Marie Benedict - Frau Einstein / The Other Einstein

  • Inhalt

    Zürich 1896: Die hochbegabte Serbin Mileva Marić zählt zu den wenigen Frauen, die am Polytechnikum zu einem Studium der Mathematik und Physik zugelassen werden. Trotz ihrer Gehbehinderung erweckt sie das Interesse ihres Kommilitonen Albert Einstein, der ihr den Zugang zu wissenschaftlichen Diskussionsrunden im Freundeskreis ermöglicht. Bald stehen gemeinsame Musikstunden auf dem Programm, Wanderungen und Ausflüge werden unternommen.
    Als Mileva 1901 schwanger wird, gerät das Liebespaar in eine schwierige Lage. Die Studentin schafft ihre Diplomprüfung nicht, und auch an Heirat ist nicht zu denken, da Albert noch keine Anstellung gefunden hat. Finanziell ist er weiterhin von seinen Eltern abhängig, die Mileva als Schwiegertochter jedoch strikt ablehnen. Durch die Geburt eines unehelichen Kindes bringt die junge Frau aber auch über ihre eigene Familie große Schande.
    1903 führt Albert Einstein die Mutter seiner Tochter Lieserl zwar zum Traualtar, doch Mileva muss für diese Ehe einen hohen Preis bezahlen.


    Meine Gedanken zum Buch

    Mit ihrem biografischen Roman über Albert Einsteins erste Frau Mileva hat Marie Benedict ein sehr interessantes, vielschichtiges Werk vorgelegt.
    Die Protagonistin erzählt in der Ichform von ihrem Studium in der Schweiz, währenddessen sie ihren späteren Ehemann kennenlernte. In Rückblenden berichtet sie von ihrer Kindheit in Serbien, die sie in keiner guten Erinnerung behalten hat. Vom Vater wird sie zwar nach Kräften unterstützt, doch Milevas Mitschülerinnen lehnen sie aufgrund ihrer Gehbehinderung und ihrer großen mathematischen Begabung als Außenseiterin ab. Seit Jahren an diese Rolle gewöhnt, erfährt die junge Frau erst in Zürich echte Freundschaft. Äußerst lebhaft schildert Marie Benedict die anregende, vor Ideen sprühende Caféhauskultur um 1900, die sich in der Begeisterung der Studenten für gemeinsames Musizieren und Wandern fortsetzt.
    Hin- und hergerissen zwischen ihrer Liebe zur Wissenschaft und ihrem Studienkollegen Albert scheitert die Protagonistin letzten Endes an den immer noch sehr strengen Konventionen ihrer Zeit. Eindrucksvoll lässt die Autorin Mileva von ihren Erlebnissen mit Professoren und Kommilitonen erzählen, die sie trotz ihrer geistigen Kapazitäten allein aufgrund ihres Geschlechts immer noch weitgehend ausgrenzen. Und auch für Alberts Karriere, der sich als Student gerne als unkonventioneller Bohemien gab, scheint ein uneheliches Kind ein unüberwindbares Hindernis darzustellen.
    Glaubwürdig und einfühlsam zeichnet Marie Benedict den Weg Milevas von der vielversprechenden Studentin zur aufopfernden Mutter und unterwürfigen Ehefrau nach. Je steiler sich Alberts Karriere entwickelt, desto mehr sieht sich Mileva in ihre Hausfrauenrolle gedrängt. Die Belange des alltäglichen Lebens legen ihren hochfliegenden Gedankenexperimenten Fesseln an, entfremden sie ihrem Ehemann, der sie längst nur noch als Haushälterin wahrnimmt. Ganz im Gegensatz zu ihrer strenggläubigen Mutter definiert sich Milevas Religiosität trotz aller Widrigkeiten immer noch über die Gesetze der Physik, in denen sie Gottes unerforschlichen Schöpfungsplan zu erkennen glaubt.
    Bis heute ist unklar, ob Einsteins erstgeborene Tochter Lieserl (deren Existenz erst seit 1987 bekannt ist) zur Adoption freigegeben wurde, oder ob sie bereits im frühen Kindesalter verstarb. Ebenfalls nicht beweisbar ist die immer wieder diskutierte Frage, ob Mileva an der Entwicklung der Relativitätstheorie maßgeblich beteiligt war. Marie Benedict hat dafür in diesem Roman ihre eigene Interpretation gefunden, die für den Hörer sehr gut und schlüssig nachvollziehbar dargestellt wird.
    Stilistisch hat mir der Roman außerordentlich gut gefallen, die Autorin versteht mitreißend und doch mit viel Empathie zu erzählen. Stimmungen werden sehr eindringlich wiedergegeben, sodass der Roman wie ein Film vor den Augen des Hörers ablaufen wird.
    Die Stimme der Sprecherin Sabine Arnhold habe ich als sehr angenehm empfunden. Manche Szenen hätte sie meinetwegen etwas emotionaler vortragen können, im großen und ganzen hat sie ihre Sache aber gut gemacht.
    Für mich war der Roman großes Kino, der mich für einige Stunden mit Lichtgeschwindigkeit in andere Zeiten und Welten entführt hat.