines Obersten Lobpreisers. Ist er vielleicht nicht bereit für die Ewigkeit oder haben seine Sklaven vergessen, ihm ein Boot für die Jenseitsfahrt zu zimmern? In der dritten Geschichte begeben sich zwei Clowns, die vom Trapez in den Tod stürzten, auf eine Hobo-Reise mit dem Güterzug durch die USA, immer auf der Flucht vor dem grinsenden Tod, der einen Anzug aus Fischschuppen trägt. In einer akrobatischen Meisterleistung schweben sie schließlich in völliger Freiheit durchs All auf der Suche nach dem Zirkus am Ende der Welt.


    Aber die mit Abstand beste Geschichte dieser Sammlung ist die erste, novellenlange Geschichte „Django Reinhardt spielt den Blues“, in der in einem Zwischenkriegs-Paris die Assistentin Loli des Bühnen-Zauberers LeBlanc auf Nimmerwiedersehen aus dem Verschwindekasten verschwindet. Zusammen mit dem legendären Musiker Django Reinhardt und dem Hot Jazz Trio suchen LeBlanc und der befreundete Dichter Jean Cocteau nach Loli, die in einer anderen Dimension, der Welt der Kästen, gelandet zu sein scheint, wo sie sich der Avancen des in sie verliebten Verschwindekastens erwehrt. Gleichzeitig versucht ein Seidentuch-Mann, ihr Herz zu gewinnen…


    Kotzwinkle setzt seiner Fantasie wirklich keine Grenzen, indem er unvorstellbare Zustände und unbeschreibbare Wesen agieren lässt als hätten sie eine bekannte Form. Die magischen Gegenstände der Illusion und des Rätsels bekommen ein Eigenleben: die Schachtel (was mag wohl in ihr stecken?!) und das Seidentuch (was wird wohl dahinter verschleiert?!) Verwischene Realitätsebenen. Die Grenzen und Gesetzmäßigkeiten der Metaphysik werden völlig aufgehoben, so dass sich eben kein filmisches Kopfkino einstellt - und gerade das finde ich ganz fantastisch! :applause: Kotzwinkle ist sowas von jenseits der Vorstellungskraft, dass sich beim Leser „nur“ eine Ahnung des Unvorstellbaren einstellt, des absolut Rätselhaften, einer mythischen Größe - und das ist mehr als jedes über-beschriebene Bild zu leisten vermag. Kotzwinkle ist ein Entdecker von Zwischenwelten, wie er in diesen Geschichten Vergangenheit und Geisterwelt vermischt, ein Beschwörer der Toten, der ganz selbstverständlich Erik Satie und Pablo Picasso durch sein Alternativ-Paris stapfen lässt. Ein völliges Freidrehen von Einfällen, ein hauntologisches Brüchigwerden der Schichten der Wirklichkeit. Alte Ideen und Erklärungen aus der Vergangenheit, die sich durch die Lücken der Realität in der Gegenwart bemerkbar machen. Das ist die wahre Freiheit der Fantasie! Kotzwinkle ist ein wirklicher Illusionist, ein literarischer Magier von nekromantischer Finesse! :jocolor:

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "Die Bäume" (214/365)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 43 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Esch "Supercool" (24.03.)

  • Die amerikanische Originalausgabe erschien 1989 als „The Hot Jazz Trio“ mit zahlreichen Illustrationen von Joe Servello als Orion Hardback bei Houghton Mifflin/Seymour Lawrence in Boston (153 Seiten), neu aufgelegt 1991 als Paperback im britischen Verlag Black Swan (153 Seiten).

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  • Da das Amazon-Vorschaubild ein verkehrtes Cover zeigt, hänge ich der Vollständigkeit halber ein Foto der leider hässlichen Rowohlt-Taschenbuchausgabe an.

    Bilder

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  • Die japanische Übersetzung von Hashimoto Makinori erschien 1991 unter dem Titel „ホット・ジャズ・トリオ“ (Hotto jazu torio) im Verlag 福武書店 (Benesse) (226 Seiten).

    Fündig wird man zum Beispiel beim japanischen Amazon.

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