Liebe und Leid liegen nah beieinander
Anna ist totunglücklich, doch als der zurückhaltende Adam ihr das Leben rettet und sie aus den Fluten in Sicherheit bringt, scheint sich das Blatt nicht nur für Anna zu wenden. Die beiden verlieben sich und verbringen nach einem wunderbaren Urlaub auch weiterhin gemeinsam ihr Leben miteinander. Doch während die Jahre ins Land gehen, legt sich der Staub auf ihre Liebe und lässt den täglichen Einheitstrott sowie die Sorgen und Nöte in die Beziehung, die Anna und Adam immer mehr entfremden. Werden die beiden doch noch die Kurve kriegen und ihre Liebe erhalten können?
Amelia Henley hat mit „Das Leben, das wir beinah hatten“ einen einfühlsamen Roman vorgelegt, der erst einmal im Kleid eines Liebesromans erscheint, um dann doch viel tiefgründiger zu werden. Der flüssige und gefühlsbetonte Erzählstil lässt den Leser die Schicksalsbegegnung zwischen Anna und Adam miterleben, aus der eine große Liebe entsteht. Doch wie auch im normalen Leben bestimmen bald Probleme und Konflikte den Alltag, lassen die Beziehung in den Hintergrund treten und aus der gewachsenen Einheit langsam zwei Einzelkämpfer werden. Über wechselnde Perspektiven lässt die Autorin den Leser mal an die Seite von Anna, mal an die von Adam gleiten, um die jeweilige Sichtweise kennenzulernen und so zu erkennen, dass sie manches gleich empfinden, aber manches auch differenzierter sehen. Oftmals möchte man einschreiten und beide in einen fensterlosen Raum sperren, damit sie sich einander anvertrauen und offen miteinander sprechen, vor allem aber, damit sie erkennen, dass sie mit ihrem Gegenstück schon ein großes Geschenk besitzen, das gehegt und gepflegt werden will und nicht etwas anderem zum Opfer fallen sollte. Die Autorin hat ein gutes Gespür, die zwischenmenschlichen Beziehungen und Emotionen buchstäblich auf Papier zu bannen, mit denen sich auch der Leser identifizieren kann und Teil der Geschichte wird, obwohl er nur als stiller Beobachter fungiert.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und in Szene gesetzt. Sie besitzen glaubhafte Ecken und Kanten, die es leicht machen, ihnen als Leser zu folgen und mit ihnen zu hoffen, zu bangen und zu fiebern. Anna ist eine sympathische Frau, die in einer für sie tragischen Zeit zufällig auf Adam trifft und in ihm ihr Gegenstück findet, das ihr wieder Lebensmut und Zuversicht vermittelt. Adam ist ein zurückhaltender und ruhiger Mann, der Anna genau zur rechten Zeit findet, um seinem Leben Farbe zu verleihen. Mit einer wahren Achterbahn der Gefühle darf man als Leser beiden Protagonisten sehr nah kommen und praktisch in ihre Seele schauen, während sie Probleme wälzen, die auch im realen Leben bei vielen Menschen an der Tagesordnung sind.
„Das Leben, das wir beinahe hatten“ ist eine durchweg emotionale Geschichte über große Gefühle, Verlust, Hoffnungslosigkeit und vor allem über die Liebe. Achtung – Taschentuchalarm!!! Verdiente Leseempfehlung!