Emma Stonex - Die Leuchtturmwärter / The Lamplighters

  • Kurzmeinung

    drawe
    Spannendes Thema, um psycholog. Differenzierung bemüht, aber zu viel blinde Motive, zu viel Gerede.
  • Kurzmeinung

    mondy
    Sehr spannend und mal ein völlig anderes Setting, Mystery-Anteil hätte es für mich nicht gebraucht
  • Kurzmeinung

    Aleshanee
    Faszinierendes Drama, in dem die Figuren im Mittelpunkt stehen: sehr fesselnd!
  • Klappentext von Amazon:


    In der Silvesternacht verschwinden vor der Küste Cornwalls drei Männer spurlos von einem Leuchtturm. Die Tür ist von innen verschlossen. Der zum Abendessen gedeckte Tisch unberührt. Die Uhren sind stehen geblieben.
    Zurück bleiben drei Frauen, die auch zwei Jahrzehnte später von dem rätselhaften Geschehen verfolgt werden. Die Tragödie hätte Helen, Jenny und Michelle zusammenbringen sollen, hat sie aber auseinandergerissen. Als sie zum ersten Mal ihre Seite der Geschichte erzählen, kommt ein Leben voller Entbehrungen zutage – des monatelangen Getrenntseins, des Sehnens und Hoffens. Und je tiefer sie hinabtauchen, desto dichter wird das Geflecht aus Geheimnissen und Lügen, Realität und Einbildung.



    Über die Autorin (Quelle: Amazon):


    Emma Stonex, 1983 in Northamptonshire in England geboren und aufgewachsen, begann ihre Karriere als Lektorin. Mehrere Jahre arbeitete sie erfolgreich in einem großen Verlagshaus, bevor sie ihrem Traum vom Schreiben folgte. Schon immer fasziniert von Leuchttürmen, inspirierte sie nicht zuletzt das mysteriöse Verschwinden dreier Leuchtturmwärter auf den Flannan Isles zu ihrem Roman. Stonex lebt heute in Bristol.



    Meine Bewertung:


    Drei Leuchtturmwärter verschwinden über Nacht spurlos von ihrem Leuchtturm mitten auf dem Meer. Zurück bleiben ihr verlassenes zweites Zuhause, ein gedeckter Tisch, eine von innen verriegelte Tür, zwei Uhren, die zur selben Zeit stehen geblieben sind. Und die Frauen der drei Wärter, deren bis dahin bereits einsames Leben an Land eine ganz neue Tiefe bekommt.


    In Logbucheinträgen, Gesprächen mit einem Autor, der eine Geschichte über das Geschehen vor zwanzig Jahren schreibt, und Briefen setzt sich Stück für Stück zusammen, was auf dem Leuchtturm geschehen ist. Und weit davor, denn die Wurzeln dessen liegen weit in der Vergangenheit, haben sich Jahr für Jahr mehr miteinander verstrickt und enger gezogen.


    Jeder der Wärter kommt zu Wort, jede der drei Frauen. Jede der Figuren hat ihren ganz eigenen Blick auf das Geschehen, ihre ganz eigene Antwort auf die Fragen nach dem Wie und Warum. Und dabei kommt so einiges zutage, was weit zurückreicht. Der Leser lernt die Charaktere sehr eindrücklich und intensiv kennen, verfolgt ihren Lebensweg teils von ihrer Geburt bis in die Gegenwart. Zutiefst menschliche Gefühle kommen an die Oberfläche, die Schatten, die wir alle in uns tragen, sodass sich über den Verlauf des Buches unzählige Möglichkeiten aufbauen, was passiert sein könnte.


    Am Ende bekommt der Leser die Antworten auf seine Fragen, wobei für mich nicht alles geklärt wurde.



    Daher bin ich nicht ganz zufrieden mit der Auflösung, bin aber tief beeindruckt von der Erzählweise der Autorin, dem feinen Netz, das sie gesponnen hat, der Tiefe, die in dieser Geschichte und ihren Charakteren steckt. Emma Stonex ist ein großartiger Roman gelungen, der mir vor allem aufgrund seiner Erzählweise in Erinnerung bleiben wird, die so nah an den tiefgründigen Charakteren ist. Dabei begeistert sie darüber hinaus mit der feinfühligen Beschreibung dessen, was es bedeutet, einen Leuchtturm sein Zuhause zu nennen. Nicht nur die Arbeiten, die die Männer vornehmen, bringt sie dem Leser nahe, die Abläufe und die Verantwortung, die dieser Beruf mit sich bringt, sondern vor allem das Gefühlsleben der Wärter, die die Einsamkeit als ihren Freund bezeichnen. Und auch in die Frauen, die Daheimgebliebenen, versetzt sie sich auf so feinfühlige und empathische Weise, dass ich als Leserin keinen Zweifel daran habe, dass es sich genau so anfühlen muss, die Frau an der Seite eines Leuchtturmwärters zu sein. Mit Sicherheit werde ich die beeindruckenden Bauwerke von nun an mit einem ganz neuen Blick betrachten.


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    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • In der Silvesternacht verschwinden vor der Küste Cornwalls drei Männer spurlos von einem Leuchtturm. Die Tür ist von innen verschlossen. Der zum Abendessen gedeckte Tisch unberührt. Die Uhren sind stehen geblieben. Zurück bleiben drei Frauen, die auch zwei Jahrzehnte später von dem rätselhaften Geschehen verfolgt werden.

    Als Vorlage diente der Autorin Emma Stonex die wahre Geschichte der verschwundenen Leuchtturmwärter der Eilean Mòr von1900.

    Mit bildlicher Sprache werden wir an den Ort der Handlung geführt. Die Beschreibung des Meeres, die die Autorin liefert hat mich in den Bann gezogen. Ich fühlte mich da hin versetzt und spürte während des Lesens jede gewaltige Welle. Die Reise führt uns zurück in das Jahr 1972 zu einem Leuchtturm namens "Maiden", wo wir in die Gedankenwelt der Leuchtturmwärter entführt werden. Wie empfinden sie das Meer und die Arbeit am Leuchtturm? Als sie ihre Seite der Geschichte erzählen, erzählen sie vom monatelangen Getrennt sein. Die Ehe von Bill ist nicht immer einfach und auch die anderen zwei Wärter haben eine bewegte Vergangenheit

    Das Ganze wird in einer tollen, literarischen Sprache erzählt, von der man einfach jedes Wort aufsaugen muss.

    Abwechselnd zur Zeit am Leuchtturm werden wir ins Jahr 1992 mitgenommen und lernen die Frauen der Leuchtturmwärter kennen, die ganz unterschiedliche Charaktere haben. Wie haben sie die 20 Jahre erlebt, was fühlen sie und wie haben sie das ganze verarbeitet? Sehr interessant fand ich, dass nicht nur die Zeit, sondern auch die Sprache zwischen den zwei Zeitebenen eine andere ist.

    Am spannendsten fand ich den Schluss, wo aufgedeckt wird, warum die drei Wärter verschwunden sind. Puzzleteil für Puzzleteil wird das Geheimnis gelüftet. Mit einigen mystischen Elementen wird man zur Lösung geführt.

    Mein Fazit: Ein toller literarischer Roman über Gefühle des getrennt seins, über die harte Arbeit am Leuchtturm und voller Meeresrauschen, der allerdings konzentriertes Lesen erfordert.

  • Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
    In der Silvesternacht verschwinden vor der Küste Cornwalls drei Männer spurlos von einem Leuchtturm. Die Tür ist von innen verschlossen. Der zum Abendessen gedeckte Tisch unberührt. Die Uhren sind stehen geblieben.
    Zurück bleiben drei Frauen, die auch zwei Jahrzehnte später von dem rätselhaften Geschehen verfolgt werden. Die Tragödie hätte Helen, Jenny und Michelle zusammenbringen sollen, hat sie aber auseinandergerissen. Als sie zum ersten Mal ihre Seite der Geschichte erzählen, kommt ein Leben voller Entbehrungen zutage – des monatelangen Getrenntseins, des Sehnens und Hoffens. Und je tiefer sie hinabtauchen, desto dichter wird das Geflecht aus Geheimnissen und Lügen, Realität und Einbildung.


    Autorin (Quelle: Verlagsseite)
    Emma Stonex, 1983 in Northamptonshire in England geboren und aufgewachsen, begann ihre Karriere als Lektorin. Mehrere Jahre arbeitete sie erfolgreich in einem großen Verlagshaus, bevor sie ihrem Traum vom Schreiben folgte. Schon immer fasziniert von Leuchttürmen, inspirierte sie nicht zuletzt das mysteriöse Verschwinden dreier Leuchtturmwärter auf den Flannan Isles zu ihrem Roman. Stonex lebt heute in Bristol.


    Allgemeines
    Titel der Originalausgabe: „The Lamplighters“, ins Deutsche übersetzt von Eva Kemper
    Erscheinungstermin: 25. August 2021 im Fischer Verlag als HC mit 432 Seiten
    Gliederung: Zwölf Teile mit insgesamt 60 Kapiteln, Danksagung
    Teilweise Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven, teilweise Ich-Erzählung
    Handlungsort und -zeit: Leuchtturm Maiden Rock vor Land´s End, 1972, nahegelegener Küstenort, 1992


    Inhalt
    Am Morgen des Silvestertages 1972 macht sich ein Boot zum Leuchtturm Maiden Rock auf, um die Besatzung nach vielen Wochen Dienst abzulösen; die Männer sind jeweils acht Wochen pausenlos im Dienst und haben dann vier Wochen frei. Als das Boot den Leuchtturm erreicht, findet man eine sehr mysteriöse Situation vor: Von den drei Leuchtturmwärtern Arthur Black, Bill Walker und Vincent Bourne fehlt jede Spur. Die Tür des Turms ist von innen verriegelt und muss aufgebrochen werden, in der Küche sieht es aus, als habe man sich gerade zum Essen niederlassen wollen und beide Uhren sind exakt zur selben Zeit stehengeblieben. Trident House, der Arbeitgeber der Leuchtturmwärter, führt eine ergebnislose Untersuchung durch, die Männer bleiben verschwunden. Man versucht, dem vorbestraften Hilfswärter Vincent Bourne ein Verbrechen in die Schuhe zu schieben, obwohl es weder Indizien noch Beweise dafür gibt.
    Zwanzig Jahre später, 1992, haben die Frauen der Vermissten immer noch nicht mit der Tragödie abgeschlossen. Sie meinen, dass Dinge unter den Teppich gekehrt wurden und sprechen mit einem Journalisten, der ein Buch über die mysteriöse Geschichte schreiben will. Jede der Frauen muss sich ihren Erinnerungen an ihren Partner, aber auch an ihr eigenes damaliges Verhalten stellen, dabei kommen Tatsachen ans Licht, die zwanzig Jahre lang verdrängt und geheim gehalten wurden…


    Beurteilung
    Die Autorin wurde von einem wahren Fall, dem Verschwinden der Besatzung eines schottischen Leuchtturmes im Jahre 1900, zu ihrem Roman inspiriert. Sie siedelt dessen Handlung jedoch sieben Jahrzehnte später kurz vor der Automatisierung der Leuchttürme an. Die Romanfiguren sind fiktiv.
    Die Lektüre erfordert eine Menge Konzentration, da nicht nur die Zeitebenen (1972, 1992), sondern auch die Erzählperspektiven immer wieder wechseln. Neben der Schilderung der 1972 und 1992 fortlaufenden Handlung gibt es auch Briefe, Zeitungsartikel und Ich-Erzählungen (Gespräche der Frauen mit dem Journalisten) sowie innere Monologe der Turmwärter.
    Der Erzählstil ist überaus atmosphärisch und vermittelt einen faszinierenden Einblick in den Arbeitsalltag der Leuchtturmwärter, der von Eintönigkeit, Beengtheit, Kargheit und Isolation geprägt ist. Das enge Zusammenleben ohne die Möglichkeit, den Turm auch nur kurz zu verlassen – statt Spaziergängen ist nur ein kurzer Rundgang auf der Galerie möglich - birgt Konfliktpotenzial. Auch auf die Ehe- und Familienkonstellationen der Männer wirkt sich der ungewöhnliche Arbeitsrhythmus problematisch aus.
    Die Beziehung der drei Frauen zueinander ist nicht ungetrübt, im Verlauf des Romans tun sich nach und nach Abgründe auf. Die Persönlichkeiten von Helen, Jenny und Michelle sind – ebenso wie die ihrer vermissten Partner – sehr gründlich, individuell und glaubwürdig ausgearbeitet.
    „Die Leuchtturmwärter“ stellt eine gelungene Mischung aus (psychologischem) Roman, Krimi und einem Hauch des Übernatürlichen dar, die fesselnde Unterhaltung bereithält.


    Fazit
    Ein beeindruckendes Debüt um ein „unverbrauchtes“ Sujet, ein Buch, das man nicht so schnell vergisst!

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    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Inhalt

    Für die Leuchtturmbehörde und die Betreiberfirma Trident Rock war der Fall der 1972 spurlos vom Maiden Rock verschwundenen Leuchtturmwärter abgeschlossen. Nicht jedoch für die Ehefrauen und den Schriftsteller Dan Sharp, der 20 Jahre später Helen, Jenny und Michelle befragt. Von der genauen Rekonstruktion des Falls und seines möglichen psychologischen Hintergrunds scheint sich Sharp neue Erkenntnisse zu versprechen auf der Suche nach einem bisher unbeachteten Detail. Jede der Frauen hat sehr persönliche Gründe dafür, den Fall wieder aufzunehmen - oder ihn ruhen zu lassen.


    In der Silvesternacht hatte der Bootsführer des Versorgungsschiffs den Leuchtturm unbesetzt vorgefunden, der Tisch war nur für zwei Personen gedeckt, beide Uhren verstellt worden. Aufgrund des Wetters hätte an den Tagen zuvor kein Boot den Felsen erreichen können, darum kommt Jory Martin mit der Ablösung für einen der Männer erst später als geplant und findet den Leuchtturm leer vor. Niemand mochte glauben, dass aus einem gegen die Winterfluten verrammelten Leuchtturm drei Männer spurlos verschwinden können – und ihre Pflicht einfach im Stich lassen. Maiden Rock galt als sehr spezieller Leuchtturm, 15 Seemeilen von der Küste entfernt, direkt auf eine winzige Felsklippe gebaut, auf der sich niemand einfach mal die Füße vertreten konnte.


    Sharp nimmt geduldig die Spur dessen auf, was sich auf dem Turm ereignet haben könnte. Wenig verwunderlich trifft er in der eingeschworenen Gemeinschaft der „Wärter“ auf sehr spezielle, genügsame Persönlichkeiten, ein bedrückendes System sozialer Kontrolle zwischen den Leuchtturmwärterfamilien und ganz große Gefühle, die „die Maiden“ bei den Beteiligten auslöste. Auf den Leuchtturm können einige offenbar eifersüchtig sein wie auf eine Person, und die verantwortungsvolle Arbeit ist sehr viel mehr als ein Job. Arthur, der erfahrene Oberwärter, und seine Frau Helen spielten in der Gemeinschaft eine besondere Rolle. Arthur wurde geachtet und bewundert, aber das war längst nicht alles. Jenny war schlicht stinkwütend, dass ihr Billy jedes Mal für Wochen auf dem Felsen verschwand und sie für die drei kleinen Kinder allein zuständig war. Als Erbe einer Generationskette von Leuchtturmwärtern empfinde ich Billy als durchaus tragische Figur. Vincent, der jüngste der Männer, war nach Absitzen einer Gefängnisstrafe gerade frisch in Freiheit. Man sagte, dass ehemalige Gefangene sich mit der Enge im Turm am besten einrichten konnten. Vincent braucht diese Arbeit unbedingt und würde sich sicher nichts zuschulden kommen lassen – auch wenn er als Vorbestrafter ein willkommenes Bauernopfer zu sein scheint.


    Die Ereignisse finden an einem Schnittpunkt von Material (der Leuchtturm), Naturgewalten, Gruppendynamik und einer Prise Mystik statt. Emma Stonex lässt den Interviewer Sharp direkt auf der Beziehungsebene einsteigen. Die übrigen Faktoren spielen Nebenrollen, so dass für mich nicht alle Fragen zum Leuchtturm beantwortet wurden.


    Fazit

    In etwas eintöniger Form kommen die drei Frauen als Icherzählerin zu Wort, aber auch die Innensicht der Männer bleibt nicht verborgen. Jeder trägt Informationen bei, die Emma Stonex‘ Leser immer wieder an den Vorgängen zweifeln lassen. Mit sehr atmosphärischen Schilderungen des sturmumtosten Felsens und einer hochinteressanten Gruppendynamik lässt Emma Stonex ihre fiktive Geschichte zu einem runden Ende kommen. Heute funktionieren Leuchttürme automatisch ohne ihre „Wärter“.

    ---
    Der historische Hintergrund
    Im Jahr 1900 verschwanden vom Flannan-Isles-Leuchtturm auf Eilean Mòr/Äußere Hebriden die drei Leuchtturmwärter. Emma Stonex verlegt in ihrem rein fiktiven Roman das Ereignis ins Jahr 1972 und an die englische Südküste nach Cornwall.


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    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Toibin - Long Island

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Sei ein Leuchtturm: strahle für andere, wenn sie in der Dunkelheit sind...

    1972. Am letzten Tag des Jahres nimmt ein Boot Kurs auf den im Meer liegenden Leuchtturm „Maiden Rock“, um die drei dort tätigen Wärter abzulösen. Als sie eintreffen, ist der Leuchtturm nicht zugänglich, da von innen verriegelt, und vor allem verwaist, von den drei Wärtern fehlt jede Spur. Nicht nur ihr Arbeitgeber gibt all das Rätsel auf, vor allem die Familien der drei verschwundenen Männer schweben ständig zwischen Hoffen und Bangen. Die Zeit vergeht und um sich das Mysterium zu erklären, besetzt man einfach einen der drei mit der Rolle des Übertäters, ohne Beweise zu haben oder über die Folgen nachzudenken. 20 Jahre gehen ins Land, bis der Autor Dan Sharp sich näher mit dem Fall beschäftigt und den Ehefrauen der drei Vermissten Fragen stellt, womit er in ein Wespennest sticht. Denn die Frauen haben jede für sich harte Jahre hinter sich, sind dem ständigen Gerede und den Mutmaßungen ausgesetzt und können mit den Geschehnissen bis heute nicht abschließen. Wird die Wahrheit der Ereignisse endlich ans Licht kommen?


    Emma Stonex hat mit „Die Leuchtturmwärter“ einen unterhaltsamen Debütroman vorgelegt, der dem Leser eine spannende und gut ausgeklügelte Geschichte mit viel psychologischer Finesse präsentiert. Der flüssige, bildgewaltige und doch eher ruhig gehaltene Erzählstil katapultiert den Leser sofort in die Handlung hinein, die auf einer tatsächlichen Begebenheit beruht und der Leser immer wieder rätselt, wie weit die künstlerische Freiheit der Autorin geht und wie es sich wohl wirklich zugetragen hat. Die Grenzen verschmilzen hier wunderbar zu einer Einheit und rufen gerade deshalb Gänsehaut und Nervenkitzel hervor. Sämtliche Protagonisten bekommen eine Bühne geboten, um ihre Sicht der Dinge zu erzählen, aber auch ihr Seelenleben und ihre Geheimnisse offenzulegen. Dabei offenbart sich so manches Drama, so mancher Abgrund, so manche Lüge, die man allzu gern über Jahre zu vertuschen suchte. Der Leser bekommt einen guten Einblick in harte und entbehrungsreiche Lebensgeschichten, während er gleichzeitig wie der Autor Dan Sharp versucht, die Wahrheit der Geschehnisse herauszufinden. Stonex enthüllt das (ihr) Geheimnis Stück für Stück gleich einem Puzzle, wobei sie dem Leser genügen Raum für eigene Spekulationen und Lösungsfindungen gibt, was auch erheblich zur Steigerung des Spannungslevels beiträgt.


    Die Charaktere sind lebendig in Szene gesetzt, überraschen mit detailliert ausgearbeiteten menschlichen Eigenschaften und lassen den Leser ganz nah an sich heran, der sich so einen guten Rundumblick verschaffen und mitfiebern kann. Die drei Leuchtturmwärter bilden durch die jahrelange Arbeit eine Einheit, die sich aufeinander verlassen kann. Vom Charakter her sind sie völlig gegensätzlich, was sich auch über die Zeit herausstellt. Sie sind eine Zweckgemeinschaft, aber keine Freunde fürs Leben. Ihre Ehefrauen Jenny, Michelle und Helen führen aufgrund des Berufes ihrer Männer ein ähnliches Leben voller Entbehrungen, doch mit dem Verschwinden der Ehemänner kommt es unter ihnen zu Schuldzuweisungen, Anfeindungen und Misstrauen. Auch das Umfeld sorgt immer wieder dafür, dass die Frauen nicht zur Ruhe kommen.


    „Die Leuchtturmwärter“ ist eine spannende psychologische Studie über menschliche Abgründe, zu denen Vertrauensbruch, Verlust und Misstrauen gehören, dabei aber auch Lügen, Geheimnisse, Liebe und Hoffnungsschimmer zu finden sind. Klug und subtil konstruiert und tiefgründig erzählt. Verdiente Leseempfehlung!


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
    _____________________________________________


    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Manchmal finden einen Geschichten einfach ... dieser Roman passt eigentlich überhaupt nicht in mein typisches Beuteschema, auch nicht das Cover und der Klappentext klingt jetzt (für mich) auch nicht grade spektakulär. Und dennoch: ich musste es ausprobieren und ich hab es nicht bereut!


    Drei Männer verschwinden spurlos von einem Leuchtturm mitten im Meer - was kann dahinter stecken? Kann man daraus eine reißerische Geschichte machen? Vielleicht, aber Emma Stonex macht etwas ganz anderes daraus. Etwas ruhiges, fesselndes und sehr intensives.

    Sie lässt die Menschen sprechen. Zum einen die Frauen, die mit dem ungewissen Verlust zu kämpfen haben und zum anderen die Männer, die 1972 ihre letzte Schicht als Wärter begangen haben.


    Schon der Beginn stimmt perfekt auf die Atmosphäre ein. Die Fahrt zum Leuchtturm weit draußen auf offenen Meer. Die verschlossene Tür, der verlassene Turm und kein Zeichen von den drei Männern, die hier auf mysteriöse Weise verschwunden sind.

    1992, 20 Jahre später, rührt ein Autor diesen Fall wieder auf. Er will darüber berichten, ein Buch schreiben und möchte mit den Frauen darüber sprechen, was aus ihrer Sicht damals passiert ist.


    Der Stil ist unglaublich fesselnd zu lesen und hat mich sofort in diese Geschichte hineingezogen. Dicht verwoben und voller Metaphern bildet sich ein Muster, das sich aus Gedanken und Gefühlen zusammensetzt, die Bilder entstehen lässt und einen Sog entwickelt, der mich nicht mehr losgelassen hat. Mit vielen bedeutsamen Details erzählten die Figuren über ihr Leben, ihre Ängste, ihre Träume, ihre Zweifel und Hoffnungen und rückt die damaligen Ereignisse wieder in die Gegenwart.


    Auf einem Leuchtturm ist die Welt klein. Langsam. Das können andere Menschen nicht: Sie können Dinge nicht langsam und bedeutungsvoll machen.

    Zitat Seite 244


    Während die Frauen nie wirklich loslassen konnten, da die Ungewissenheit ihre Zweifel gestreut hat, spürt man bei den Männern, wie sich Überzeugungen entfalten, die sich in der Einsamkeit des Turms zu Gewissheiten formen. Doch die Wahrheit hat immer zwei Seiten und die Geheimnisse, die jeder vor den anderen zu verbergen versucht, ergeben ein verzerrtes Bild der Realität - ob zwischen den Paaren oder unter den drei Männern - in der Verlorenheit, die jeder von ihnen spürt, bröckeln die Mauern, die ihnen Sicherheit versprochen haben.

    Die Autorin zeigt ein unglaubliches Feingefühl und Empathievermögen, wie sie zum einen die einzelnen Charaktere dem Leser nach und nach offen legt, wie ihre Vergangenheit ihren Einfluss geltend macht und wie sie das mit ihren Worten auf so intensive und eindringliche Weise beschreibt.


    Man findet sicher nicht alle sympathisch, aber jeder von ihnen hat neben seinen "unschönen" Eigenschaften gute Seiten, hoffnungsvolle Gedanken, ein Sehnen nach Liebe, nach Vergebung, nach dem Leben, wovon er träumt.


    "Was eine Ehe am Leben hält, sind die kleinen Gesten: Dinge, die wenig kosten, aber dem anderen sagen, dass man ihn liebt und dafür nichts von ihm verlangt."

    Zitat Seite 64


    Kleine Bemerkungen, am Rande, die auf die vielen Geheimnisse hindeuten, lassen Vermutungen zu und geben letztlich einen schmerzlichen Eindruck auf die Tragödie, die sich hier angebahnt hat.

    Am Ende sehen wir von anderen immer nur eine Fassade - eine Maske, mit der sie sich präsentieren und zeigen möchten. Sei es aus Schutz, aus Angst, aus Hoffnung und der Suche nach etwas, das ihnen fehlt.


    Es ist eine Schande, wenn ein Mensch einen schwierigen Start ins Leben hatte und nie richtig auf die Beine kommt, weil die Leute immer das Schlimmste von ihm annehmen.

    Zitat Seite 129


    Gehemmt durch Erfahrungen, gefangen durch Erlebnisse, die es nicht zulassen, sich zu öffnen, kämpft jeder von ihnen darum, sich dich Sog nach unten zu entziehen und an die Oberfläche zu kommen, ans Licht.

    Alleine die Tatsache, immer wieder für 8 Wochen auf so einem beengten Raum "eingesperrt" zu sein ist schon eine sehr bedrückende Vorstellung. Auch wenn es sicher Menschen gibt, auf die das eine gewisse Faszination ausübt. Zu Meditationen ziehen sich ja immer wieder Menschen zurück, um im Alleinsein zu sich zu finden - aber diese Arbeit auf Leuchttürmen war sicher für einige ein sehr belastendes Erlebnis. Seit Ende des 20. Jahrhunderts werden diese Türme übrigens automatisch von zentralen Stationen überwacht und nur noch bei Bedarf gewartet.


    Mich hat diese Geschichte sehr beeindruckt. Alleine vom Schreibstil her, aber auch, wie die Handlung aufgebaut war und sich immer mehr geweitet und Einblicke gegeben hat, während sich der Fokus gleichzeitig zusammen gezogen hat und man auf den fixen Punkt am Ende zugesteuert ist.


    Tiefschneidende Ereignisse über Verlust und Trauer sind hier behutsam aber deutlich zu spüren.

    Die Idee zum Buch kam durch das Verschwinden von drei Wärtern auf einem abgelegenen Leuchtturm auf der Insel Eilean Mòr im Dezember 1900, hat aber keinerlei Ähnlichkeit mit deren Leben oder Persönlichkeit.


    Mein Fazit: 5 Sterne


    Weltenwanderer

  • Dieser Roman kam genau zur richtigen Zeit: wenn die Tage kürzer werden, die Bäume im Wind rauschen und man sich zu Hause einkuscheln will. Mit einem guten Buch. Emma Stonex’ “Die Leuchtturmwärter” ist so ein gutes Buch. Man kann es als Krimi oder als Geistergeschichte lesen, als Charakterstudie und Beziehungsroman. Dieser Roman bietet viele Projektionsflächen und Interpretationsansätze. Aber vor allem ist er: unterhaltsam und spannend!


    Es geht um das Verschwinden von drei Leuchtturmwärtern 1972 vom Leuchtturm Maiden Rock vor der Küste Cornwalls. Die Tür zum Leuchtturm war von innen verschlossen, die Uhren stehen geblieben, der Tisch für zwei (!) gedeckt. Was ist passiert? Zwanzig Jahre später meldet sich ein Autor bei den Witwen der Männer, weil er ein Buch über den Fall schreiben will. In zwei parallelen Handlungssträngen erfährt der Leser nun, was damals auf dem Leuchtturm passiert ist und wie es den Frauen an Land ergangen ist.


    Das klingt alles recht geradlinig, aber Emma Stonex ist eine grandiose Autorin, die einen komplexen Roman mit vielen Erzählstimmen, Zeitsprüngen und einem verschachtelten Aufbau zu einem absolut lesbaren und lesenswerten Pageturner gemacht hat. Man darf dabei selbst entscheiden, ob es sich um einen Krimi, eine Geistergeschichte oder eine Charakterstudie handelt - der Roman funktioniert auf all diesen Ebenen. Stonex baut genügend Zweideutigkeiten und Unerklärliches ein, um die Fantasie anzuregen. Wie viel davon man für bare Münze nimmt, bis zu welchem Punkt man der Autorin und ihren Figuren glaubt - das bleibt ganz im Ermessen des einzelnen. “Die Leuchtturmwärter” ist damit ein herrliches Verwirrspiel, das einer Matrjoschka gleich immer noch ein Geheimnis zum Vorschein bringt.


    Absolute Leseempfehlung!

  • Zwanzig Jahre ist es her, dass drei Leuchtturmwärter spurlos von Maiden Rock verschwanden, dem Leuchtturm, der einsam auf einem kleinen Felsen vor der Küste Cornwalls steht. Was aus Arthur Black, Bill Walker und Vincent Bourne geworden ist, hat sich nie geklärt, und immer noch rätseln viele Menschen, was wohl tatsächlich geschehen sein mag.


    Der Journalist Dan Sharp möchte ein Buch über die mysteriöse Geschichte schreiben und dafür die Ehefrauen von Arthur und Bill sowie Vincents damalige Freundin interviewen, mit unterschiedlicher Resonanz - nur Helen Black ist bereit, mit ihm zu sprechen, die anderen beiden weigern sich.


    Helen ist nach Arthurs Verschwinden weggezogen von der See, fort von den quälenden Erinnerungen, hat sich in ihrem einsamen Leben ganz brauchbar eingerichtet. Jenny Walker hingegen wohnt immer noch am Meer, und auch nach zwanzig Jahren hat sie die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass ihr Mann zurückkommen könnte, und sucht zum Leidwesen ihrer Tochter Trost in esoterischen Kreisen. Michelle war noch sehr jung, als sie Vincent verloren hat, sie hat einen anderen Mann geheiratet und ihre Träume begraben, denn Vincent, der mit dem Job auf dem Leuchtturm seine Vergangenheit hinter sich lassen und ein neues Leben anfangen wollte, war ihre große Liebe.


    Was macht der Verlust eines Menschen mit denen, die zurückbleiben? Wie wirkt sich das Leben auf dem Leuchtturm auf die Wärter aus, fernab der Welt, auf engstem Raum mit den Kollegen zusammengepfercht und Spielball von Wetter und Wellen? Wie kommen Paare mit den ständigen langen Trennungen zurecht, gerade wenn je nach Witterungsbedingungen oft das eigentlich festgelegte Rückkehrdatum nicht einzuhalten ist?


    Alleine schon der Versuch, diesen Fragen nachzugehen, und die akribisch recherchierten Schilderungen des Lebens auf dem Leuchtturm (und das der Angehörigen an Land) würde "The Lamplighters" auch ohne den Hintergrund des rätselhaften Verschwindens der Männer zu einem hochinteressanten Roman machen, doch natürlich ist dieser von den Geschehnissen auf Eilean Mòr im Jahr 1900 inspirierte Aspekt Dreh- und Angelpunkt des Buches.


    Abwechselnd widmet sich Emma Stonex den Frauen in der Erzählgegenwart und den Männern auf dem Turm in jenem schicksalhaften Winter 1972, lässt die drei Partnerinnen ebenso zu Wort kommen wie die drei Leuchtturmwärter und verleiht jeder Figur ihre ganz spezifische Stimme mit eigener Ausdrucksweise und kleinen Manierismen.


    Durch die häufigen Perspektivwechsel muss man immer wieder neu bewerten, was man über die Ereignisse und über die Personen zu wissen glaubt, und weil man die Charaktere immer wieder aus anderen Blickwinkeln erlebt, ist auch niemand hundertprozentig sympathisch, doch es wird gleichzeitig für alle ein gewisses Maß an Verständnis geweckt (wobei ich mir mit Jennys etwas hausbackener Art und ihrer Neigung zum Klammern doch schwergetan habe).


    Was hinter dem Verschwinden letztendlich steckt, wird ganz allmählich aufgedeckt und klingt plausibel, und der leichte gelegentliche Mystery-Touch nimmt weniger Raum ein, als ich zwischendurch befürchtet hatte. Am Ende bleibt ein kleiner Hauch von "nicht von dieser Welt", den man je nach persönlicher Neigung so oder so interpretieren kann, was ich sehr gelungen fand.


    Ein psychologisch ausgefeilter Roman, der nicht nur auf fesselnde Weise der Frage nachgeht, was mit den Leuchtturmwärtern passiert ist, sondern auch ganz wunderbar von einem inzwischen leider untergegangenen Beruf erzählt und sehr gelungene Charakterporträts zeichnet.

  • In dem Buch geht es um das rätselhafte Verschwinden dreier Leuchtturmwärter aus einen verschlossenen Leuchtturm. Die Autorin wurde von einer wahren Begebenheit zu diesen Roman inspiriert.

    Das Buch spielt in zwei Zeitebenen. Einmal werden die Ereignisse 1972 bis zum Verschwinden der Personen aus Sicht der Wärter erzählt. Zwanzig Jahre später versucht ein Schriftsteller für sein Buch die Ereignisse zu rekonstruieren und interviewt dafür die Witwen der Wärter.

    Das Buch erfordert einige Aufmerksamkeit, da es nicht kontinuierlich erzählt wird. Die Abschnitte werden aus Sicht der verschiedenen Personen erzählt. Die Autorin springt in der Zeit hin und her, auch wechselt der Schreibstil. Die einzelnen Kapitel sind mit dem Namen der Person, aus deren Sicht erzählt wird, überschrieben. Der Autorin gelingt es gut , die Stimmung auf dem Leuchtturm zu beschreiben. Es passiert eigentlich nicht viel, aber trotzdem blieb ich dran und wollte wissen wie es ausgeht. Im Laufe der Zeit kommt immer mehr aus der Vergangenheit ans Licht, was wieder eine neue Sicht auf das Geschehen bringt. Besonders gefallen hat mir, das die Autorin nicht ins Mystische abgedriftet ist, sondern eine plausible Erklärung liefert.

    Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich vergebe 5 Sterne.

    Sub: 5537:twisted: (Start 2024: 5533)

    Gelesen 2024: 14 / 1 abgebrochen

    gelesen 2023: 55/ 2 abgebrochen / 26075 Seiten

    gelesen 2022: 65 / 26292 Seiten

    gelesen 2021: 94 / 1 abgebrochen / 35469 Seiten


    :montag: Anders Roslund - Engelsgabe

    :study: John Katzenbach - Der Wolf


    Lesen... das geht 1 bis 2 Jahre gut, aber dann ist man süchtig danach.

  • REZENSION – Eigentlich geschieht nicht viel im Roman „Die Leuchtturmwärter“ von Emma Stonex (38), der im August beim S. Fischer-Verlag erschien. Dennoch gelingt es der britischen Autorin schnell, uns Leser mit ihrem Debütroman von den ersten Seiten an in den Bann zu ziehen. Es ist eine packende Geschichte, mystisch anmutend und aufwühlend wie das wild tobende Meer rund um den Leuchtturm. Inspiriert vom niemals aufgeklärten Verschwinden dreier Leuchtturmwärter am 15. Dezember 1900 von der Insel Eilean Mòr an der Westküste Schottlands, erzählt Stonex eine eigene Geschichte von Oberwärter Arthur Black, Wärter William „Bill“ Walker und Hilfswärter Vincent „Vince“ Bourne, die alle drei in der Nacht vor Silvester 1972 spurlos vom Leuchtturm Maidens Rock verschwanden, auf einer winzigen Felsklippe etwa 15 Seemeilen vor der Küste Cornwalls aus dem Meer ragend.

    Noch zwei Jahrzehnte später kursieren Gerüchte und Deutungsversuche im Küstenstädtchen Mortehaven, wo Arthur mit Ehefrau Helen, Bill mit seiner Jenny und Vince mit Freundin Michelle wohnten. Die drei Frauen und andere Beteiligte wie die Leuchtturmbehörde und der Leuchtturmbetreiber Trident House werden 1992 mehrmals von einem Schriftsteller über das Verschwinden der drei Männer befragt, um darüber einen Roman zu schreiben.

    In ihren Interviews mit dem Schriftsteller offenbaren die Frauen, die seit 20 Jahren mit dem ungeklärten Verschwinden ihrer Männer leben und seelisch kämpfen müssen, ihre Gefühle, ihre Ängste und Geheimnisse. Es geht um den unerwarteten Verlust des Partners, um die Fähigkeit, auch 20 Jahre später noch trauern zu können. Es geht um anhaltende Hoffnung auf Rückkehr und verschiedene Arten von Liebe. Der Autorin gelingt es beeindruckend, sich in die Gefühlswelt dieser drei charakterlich und vom Alter her so unterschiedlichen Frauen hineinzuversetzen und ihr heutiges, von Fall zu Fall auch damaliges Handeln zu begründen.

    Parallel dazu erfahren wir die 20 Jahre zurückliegende Vorgeschichte auf dem Leuchtturm, „diesem Ort auf halbem Weg zwischen Himmel und Hölle …. der keine Familien kennt“, die letztlich zum Verschwinden der drei Wärter geführt haben mag. „Drei Männer und eine Menge Wasser. Nicht jeder hält es gut aus, eingesperrt zu sein. Einsamkeit, Isolation, Eintönigkeit. Kilometerweit nichts als Meer und Meer und Meer.“ Am Silvestertag findet der alarmierte Suchtrupp nur den leeren Leuchtturm, keine Toten. Beide Wanduhren sind um Viertel vor Neun stehengeblieben, am Esstisch ist für zwei Personen eingedeckt, nicht für drei. Die Türen sind von innen verschlossen. „Nichts deutet auf einen überstürzten Aufbruch hin, eine Flucht, nichts lässt vermuten, dass die Wärter diesen Ort verlassen haben.“ Eine Vermutung lässt die Behörden allerdings die Akten bald schließen: „[Vincent] war der Kriminelle, also muss er es getan haben. Was genau er getan haben soll, können sie nicht sagen, aber wen kümmern schon Einzelheiten, wenn man einen Schuldigen hat“ und die anderen beiden offensichtlich „ohne Fehl und Tadel“ waren.

    Emma Stonex geht es in ihrem Roman nicht um Aufklärung eines Geheimnisses, auch wenn sie ihren Lesern am Ende eine Möglichkeit anbietet, wobei gerade dies eher ein Makel ihres empfehlenswerten Romans ist. Was ihren Roman so eindrucksvoll macht, ist dessen mystische Atmosphäre, die Schilderung des bedrückenden Arbeitsalltags der einsamen Männer im Leuchtturm, die Beschreibung der rücksichtslosen Naturgewalt des umgebenden Meeres sowie der Gefühlswelt der drei Frauen, die nicht allein durch ihr gemeinsames Schicksal auch nach 20 Jahren noch miteinander verbunden sind.