Kazuo Ishiguro - Damals in Nagasaki (ab 01.07.2021)

  • ich hatte Hochzeitstag.

    Herzlichen Glückwunsch!

    Sie hat mit Steinen nach Kindern geworfen, die schlecht über ihre Mutter sprachen.

    Ich habe mich an dieser Stelle gefragt, was die Kinder wohl reden. Natürlich reden sie das, was sie zuhause hören. Was ist es, das Sachiko ins Gerede bringt? Ihr Verhältnis mit dem amerikanischen Soldaten, immerhin der Feind?

    Ich tippe ja auf Sachiko, die das Tier loswerden wollte oder vielleicht doch Frank? Immerhin sagt Mariko, er sei böse und ich würde das nicht einfach nur als kindliches Geplapper abtun.

    Ich hatte ähnliche Gedanken und denke, dass Sachiko das Tier getötet hat, damit sie mit der Katze nicht umziehen muss. Damit meine ich auch den Umzug nach Amerika. Anders formuliert: dem Umzug nach Amerika und dem Zusammenleben mit Frank zuliebe hat sie Katze getötet. Also ist für das Kind Mariko letztlich Frank schuld.


    Ich sehe da noch ein anderes Problem: Mariko hat doch wieder kleine Kätzchen. Werden die dann auch von der Sachiko getötet? Ich vermute: ertränkt im nahen Fluss? Als Parallele zu dem Babymord?


    ob sie verwitwet oder geschieden ist?

    Sie erwähnt nur ihren ehemaligen Mann und dessen angesehen Familie.

    ??

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Was hätte Etsuko fragen sollen? Warum ein Amerikaner statt einem Japaner? Oder etwas Sexuelles?

    Sexuelles glaube ich jetzt nicht - aber wieso eigentlich nicht? Sachiko fordert Etsuko direkt dringlich zum Fragen auf und betont wiederholt, dass sie sich nicht schämt für das, was sie tut.

    Trotzdem: irgendwie kommt mir das völlig distanzlos vor. Auch in unserem Kulturkreis.


    Ich denke eher an Fragen über die Lösung von ihrer angeheirateten Familie, denn das wäre ja auch Etsukos Problem. Vielleicht geht es ganz handfest um die Frage, wie sie ihren Mann um die Ecke gebracht hat :shock: ?

    der im Job nicht allzu viel leistet, dafür zuhause aber seine Frau schikaniert.

    Ja genau - ich meinte schon mal: er ist der Radfahrer-Typus.

    Etsuko biegt sich vielleicht vieles zurecht oder erinnert sich gar nicht mehr korrekt.

    Eben, das ist es ja. Ich traue ihr als Erzählerin nicht ganz.

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Herzlichen Glückwunsch!

    Danke! :uups:


    Was ist es, das Sachiko ins Gerede bringt? Ihr Verhältnis mit dem amerikanischen Soldaten, immerhin der Feind?

    Ich denke, es ist das Verhältnis zu Frank und die Tatsache, dass ihr Kind nicht ordentlich in die Schule geht, sondern draußen herumstromert. Mariko ist ja auch nie perfekt gekleidet und gestriegelt, sondern wirkt manchmal etwas vernachlässigt.


    Werden die dann auch von der Sachiko getötet? Ich vermute: ertränkt im nahen Fluss? Als Parallele zu dem Babymord?

    Ja, das frage ich mich auch. :pale: Sie versucht ja schon, die Kätzchen zu verschenken, aber da das nicht klappt....


    Sexuelles glaube ich jetzt nicht - aber wieso eigentlich nicht? Sachiko fordert Etsuko direkt dringlich zum Fragen auf und betont wiederholt, dass sie sich nicht schämt für das, was sie tut.

    Mir ist einfach nichts anderes mehr eingefallen. :loool: Es ging mir wie Etsuko, dass ich mir dachte: Öhm, eigentlich interessiert mich nichts besonders daran. (Am ehesten noch, wo ihr Mann abgeblieben ist.)


    Vielleicht geht es ganz handfest um die Frage, wie sie ihren Mann um die Ecke gebracht hat :shock: ?

    Daran habe ich noch gar nicht gedacht. :shock: Aber würde sie sich selbst die Hände schmutzig machen? Wenn, dann war es vielleicht Frank?


    Eben, das ist es ja. Ich traue ihr als Erzählerin nicht ganz.

    Sie hat ja auch Schuldgefühle wegen Keiko, da würde mich nicht wundern, wenn sie Dinge auch beschönigt oder auslässt.


    Ja genau - ich meinte schon mal: er ist der Radfahrer-Typus.

    Den Begriff finde ich super - ich kannte ihn gar nicht, bevor Du ihn erwähnt hast. :loool:

  • Zu Kapitel 5

    und die Tatsache, dass ihr Kind nicht ordentlich in die Schule geht, sondern draußen herumstromert. Mariko ist ja auch nie perfekt gekleidet und gestriegelt, sondern wirkt manchmal etwas vernachlässigt.

    Stimmt, Du hast Recht. Sie wird nicht mit der Sorgfalt beaufsichtig, die sie vielleicht (?) noch braucht.

    Sie versucht ja schon, die Kätzchen zu verschenken, aber da das nicht klappt....

    Hm. Damit würde sich das Trauma für Mariko wiederholen... und damit verfestigen.

    Mir kommt immer mehr der Gedanke, dass Mariko und Keiko etwas gemeinsam haben. Es ist ja der Selbstmord Keikos, der Etsuko zum Erzählen bringt.

    Mir ist einfach nichts anderes mehr eingefallen.

    Es kann schon sein, dass es in diese Richtung geht - also in Richtung sexuelle Freizügigkeit, Selbstbestimmtheit, irgend so etwas, eben all das, was Etsuko nicht kennt. ( :uups: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie mit ihrem Jiro die Dinge macht, die Sachiko mit ihrem Frank macht :uups: ).

    Aber würde sie sich selbst die Hände schmutzig machen? Wenn, dann war es vielleicht Frank?

    Das war eigentlich eher ein Scherz, aber was weiß man denn :lol: !


    Insgesamt tun sich mir bis hierher jede Mengen Fragen auf.

    Vor Jiro liebte Etsuko Nakamura-san, offensichtlich der Sohn von Frau Fujikawa.

    Ich dachte, Nakamura ist einfach der frühere Freund Etsukos, den Frau Fujiwara auch kannte?

    Freundschaft zu Sachiko und bisher entdecke ich da nichts,

    Das ist wirklich eine merkwürdige Beziehung. Sachiko dirigiert Etsuko mit einer erstaunlichen Selbstsicherheit. Umgekehrt lässt Etsuko es sich gefallen, dass sie ihr Arbeit beschaffen muss etc. und schließlich ihr Schmu-Geld hergibt: sie beneidet sie um ihr freies Leben.

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie mit ihrem Jiro die Dinge macht, die Sachiko mit ihrem Frank macht :uups:

    Das möchte ich mir auch gar nicht vorstellen! :loool:


    Ich dachte, Nakamura ist einfach der frühere Freund Etsukos, den Frau Fujiwara auch kannte?

    Hm achso? Ich hatte ihn jetzt irgendwie als ihren Sohn interpretiert, aber es kann natürlich sein, dass sie ihn einfach nur kannte. Muss ich nochmal nachlesen. :scratch:


    Edit: Das habe ich wohl falsch gelesen. :uups:

  • Kapitel 5

    Ishiguro springt von einer Szene zur anderen. Ich musste erstmal überlegen, wo Etsuko und Sachiko sind. Ich finde Etsuko leichtsinnig, Sachiko Geld zu geben. Zumal diese ja nun auswandert.


    Was mir noch aufgefallen ist, die Mutter von Etsuko malte. Ist das die Verbindung zu Ogata? War die Familie befreundet?


    Etsuko hat auch vor dem Angriff auf Nagasaki einen Liebsten gehabt. Nakamura.


    Sachiko war früher unglücklich verheiratet. Wegen Frank möchte Sachiko nach Amerika.


    Mariko ist mir immer noch ein Rätsel.

  • Ich musste erstmal überlegen, wo Etsuko und Sachiko sind.

    Ich auch. Etsuko muss Sachiko eingeladen haben zu sich nach Hause, weil sie aufsteht und nebenan ihr Geld holt.

    Es sind immer sehr unvermittelte Kapitelanfänge.

    Und eine sehr komprimierte Erzählung.

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Naraya Nachträglich herzlichen Glückwunsch zum Hochzeitstag. 💐

    Sie hat mit Steinen nach Kindern geworfen, die schlecht über ihre Mutter sprachen.

    Ich habe mich an dieser Stelle gefragt, was die Kinder wohl reden. Natürlich reden sie das, was sie zuhause hören. Was ist es, das Sachiko ins Gerede bringt? Ihr Verhältnis mit dem amerikanischen Soldaten, immerhin der Feind?

    Die Kinder hören, die Erwachsenen reden. Das könnte sein, das Sachiko sich unbeliebt gemacht hat, da sie sich mit einem Ausländer eingelassen hat.


    Für Sachiko war die Heirat (zurückgefallen in japanischer Tradition) bestimmt ein Schock. Ihr Vater hat sie bestärkt, englisch zu lernen. In der Ehe hat sie sich dann unterdrückt gefühlt.


    Was Sachiko's Geschichte mit Mariko betrifft, muss ich ehrlich gestehen, so ganz glaube ich sie nicht. Ich traue der Frau nicht.


    Es ist mir auch ein Rätsel, warum Mariko ständig an den Fluss möchte und Menschen meidet. Sie hat wahrscheinlich schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht.


    Die Spinne, die Mariko zu Etsuko geworfen hat, war wohl ein Ablenkungsmanöver, um zu verschwinden.

  • mit einem Ausländer

    Noch dazu mit einem Amerikaner, dem Feind...!

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Vorab noch einige Gedanken: Mariko kann ich nicht so richtig einschätzen. Sie wusste, daß die Spinne nicht giftig war. Also dumm ist sie nicht. Was ihre Ausflüge betrifft, muss ihr irgendwer was angetan haben. Gewalt, sexueller Übergriff, Misshandlung.



    Vielleicht gibt es eine Parallele zwischen Sachiko und Etsuko. Etsuko hatte einen Freund und war glücklich bis sie alles verloren hat. Ogata nahm sie auf und Etsuko arrangierte sich mit Jiro. Sachiko war auch mal glücklich. Ihr Vater hätte sie doch niemals in diese traditionelle Familie gegeben. Und da kommt der Onkel ins Spiel. Vielleicht hat er es arrangiert. Darum hat sie beim Weggang das Teeservice mitgehen lassen.

    Wie gesagt. Nur Spekulationen.


    Kapitel 6

    Etsuko findet Mariko sitzend unter einer Weide. Um ihren Fuß hat Etsuko eine alte Schnur. Mariko ist erschrocken. Wurde sie mal gefesselt? Etsuko möchte wissen, warum Mariko immer wegläuft. Als sie wieder in Sachiko's Hütte sind, flippt Sachiko aus. Sie schimpft mit Mariko. Und da bricht es aus Mariko raus. Sie hasst Frank. Sie will nicht nach Amerika. Ist das der Grund, warum Mariko so ist? Sachiko redet auf Etsuko ein, "gut, das es so gekommen ist". Sie will auch mit ihrem Onkel sprechen. Vielleicht will sie Mariko bei ihm lassen.

    Frank ist ein Säufer und hat auch noch eine andere Freundin. Hä? Warum will Sachiko dann nach Amerika? Um ihren Ruf zu schützen?


    Gegenwart: Das fand ich toll. Niki und Etsuko nähern sich wieder bißchen an. Niki schaut verträumt aus dem Fenster. Füttert den Goldfisch. War das nicht Keikos Fisch?


    Etsuko betritt das Zimmer von Keiko. Doch sie geht nach kurzer Zeit wieder raus.

  • Kapitel 6


    Marikos Angst vor der Schnur, woher kommt die? Und woher hat sie den Ausdruck "Genossenschwein" über Frank? Vielleicht vom Onkel, bei dem sie vorher lebten? Oder den Nachbarn? Sachiko finde ich wieder unmöglich, sie redet sich alles schön und legt sich Dinge zurecht. Zuerst sagte sie, Mariko würde in den Staaten schon zurechtkommen und nun, wo Frank sie zurücklässt, sagt sie, das sei ja sowieso viel besser und sie müsse ja auch an ihre Tochter denken. Wann tut sie das jemals? Mariko scheint mir mehr eine Last für sie zu sein, als diejenige, an deren Wohl sie als erstes denkt.


    Über Etsuko erfahren wir nun auch etwas mehr. Sie ging aus Japan fort, als Keiko sieben Jahre alt war. Später brach der Kontakt zu ihr ab. Nikis Vater, der Journalist war, schob die Probleme allein auf Jiro als Vater. Das Verhältnis zu Niki finde ich recht seltsam, zwischen Klammern und ständiger Rechtfertigung. Allein, wie Etsuko zu ihr sagt, sie habe von Niki keinerlei Zuspruch nötig. Das klingt nach dem genauen Gegenteil.


    Und dann wird Etsuko noch klar, dass sie im Traum mit dem kleinen Mädchen keine Schaukel sieht....gemeint ist wohl ein Strick, nämlich der Strick, an dem Keiko hing. Gruselig!


    Ich sehe hier auch einige Parallelen zwischen Sachiko/Mariko und Etsuko/Keiko. Beide Mütter betonen, sie müssten sich ja nicht schuldig fühlen, sie hätten sich ja nichts vorzuwerfen, aber man kann bei beiden berechtigterweise nachfragen, ob das auch stimmt. Dann Marikos Angst vor dem Seil, Keiko erhängte sich und auch in Etsukos Träumen taucht das Seil auf. Außerdem haben beide Mädchen, Mariko und Keiko, Schwierigkeiten, sich einzufügen und ziehen sich zurück.

  • Was ihre Ausflüge betrifft, muss ihr irgendwer was angetan haben. Gewalt, sexueller Übergriff, Misshandlung.

    Was Mariko passiert ist, wissen wir ja seit Kapitel 5. Sie hat in Tokio gesehen, wie eine Frau ihren Säugling ertränkte und sich danach umbrachte. Das dürfte vielleicht auch diese morbide Anziehung zum Fluss erklären. Und ich denke, das Kind wird noch einige andere Dinge gesehen haben in Bezug auf den Krieg und die Atombombe. :pale:


    Vielleicht gibt es eine Parallele zwischen Sachiko und Etsuko.

    Ohja, das denke ich auch. Es gibt einige Parallelen zwischen den beiden Frauen.

  • Zu Kapitel 6

    Das Kapitel ist wieder zweigeteilt: Damals - Jetzt.

    Mir kommt es so vor, dass die Verbindungen zwischen den Zeiten immer deutlicher hervortreten.

    Und da bricht es aus Mariko raus.

    Mariko provoziert. Ich sehe diese Szene als Parallele zu der Spinne-Szene. Da hatte Mariko sehr gut intuitiv erfasst, dass Etsuko keine Spinnenfreundin ist - und bei Sachiko, ihrer Mutter, ist das einfacher: sie muss nur Frank beschimpfen, auf diese wirklich ordinäre Weise.


    Und warum provoziert sie?

    Sie will in die Dunkelheit, an den Fluss.

    und sie müsse ja auch an ihre Tochter denken. Wann tut sie das jemals?

    Das finde ich auch merkwürdig. Dieser Frank (der Name bedeutet ja auch "frei")scheint ja ein rechter Hallodri zu sein - aber wir wissen nur das, was Etsuko uns erzählt, was ihr Sachiko erzählt habe. Die Erzählung wird also mehrfach gebrochen. Und noch zusätzlich gebrochen dadurch, dass Etsuko sich erinnert. Alles sehr subjektiv, sehr unzuverlässig...


    Mir scheint trotzdem, dass das Thema "Verantwortung für die Tochter" bei beiden Frauen ein großes Thema ist. Sachiko betont es mehrfach, fast floskelhaft, aber ich kann es ihr nicht so ganz glauben. Und wir erfahren in diesem Kapitel, dass Etsuko genau dasselbe sagt: sie habe Japan wegen ihrer Tochter verlassen.


    Das Verhältnis zu Niki finde ich recht seltsam,

    Ich auch. Merkwürdig distanziert. Niki scheint sich nicht sehr wohl zu fühlen im Haus ihrer Mutter, die Zimmer um Keikos Zimmer herum sind ihr unheimlich. Das Gespräch hat immer so etwas Formelhaftes, Indirektes - allein wie Etsuko immer wieder betont, dass Niki ihr eigenes Leben leben solle. Niki gibt wenig von ihrem Leben preis, Etsuko spricht von einem "aggressiven Anspruch auf Privatsphäre".

    Mir scheint, dass Niki hier westliche Werte übernimmt. Die japanischen Häuser sind hellhörig, die Schiebewände lassen nur wenig Privatsphäre zu; vielleicht grenzt sich Niko deutlich von ihrer Mutter ab. Vielleicht hat sie noch andere Gründe, sich von ihrer Mutter abzugrenzen?


    gemeint ist wohl ein Strick, nämlich der Strick, an dem Keiko hing. Gruselig!

    Ich finde auch, dass dieses Kapitel gruselig ist. Vor allem, weil sich bei mir so einige Puzzleteile zusammengefügt haben - ich weiß aber nicht, ob die Teile richtig liegen.


    Hier werden so viele Bilder verwendet, die ich als Todessymbol empfinde:


    - es geht schon los mit dem Ertränken der Katzen, und das erinnert wiederum an die junge Frau, die ihr Kind ertränkt hat und sich anschließend die Kehle durchgeschnitten hat.

    Ich vermute, dass das Motiv wieder auftaucht.


    - der Fluss. Ein dunkler und schmutziger Fluss, mit einem matschigen und glitschigen Ufer - und das Bild des schwarzen Flusses erinnert mich an den Strom Lethe aus der griechischen Mythologie, den Fluss des Vergessens, der die Welt der Lebenden von der Welt der Toten trennt. Vielleicht gibt es in Japan ähnliche Vorstellungen...?

    Auf alle Fälle ist dieser Fluss, an dem Mariko immer wieder sitzt, todbringend.


    - die Dunkelheit, die Nacht, in die Mariko immer wieder flüchtet


    - das Seil, das sich um Etsukos Fuß ringelt. Wäre es nicht normal, dass sie es abstreift? Wieso nimmt sie es mit? Mariko sieht es und fragt beharrlich danach, obwohl Etsuko ihr keine Antwort gibt.

    Und Mariko beobachtet an Etsuko einen "komischen Gesichtsausdruck" und reagiert "ängstlich" (S. 95).

    Ich traue Etsuko als Erzählerin nicht. Diese Szene stellt sich für mich so dar, als hätte sie das Seil nicht zufällig gefunden, sondern bewusst mitgenommen und bedrohe damit Mariko.


    - der Traum: ein Mädchen baumelt an einem Seil, die Parallele zu Keiko ist überdeutlich, aber wieso erinnert sich Etsuko nun an Mariko?

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • *Katrin* , Du hast ein sehr leserunden-taugliches Buch vorgeschlagen :thumleft: .

    Ich würde mir ohne die MLR und Eure Beiträge nicht so viele Gedanken zu dem Buch machen.


    Ich werfe jetzt mal ein Puzzleteilchen in die Runde und hätte gerne gewusst, wie Ihr das seht.


    Wir sehen alle die Parallelen zwischen Mariko und Keiko und auch zwischen Etsuko und Sachiko.

    Ich hatte am Anfang schon mal gemeint, dass Sachiko eine Art Alter Ego von Etsuko ist, und jetzt habe ich die Vorstellung - und das wäre mein Puzzleteilchen - das Etsuko und Sachiko tatsächlich dieselbe Person sind.

    Dass Etsuko sich an sich selber erinnert.


    Ja, ich gebe es zu :uups: - ich spekuliere sehr gerne.

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ob ich soweit gehen würde, zu sagen, dass Etsuko und Sachiko sowie Mariko und Keiko dieselben Personen sind, weiß ich nicht. Dann müssten Mutter und Tochter ja komplett der Phantasie von Etsuko entstanden sein und auch alle Begegnungen mit anderen, denn es gibt ja auch Außenstehende, die Sachiko und Mariko kennen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass in der Erinnerung die Ereignisse für Etsuko verschwimmen und sie vielleicht selbst nicht mehr genau weiß, ob sie etwas selbst erlebt hat oder Sachiko. Und manches projiziert sie vielleicht auch auf Sachiko und Mariko, zum Beispiel die Schuldgefühle wegen Keiko.

  • Ich traue Etsuko als Erzählerin nicht. Diese Szene stellt sich für mich so dar, als hätte sie das Seil nicht zufällig gefunden, sondern bewusst mitgenommen und bedrohe damit Mariko.

    Vielleicht ist das eine Szene, die sich in Etsukos Erinnerungen rückblickend verändert und sie erkennt, dass sie mit ihrem Handeln Keikos Tod mit verursacht oder zumindest in Kauf genommen hat, also quasi den Strick dazu mitgenommen hat? :scratch:

  • drawe Da sind ein paar Aspekte, die ich erstmal verdauen muß. :) Etsuko und Sachiko sind eine Person? Hmmm. :scratch: Das würde ich ausschließen. Aber Parallelen zwischen Keiko und Mariko sehe ich schon. Was ist, wenn Mariko sich umbringen möchte, weil sie nicht nach Amerika will? Und diese Sprache, wie Naraya erwähnt hat, woher hat sie das? Sachiko hat überhaupt keine Beziehung zur Tochter. Etsuko kam auch nicht mehr an Keiko ran.


    Das Seil ist echt merkwürdig.


    Die Geschichte mit der Frau im Wasser und das Baby muss ich nochmal lesen. Ich meinte, sie hat das Baby ertränkt? Aber sich nicht selber getötet. ?( :scratch:


    Das Frank ein Säufer ist, damit habe ich nicht gerechnet. Einmal redet sie über ihn, das Sachiko alles werden kann in Amerika und auf der anderen Seite, er säuft, hat ne andere Freundin. Was stimmt denn nun? Erspinnt sie sich ein Leben, um ihr eigenes ertragen zu können?

  • Und manches projiziert sie vielleicht auch auf Sachiko und Mariko, zum Beispiel die Schuldgefühle wegen Keiko.

    Ich glaube, Du fängst an, in dieselbe Richtung wie ich zu denken.... :)

    Das würde ich ausschließen.

    Ich habe heute Nacht nochmal darüber nachgedacht, und da sind - wenn ich bei meiner These bleibe - einige Puzzleteilchen an ihren Platz gerutscht.


    Nur ein paar Beispiele:


    Schon das erste Zusammentreffen der beiden Frauen wird dadurch klar: Etsuko weist Sachiko sehr direkt auf das Fehlverhalten ihrer Tochter hin. Wir haben uns gewundert, dass sie das vor dem Hintergrund der japanischen Höflichkeit und Indirektheit so unverblümt tut; das bekommt alles Sinn, wenn die beiden Frauen identisch sind.


    Oder die Doppelung der Szene, als Mariko provoziert! Einmal mit der Spinne, das andere Mal mit den Äußerungen über den Geliebten der Mutter.


    Oder denkt doch mal an die Sache mit dem Nudelrestaurant: Etsuko muss sich hier kümmern, um die Anstellung und um die Kündigung!

    Und woher kommt Etsukos Schmugeld? Klar, aus ihrer heimlichen Arbeit im Nudelrestaurant!

    Und drum gibt sie es "Sachiko" ohne Wenn und Aber!


    Die Sache mit dem Seil: sie hat die Katzen ertränkt, um frei für den Geliebten zu sein, und genauso will sie die Tochter beseitigen, die ihrer Freiheit im Wege steht. Wieso sonst schaut Mariko/Keiko auf einmal ängstlich? Und das könnte auch die Traumatisierung Keikos sein, die zu ihrem abgeschotteten Dasein und letztlich zu ihrem Selbstmord führte.


    Mag sein, dass ich daneben liege. Aber wir stolpern doch beim Lesen ständig über Dinge, die uns verwundern und die sich mit dieser These vielleicht (?) auflösen ließen.


    Ich müsste das Buch nochmals von vorne lesen. Wenn meine Überlegung stimmt, sind mit Sicherheit ständig Andeutungen im Buch, und man wundert sich, dass man sie nicht gleich als Andeutung erfasst hat.

    Wenn die Überlegung nicht stimmt, müssen wir etwas anderes finden, um die losen Teile zusammenzubinden.


    Hier wäre jetzt mofre gefragt :) ?

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • serjena hat mich auf die Rezension hier im BT hingewiesen, und da taucht auch der Gedanke auf, dass die beiden Frauen identisch sind...

    Da hätte ich mir jede Menge Gehirnschmalz sparen können :) !

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).