Kurt Vonnegut, Jr. - Gott segne Sie, Mr. Rosewater / God Bless You, Mr. Rosewater, or: Pearls Before Swine

  • Kurzmeinung

    HarryF
    Gesellschaftssatire ohne Satire. Da hatte ich mir nach "Die Sirenen des Titan" mehr versprochen.
  • Kurzmeinung

    Jean van der Vlugt
    Wunderbar: Menschl. Gier& Torheit; wie man selbstlos Gutes tut; wie man armen, "überflüssigen" Menschen m Liebe begegnet
  • Der Autor (Quelle: Goldmann): Kurt Vonnegut wurde 1922 in Indianapolis geboren und studierte Biochemie und Anthropologie, Seit 1960 war er als freier Schriftsteller tätig. Weltruhm erlangte er mit seinem Antikriegsroman „Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug“ (1969). Vonneguts Werke sind durch eine „respektlose Haltung gegenüber Systemzwängen, Antimilitarismus und durch die unermüdliche Forderung nach humanitärem Verhalten gekennzeichnet.“ (Lexikon der Weltliteratur). Er starb 2007 in New York.


    Klappentext (Quelle: Goldmann): Eliot Rosewater ist Erbe eines riesigen Vermögens, das er als Präsident einer Stiftung verwaltet. Mit seinem Familienleben steht es allerdings nicht zum Besten. Denn während seine Frau an einem Leiden erkrankt ist, das ihr Psychiater als Samarithrophia bezeichnet („Hysterische Indifferenz gegenüber den Sorgen jener, die weniger vom Glück begünstigt sind“), ist Rosewater selbst von nicht zu bremsender Nächstenliebe erfüllt. Er stiftet, was das Zeug hält, und das nicht nur für schicke kulturelle Zwecke, wie es sich in seinen Kreisen gehört. Er hilft vielmehr Lebensmüden, verschenkt seine eigene Kleidung und unterstützt nach Kräften die „kleinen Leute“ der Provinzstadt, in der er lebt. Kein Wunder, dass die eigene Familie alles daran setzt, Rosewater wegen seiner „krankhaften“ Wohltätigkeit entmündigen zu lassen – und das nicht erst, seit Rosewater auf den Gedanken verfallen ist, der Freiwilligen Feuerwehr seines Heimatstädtchens den größten Löschzug der Welt zu spendieren. „Gott segne Sie, Mr. Rosewater“, von manchen Kritikern als der in vielerlei Hinsicht reichste und komplexeste Roman Vonneguts bezeichnet, erzählt die schmerzlich wahre Geschichte eines Mannes, der in seinem Altruismus eine krankhaft gesunde Einstellung gegenüber seinen Mitmenschen offenbart – eines Mannes, dessen eigentlich „normales“ Verhalten in einer kranken Welt nur als verrückt gelten kann.


    Englische, deutsche, dänische, italienische und französische Ausgaben:

    • Die amerikanische Originalausgabe erschien 1965 unter dem Titel „God Bless You, Mr. Rosewater, or: Pearls Before Swine“ bei Holt, Rinehart and Winston in New York (217 Seiten), wiederaufgelegt u.a. 1970 bei Dell in New York (190 Seiten), 1974 bei Cape in London (217 Seiten) und 2006 als „Trade Paperback“ bei Dial Press in New York (275 Seiten).
    • Die deutsche Übersetzung aus dem Amerikanischen stammt von Joachim Seyppel. Sie erschien 1968 unter dem Titel „Gott segne Sie, Mr. Rosewater“ bei Bertelsmann in Gütersloh (207 Seiten), wiederaufgelegt 1974 (später dann noch 1978, 1982 und 1986) als rororo-Taschenbuch Nr. 1698 bei Rowohlt in Reinbek bei Hamburg (123 Seiten). Im Juni 1990 erschien die Seyppel-Übersetzung in erster Auflage als Goldmann-Taschenbuch Nr. 9758 im Wilhelm Goldmann Verlag in München (208 Seiten).
    • Die dänische Übersetzung von Arne Herløv Petersen erschien 1970 als „Perler for svin eller Gud velsigne Dem, Mr. Rosewater“ bei Gyldendal in Kopenhagen (192 Seiten).
    • Die erste italienische Übersetzung von Roberta Rambelli erschien 1973 als „Dio la benedica, signor Rosewater, o, Le perle ai porci“ bei Arnoldo Mondadori in Mailand (237 Seiten).
    • 1991 wurde eine zweite italienische Übersetzung von Vincenzo Mantovani als „Perle ai porci: o Dio la benedica, Mr. Rosewater “ bei Elèuthera in Mailand (230 Seiten), wiederaufgelegt u.a. 2005 und 2013 bei Feltrinelli in Mailand (198 Seiten).
    • Die französische Übersetzung von Gwilym Tonnerre erschien 2014 als „Dieu vous bénisse, Monsieur Rosewater“ bei Gallmeister in Paris (224 Seiten).


    Meine Einschätzung:
    Was für ein liebenswerter, erfüllender Roman über Barmherzigkeit im Zeitalter von Habgier und Heuchelei. Im Grunde geht es darum, wie man selbstlos Gutes tut! In gar nicht weit entfernter Zukunft wird die Anzahl an Menschen, die noch benötigt wird, um Gebrauchsartikel, Lebensmittel, Maschinen und Apparate herzustellen, verschwindend gering sein. Selbst die Ideen und Gedanken der Menschen werden weniger gebraucht werden. Wie kann man diesen in die Armut entlassenen Menschen, die für die kapitalistische Arbeits- und Finanzwelt "überflüssig" sind, die Liebe zuteilwerden lassen, die ihnen als menschliche Wesen zusteht? Gerade, wo sie ihrer in der Not so dringend benötigten? Wie kann man die Menschen als Menschen, und zwar nur als Mensch, nicht als Leistungserbringer oder Arbeitskraft, wertschätzen, diese Menschen, die „keinen Wert“ mehr haben? Und das in einer Gesellschaft, die allen ihren Mitgliedern seit Generationen immer wieder eintrichtert, jene Menschen zu hassen, die nicht arbeiten wollen oder können! Kein Wunder, dass der Menschenfreund Rosewater für verrückt (oder zumindest für einen Kommunisten) gehalten wird, wenn er sich, ohne Gegenleistungen zu erwarten, um die Bedürfnisse der Armen und Lebensmüden kümmert, was denjenigen, die sich nur um das Anhäufen von Vermögen sorgen, wie Verschwendung vorkommt.

    Was für eine rührende, tragikomische Gestalt dieser Eliot Rosewater doch ist, der da als Spross einer sehr vermögenden Familie plötzlich sein Gewissen entdeckt. Ein Wohltäter, verrückt gemacht durch seinen Wunsch nach Gleichheit, der gewissermaßen das „wüste Land“ des einsamen, vereinzelten, vergeblich nach Sinn suchenden Menschen der Moderne für sich und uns alle neu vermessen will. Wo es doch eigentlich die nobelste Aufgabe des Staates sein sollte, den vorhandenen Reichtum gleichmäßig unter allen neugeborenen Babys zu verteilen! :wuetend:

    Dieser Roman ist angefüllt mit amüsanten Szenen und Dialogen, seltsamen, aber doch äußerst nachvollziehbaren Figuren und ins Schwarze treffenden satirischen Kommentare über das Verhalten der Menschen, die so ihre Schwierigkeiten mit selbstloser Barmherzigkeit in unserer unbarmherzigen Gesellschaft haben. Vonnegut zeigt, wie die entmenschlichende Kraft des Geldes funktioniert. In dem Science-Fiction-Roman „O sag, kannst du riechen“ des fiktiven Schriftstellers Kilgore Trout, der in „Gott segne Sie, Mr. Rosewater“ zitiert wird, löst ein Diktator das Problem des Schweißgeruches, indem er einfach die Nasen abschaffen lässt. In „Gott segne Sie, Mr. Rosewater“ zeigt Vonnegut nun quasi, wie unsere Gesellschaft das Problem der Armut löst: Indem sie das Gewissen abschafft! [-(

    Vonnegut schlägt bei mir einfach immer nur die richtigen Saiten an: „Gott senge Sie, Mr. Rosewater“ ist in meinen Augen ein perfektes Buch, weil es sich trotzigen Spott und seine Naivität bewahrt, die richtigen Fragen stellt und die entscheidenden Wunden seiner Figuren aufkratzt, erhellend und typisch für unsere Gesellschaft und unsere Zeit. Es ist eine Geschichte über die so leicht aus dem Gleichgewicht kippende Relation von Glücklichsein und Finanzkraft, wobei anhand der blauäugig-charismatischen Hauptfigur obendrein auch noch das Gegensatzpaar von Verrücktheit (Entrücktheit) und Heiligkeit angepackt wird. So mehren sich zum Ende des Buches die Storys von den in völlig ergebener Liebe zu Rosewater entbrannten Bedürftigen seiner Heimatstadt. Wir hören von etlichen Schwangeren, die sich einbilden, sie trügen das Kind ihres Heilands im Leib. Und dann verfällt Rosewater, der gerade vor Gericht beweisen soll, dass er nicht verrückt ist, um nicht sein Vermögen an einen entfernten Verwandten zu verlieren, auf die Idee, sein Rechtsbeistand solle mithilfe der fantasiereichen Unterstützung des Science-Fiction-Schreiber Kilgore Trout einfach alle diese ihm hysterisch zugeschriebenen Kuckuckskinder als seine eigenen Kinder anerkennen lassen, was mit einem Schlag die Erbfolge des Kinderlosen klärt und sein immenses Vermögen – sei er selbst nun verrückt oder nicht – bei ihm und seinen Nachfolgern/Erben/Jüngern belässt. Der Evangelist dreht den habgierigen Geldsäcken mit Hilfe von Winkeladvokaten und Fantasie eine lange Nase und rettet Millionen von Dollars für die Wohlfahrt! Eliot Rosewater als Prophet der konstanten Liebe unter den Menschen! Ach, was für ein schönes Buch! :flower: :love:  :pray:

    Mit diesen Worten, die sich Eliot notgedrungen zurechtlegt, als er gebeten wird, eine Laientaufe zu vollziehen, soll diese Rezension schließen, weil sie gewissermaßen die humanistische Kernaussage des Romans zusammenfasst. Das ist, was Eliot zu den Täuflingen sagen will:

    Zitat

    Hello Babys. Willkommen auf Erden. Im Sommer ist es heiß und im Winter kalt. Es ist rund und nass und voll hier, Grob geschätzt habt ihr etwa hundert Jahre hier. Es gibt nur eine Regel, Babys, die ich kenne -: Verdammt noch mal, ihr müsst anständig sind! (S. 102).

    Oder im Original: „God damn it, you’ve got to be kind.“ Wobei ich „kind“ eher mit „gütig“ oder „freundlich“ als mit „anständig“ übersetzen würde. :-k

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Manner "Das Mädchen auf der Himmelsbrücke" (82/151)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 57 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Kuhl "Helenes Familie" (23.04.)

  • Die amerikanische Originalausgabe erschien 1965 unter dem Titel „God Bless You, Mr. Rosewater, or: Pearls Before Swine“ bei Holt, Rinehart and Winston in New York (217 Seiten), wiederaufgelegt u.a. 1970 bei Dell in New York (190 Seiten), 1974 bei Cape in London (217 Seiten), 2006 als „Trade Paperback“ bei Dial Press in New York (275 Seiten) oder - wie angehängt - 1992 als Vintage Classics (192 Seiten).

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  • Eine italienische Neuübersetzung von Vincenzo Mantovani kam 1991 als „Perle ai porci: o Dio la benedica, Mr. Rosewater “ bei Elèuthera in Mailand (230 Seiten) heraus, wiederaufgelegt u.a. 2005 und 2013 bei Feltrinelli in Mailand (198 Seiten).

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  • Die französische Übersetzung von Gwilym Tonnerre erschien 2014 als „Dieu vous bénisse, Monsieur Rosewater“ bei Gallmeister in Paris (224 Seiten).

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  • Jean van der Vlugt liest Du Dich grad durch alle Werke Vonneguts? :lol: Ich hab letztes Jahr Slaughterhouse Five gelesen und bin begeistert. Dieses Buch ist jetzt auch auf der Wunschliste und wird da wohl nicht mehr lange bleiben.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Jean van der Vlugt liest Du Dich grad durch alle Werke Vonneguts? :lol: Ich hab letztes Jahr Slaughterhouse Five gelesen und bin begeistert. Dieses Buch ist jetzt auch auf der Wunschliste und wird da wohl nicht mehr lange bleiben.

    Das war gerade mein vierter Vonnegut. Ich habe ihn heute vormittag zuende gelesen. Die Rezension (und meine Begeisterung) ist also ganz frisch! :drunken: Für meine letzten zwei Vonnegut-Rezensionen von letzter Woche habe ich meine Notizen von 2018 als Grundlage genommen und zu Rezensionen ausgebaut. Es wäre zu schade, wenn Vonnegut vergessen würde! Der müsste doch eigentlich auch eine Empfehlung für all die T.C. Boyle-Leser sein (und vielleicht für manche Murakami-Fans. Die von Philip K. Dick sowieso)!? :-k


    "Slaugherhouse Five" habe ich schon vor längerer Zeit gelesen, so mit Anfang 20. Den müsste ich echt mal wieder lesen, ich vermute, ihn jetzt viel mehr schätzen zu können als damals.


    "Mutter Nacht" fand ich aber auch ziemlich beeindruckend. Sehr düster. :shock: "Galapagos" ist eine mir fast zu abgedrehte Nummer, aber ein un-glaub-lich originelles Gedankenspiel. :cat: Aber dieser vordergründig-harmlose "Mr. Rosewater" hat mich doch wirklich stark umgehauen. Ich mag einfach Weltverbesserer, denen von Zynikern reflexartig Naivität vorgeworfen wird. :geek:


    Ich habe hier noch zwei Vonnegut-Romane und einen Kurzgeschichtenband herumliegen. Ein Glück, da kann ich gleich weiterlesen! Ich denke, ich bleibe noch eine Weile dabei! :) Und berichte selbstverständlich! :wink: O:-)

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  • Die Rezension (und meine Begeisterung) ist also ganz frisch! :drunken:

    und kommen 1:1 und ungefiltert durch, echt schön. :D

    Der müsste doch eigentlich auch eine Empfehlung für all die T.C. Boyle-Leser sein (und vielleicht für manche Murakami-Fans. Die von Philip K. Dick sowieso)!? :-k

    Kann ich mir gut vorstellen, dass Vonnegut auch den Boyle-Liebhabern gefällt.

    Marie Hast Du es mal mit Vonnegut versucht? :wink:

    "Galapagos" ist eine mir fast zu abgedrehte Nummer, aber ein un-glaub-lich originelles Gedankenspiel. :cat:

    Wenn es Dir schon zu abgedreht ist, wie wird es uns dann erst ergehen? :shock:

    viele Grüße vom Squirrel



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  • Ich muss es einfach sagen: So ein schöne Rezi zu einem wahrscheinlich ebenso schönen Buch.

    Kommt sofort auf die Wunschliste.

    Aber dieser vordergründig-harmlose "Mr. Rosewater" hat mich doch wirklich stark umgehauen. Ich mag einfach Weltverbesserer, denen von Zynikern reflexartig Naivität vorgeworfen wird.

    Wenn ich vorher noch gezweifelt hätte (was ich nicht habe) aber das hier hätte dann den Wuli-Button ausgelöst

    :study: Audre Lorde: Sister Outsider (eBook)

    :study: Joseph Roth: Hiob (eBook) - MLR

    :study: Thomas Chatterton Williams: Selbstportrait in Schwarz und Weiss - Unlearning Race



    „An allem Unrecht, das geschieht, ist nicht nur der Schuld, der es begeht, sondern auch der, der es nicht verhindert.“

    Erich Kästner

    "Das fliegende Klassenzimmer"


    Warnhinweis:
    Lesen gefährdet die Dummheit

    :study:

  • terry Ja, ich fand es ein wirklich schönes Buch. Und ganz undogmatisch, ohne didaktische Erziehungsabsicht, frei fließend und unaufgeregt. Das liegt mir wohl gerade (mochte ja auch Tom Drury und John Barth so sehr dies Jahr).

    Wenn Vonnegut nicht so scharfsichtig und grimmig das Schlechte im Menschen aufspießen würde, bemerkte man wohl leichter, dass seine Bücher im Grunde literarische Meditationen über das Menschsein und die menschliche bzw. konkreter die amerikanische Gesellschaft sind. Bücher für Leser, deren gesellschaftlicher Einfluss im Vergleich zu ihrer Intelligenz viel zu gering ist. (Sowas ähnliches hat er mal über sein Publikum gesagt. Da fühlte ich mich doch gleich angesprochen :wink: ).

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Manner "Das Mädchen auf der Himmelsbrücke" (82/151)


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    O:-) Letzter Kauf: Kuhl "Helenes Familie" (23.04.)

  • Ich werde berichten - habe gerade die Bestellung an meine Buchhändlerin per WA geschickt (so dringend war der Bedarf, den du geweckt hast :loool: )

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    :study: Joseph Roth: Hiob (eBook) - MLR

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    „An allem Unrecht, das geschieht, ist nicht nur der Schuld, der es begeht, sondern auch der, der es nicht verhindert.“

    Erich Kästner

    "Das fliegende Klassenzimmer"


    Warnhinweis:
    Lesen gefährdet die Dummheit

    :study:

  • Ich werde berichten - habe gerade die Bestellung an meine Buchhändlerin per WA geschickt (so dringend war der Bedarf, den du geweckt hast :loool: )

    Ui, na dann wünsche ich Dir viel Vergnügen! :winken: Bin sehr gespannt auf Deine Eindrücke!

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  • Manchmal bin ich heilfroh, kein Literaturkritiker, sondern schlicht ein Leser mit eigener Meinung zu sein. Denn dann müsste ich „Gott segne Sie, Mr. Rosewater“ von Kurt Vonnegut vermutlich in den höchsten Tönen loben. Das jedoch fällt mir nicht nur schwer, sondern ist mir schlichtweg unmöglich. Doch von Anfang an…


    >> Der Autor und wie ich ihn entdeckte


    Kurt Vonnegut ist ein amerikanischer Bestsellerautor, der den meisten vermutlich durch seinen surrealistischen Roman „Schlachthof 5“ bekannt sein dürfte. Auch wenn ich „Schlachthof 5“ zumindest als Verfilmung bereits kannte, ohne ihn allerdings jemals gesehen zu haben, hatte ich zu den Werken von Vonnegut nie eine Beziehung. Die von ihm behandelten Themen lagen fern meiner Interessenlage. Eines Tages allerdings erregte eine Lesung im Radio aus seinem Roman „Die Sirenen des Titan“, den der Autor 1959 geschrieben hatte, mein Interesse und ich kaufte mir dieses Buch. Da mich die schrille Science-Fiction-Geschichte sehr amüsiert hat, lag für mich die Schlussfolgerung nahe, das mir auch „Gott segne Sie, Mr. Rosewater“ gefallen könnte, zumal ich neben Fantasy und Science-Ficition auch der guten Gesellschaftssatire nicht abgeneigt bin. In freudiger Erwartung einer solchen, mit verrückten Ideen, Figuren und Handlungsverläufen – eben vom Stil der „Sirenen“ – machte ich mich ans Lesen…


    >> Worum geht es?


    Eliot Rosewater erbt ein riesiges Vermögen, das er als Geschäftsführer der Rosewater Stiftung verwaltet. So weit, so gut, wäre da nicht sein unbändiger Drang, den kleinen Menschen in seiner Umgebung zu helfen. Die Gemeinde Rosewater im Bezirk Rosewater (eine der wenigen absurden Ideen im Buch) wird geradezu überschwemmt mit Wohltat. Spenden an Kultur und Feuerwehr verstehen sich dabei von selbst. Doch damit nicht genug, auch die kleinen Unpässlichkeiten und Verschrobenheiten der Bürger schafft Rosewater oft einfach mit netten Worten, wenn das aber nicht hilft, eben auch mit Geld aus der Welt. Dieses Verhalten ist natürlich seiner Familie ein Dorn im Auge und sie lassen nichts unversucht, ihn als verrückt hinzustellen. Ihr Ziel: seine Entmündigung. Der kleine Jurist Norman Mushari sieht darin seine Chance für einen gehörigen Karriereschub gekommen und geht besonders hartnäckig ans Werk.


    >> Warum mir das Buch nicht gefallen hat


    Mir fällt es beim Lesen eines Buches, ebenso wie beim Anschauen eines Films, schwer, einer Handlung zu folgen, die auf den ersten Blick keine ist. Vonnegut beschreibt in seinem Buch mehr oder weniger zusammenhängende Szenen, die vom Verhalten Eliot Rosewaters handeln. Dem roten Faden zu folgen, der letztendlich zur Schlussszene führt, fiel zumindest mir gehörig schwer. Das lag zum einen am bereits erwähnten, eigentlich nicht vorhandenen Handlungsverlauf, zum anderen aber auch an den vielfach unklaren Motiven der Akteure. Mir ist einfach nicht ganz klar geworden, ob der Rosewater-Anwalt McAllister in letzter Konsequenz Eliots Verhalten gut heißt oder nicht. Ähnlich ging es mir mit Eliots Vater, der seinem Sohn bei einem Besuch sogar ein gewisses Maß an Verständnis entgegen zu bringen scheint. Und Eliot, Träumer, Weltverbesserer und Gutmensch? Seine Motive sind sicherlich ehren- und begrüßenswert, aber die Umsetzung ist oft unlogisch, unklar und nicht selten auch völlig unverständlich. Lediglich zwei Hauptcharaktere kristallisierten sich deutlicher und vor allem nachvollziehbarer heraus.

    Als Leser fragte ich mich immer wieder, was den Menschen Eliot Rosewater antreibt und obwohl zwischen den Zeilen eine Menge an Hintergründen beschrieben und Erklärungen gegeben werden, kam ich der Figur nicht näher. Zurück bleibt eine Ratlosigkeit, die auch mit dem gelegentlich aufblitzenden Humor nicht verhindert werden konnte. Eine Gesellschaftssatire sollte Missstände durch humorvolle Überspitzung anprangern, doch das schlägt in meinen Augen hier völlig fehl. Die einzige wirkliche Überspitzung in der Geschichte ist die fast schon krankhafte Nächstenliebe Eliot Rosewaters. Doch kommt es an keiner Stelle zu einem Showdown, einer Auflösung, die einem das Gefühl gibt, das nun wieder alles richtig und normal ist. Statt dessen endet das Buch mit ein paar mehr oder weniger amüsanten Dialogen und einem letzten Aufbäumen der vermeintlichen Verrücktheit. Dann wird man als Leser mit der Erinnerung an eine Geschichte zurück gelassen, deren Halbwertzeit vermutlich keine sechs Monate betragen wird.


    Gut, ich gebe zu, dass meine Skepsis dem Buch gegenüber im Laufe der Seiten mehr und mehr wuchs. Das lag vor allem daran, dass ich mit einer völlig anderen Erwartungshaltung an die Lektüre gegangen bin, einer Erwartung, die nicht einmal ansatzweise erfüllt wurde. Daher ist nicht auszuschließen, dass mir bestimmte Feinheiten und Dinge, die eher zwischen den Zeilen stehen, entgangen sind. Daher ist meine Kritik hochgradig subjektiv und würde sicherlich von den eingangs erwähnten Literaturkritikern in der Luft zerrissen.


    >> Letztendlich…


    In zahlreichen Vertriebstrainings, die ich in meinem Leben über mich ergehen lassen musste, gab es jedoch eine Aussage, die in leicht abgewandelter Form auch im Falle dieses Buches seine Entsprechung findet: „Es ist völlig unerheblich, wie etwas gemeint ist. Es zählt ausschließlich, wie es beim Leser ankommt.“ Bei mir ist „Gott segne Sie, Mr. Rosewater“ von Kurt Vonnegut leider nicht so gut angekommen. Dieses Buch ist etwas für Kritiker und Menschen mit einem feineren Gespür für Tiefsinn, als ich es vermutlich habe. Jenen, die eine weitgehend schlüssige und durchgängige Handlung bevorzugen, kann ich den Roman nicht empfehlen.