Katherine Webb - Besuch aus ferner Zeit / The Visitors

  • "Wenn Du ein Geheimnis bewahren willst, musst Du es auch vor Dir verstecken." (George Orwell)

    Die 26-jährige Liv Molyneaux muss gerade den traumatischen Verlust ihres Babys verarbeiten, als ihr Vater Martin auf rätselhafte Weise einfach verschwindet, zu dem sie aufgrund ihrer Trauer zuletzt kaum Kontakt hatte. Um sich ihrem Vater näher zu fühlen und seinem Verschwinden auf den Grund zu gehen, zieht sie in sein Haus in Bristol, was sich allerdings als keine gute Idee erweist. Schon bald plagen sie Alpträume und auch das Weinen eines Babys bringt Livs Gefühlswelt immer wieder an den Rand des Erträglichen. Wird Liv den Grund für das Verschwinden ihres Vaters herausfinden, und vor allem: was hat es mit diesen alptraumhaften Geräuschen im Haus auf sich?


    Katherine Webb hat mit „Besuch aus ferner Zeit“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der den Leser zwischen Gegenwart und Vergangenheit wandeln lässt und ihm dabei eine Geschichte offenbart wird, die von Mystik und Geheimnissen geprägt ist. Der flüssig-leichte, bildgewaltige und gefühlvolle Erzählstil der Autorin nimmt den Leser schnell gefangen und lässt ihn an Livs Seite ein Abenteuer erleben, wobei oftmals kaum zu unterscheiden ist, ob es sich um Realität oder Einbildung handelt. Während der Leser in der Gegenwart mit Liv in Martins Haus einzieht und seine Buchbinderwerkstatt in Augenschein nimmt, trifft er in der Vergangenheit im Jahr 1831 zur Zeit der Sklavenhaltung auf Bethia Shiercliffe, die ein Armenhaus leitet und sich mit der Landstreicherin Louise alsbald jemanden ins Haus holt, der ihre eigene behütete Welt ins Wanken bringen könnte. Die wechselnden Zeitebenen gestatten dem Leser nicht nur, Liv bei den Nachforschungen nach dem Verbleib ihres Vaters über die Schulter zu sehen, sondern geben ihm mit dem Zusammensetzen der Ereignisse in der Vergangenheit auch den Schlüssel für alte Geheimnisse, um die Lösung zu finden. Die Autorin versteht es gut, ihren Leser auf allen Ebenen zu fordern, denn sie löst mit eindrucksvollen Bildern nicht nur ein Kopfkino aus, sondern webt Mystik und Düsternis in ihre Geschichte und baut nebenbei einiges an Spannung auf. Diese kann sich jedoch durch immer wieder auftauchende Langatmigkeit des Erzählflusses leider dauerhaft nicht halten, zumal einiges an der Handlung auch recht konstruiert wirkt.


    Die Charaktere sind vielschichtig und facettenreich gestaltet. Mit ihren menschlichen Ecken und Kanten wirken sie authentisch, so dass der Leser ihrem Schicksal neugierig folgt. Liv hat es gerade nicht leicht, muss sie doch einiges verkraften. Die Suche nach ihrem Vater lenkt sie von den eigenen Sorgen etwas ab und lehrt sie, dass sie endlich nach vorn sehen muss. Bei ihrer Entwicklung beweist sie Mut und Stärke. Tanja ist die Ladennachbarin von Livs Vater, die sich schon bald als starke Schulter und gute Freundin für Liv erweist. Adam ist ein Obdachloser, der erst zwielichtig wirkt, um dann doch irgendwie wie aus der Zeit gefallen zu sein. Bethia ist eine arrogante, eiskalt berechnende und harte Frau, die nur ihren eigenen Vorteil im Blick hat und dabei doch allen nur eine Fassade präsentiert. Aber auch Martin, Louisa, Cleo und Polly haben nicht wenig Bedeutung in dieser Geschichte.


    „Besuch aus ferner Zeit“ ist ein Roman, dessen Handlung Gegenwart mit der Vergangenheit auf geheimnisvolle und mystische Weise miteinander verknüpft und in dem es einige Geheimnisse ans Tageslicht zu fördern gilt. Nicht das beste Buch der Autorin, da es manchmal etwas langatmig sowie realitätsfern ist, jedoch durchaus einiges an Spannung zu bieten hat. Verdiente Leseempfehlung für alle, die düstere und mystische Geschichten lieben.


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    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
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    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Katherine Webb - Besuch aus ferner Zeit“ zu „Katherine Webb - Besuch aus ferner Zeit / The Visitors“ geändert.
  • Flüsternde Frauenstimmen

    Besuch aus ferner Zeit, Roman von Katherine Webb, 576 Seiten, erschienen im Diana-Verlag.


    Ein fesselnder Schmöker.


    Liv hatte in kurzer Zeit zwei schwere Verluste zu verarbeiten. Ihr Sohn wurde tot geboren und kurz darauf verschwand ihr Vater spurlos. Sie will jedoch nicht an die Theorie der Polizei glauben, dass er sich selbst getötet haben könnte. In ihrer Verzweiflung zieht sie in das Haus ihres Vaters und beginnt nach Hinweisen zu seinem Verbleib zu forschen. In den Nächten wird sie vom Weinen eines Babys und von flüsternden unheimlichen Frauenstimmen geweckt. Bildet sie sich das alles nur ein, oder war das auch die Ursache für Martins Verschwinden?


    Wieder einmal konnte mich Katherine Webb mit einem mysteriösen Roman vollständig in ihren Bann ziehen. Das Buch erscheint in zwei Zeitebenen, die Erzählstränge sind durch Überschriften mit Zeitangabe markiert, 21 Kapitel abwechselnd in der Vergangenheit und in der Gegenwart.

    Die Autorin hat den auktorialen Erzählstil gewählt, dadurch ist es dem Leser möglich, jederzeit den Überblick über das Geschehen zu behalten. Leseabschnitte erleichtern die Lektüre, verschiedene Schriftarten beleben das Geschriebene, Briefe oder Gedanken sowie Redensarten sind kursiv deutlich hervorgehoben, einige Zeitungsausschnitte sind durch den zweispaltigen Abdruck als solche zu erkennen. Das Erzählte in den jeweiligen Kapiteln ist durch den bestechend bildhaften Schreibstil, dem Leser so deutlich vor Augen, dass man meinen könnte man wäre direkt dabei.

    Am Ende des Buches ist ein Gedicht eingefügt, welches das Werk sehr stimmungsvoll abschließt und direkten Bezug zur Geschichte hat. „Gedicht an ein totgeborenes Kind“ von Elizabeth Jennings. Es hat mich traurig gemacht
    Vorliegender Roman hat mich sehr berührt, immer tiefer konnte ich in Livs Erlebnisse und vor allem in die Ereignisse die sich 1831 bzw. 1791 abspielten fallen lassen. Ein unterschwelliger Gruselfaktor und die unheimlichen Erscheinungen haben mir des Öfteren die Haare zu Berge stehen lassen. Jedes Kapitel und der darin geschilderte Zeitstrang endet an einer ganz besonders spannenden Stelle, solche Cliffhanger haben mich dazu veranlasst ganz besonders schnell zu lesen, am liebsten sogar die Seiten weiterzublättern um zu erfahren wie es in dieser Zeitebene weitergeht. Die Spannung beginnt mit ganz feinen Andeutungen, dass in Martins Haus etwas nicht mit rechten Dingen zugehen könnte, doch der Spannungsbogen ist hoch, je mehr der Leser aus der Vergangenheit erfährt desto mehr klärt sich die Geschichte und wird immer unheimlicher, den eines wird plötzlich klar, diese Stimmen bildet sich die depressive Liv nicht ein, könnte auch Martin sie gehört haben?
    Die Figuren sind äußerlich wie auch charakterlich hervorragend gezeichnet, von allen Personen hatte ich nach kurzer Zeit eine Vorstellung im Kopf. Der Plot ist nachvollziehbar und die handelnden Figuren agieren glaubhaft. Lieblingsfiguren hatte ich einige, Balthasar Ellen, Tanya oder auch Cleo haben mich beeindruckt. Wer mir aber vollständig unsympathisch war ist einfach, die intrigante, egoistische und dünkelhafte Bethia, eine ganz furchtbare Frau. Eine unglaublich gut beschriebene Figur, ich habe es genossen.


    Meine Empfehlung an alle K. Webb Fans, doch auch wer die Autorin nicht kennt und subtilen Grusel schätzt, wird Freude am Buch haben. Von mir 5 Sterne. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

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    Und wenn mir alle Königskronen für meine Bücher und meine Freude am Lesen angeboten wären: Ich würde sie ausschlagen.
    François Fénelon

  • Meine Empfehlung an alle K. Webb Fans,

    Vielen Dank für die schöne Buchvorstellung!

    Ich habe alle Bücher der Autorin gelesen, am wenigsten gefallen hat mir "Die Frauen am Fluss". Das war mir zu verschwurbelt, aber ihr neues Werk werde ich natürlich wieder lesen.

  • Vielen Dank für die schöne Buchvorstellung!

    Gerne, alle Bücher kenne ich nicht von ihr, bei der Lektüre ihrer Bücher schwanke ich immer zwischen aufgeregter Spannung und unterschwelligem Grusel. :lechz:

    :study::musik::montag:


    Und wenn mir alle Königskronen für meine Bücher und meine Freude am Lesen angeboten wären: Ich würde sie ausschlagen.
    François Fénelon

  • ... nein das kenne ich nicht, habe ich aber schon ewig auf der WuLi,

    Zeit es endlich zu lesen.

    :study::musik::montag:


    Und wenn mir alle Königskronen für meine Bücher und meine Freude am Lesen angeboten wären: Ich würde sie ausschlagen.
    François Fénelon

  • Traurig, mystisch, spannend


    Ein altes Haus in Bristol ist das Zuhause von Martin Molyneaux, doch der Mann hat einige Probleme, die er durch seinen Selbstmord überwinden wollte, so denkt zu mindestens die Polizei. Seine Tochter Liv sieht dies anders. Sie sucht in der Wohnung ihres Vaters nach Antworten, dabei geht es ihr selbst nicht gut. Sie hat ihr Baby verloren und könnte Hilfe gebrauchen. Doch Liv stellt sich den Herausforderungen, aber seltsame Dinge geschehen in dem alten Haus. Nachts hört die junge Frau immer wieder ein Kind weinen und Stimmen. Bildet sie sich alles nur ein oder hat das Haus mehr Geheimnisse wie vermutet?


    Dieser Roman beginnt mit der Geschichte von Liv und spielt in der Gegenwart. Die junge Frau wird vorgestellt und man bekommt einen ersten Eindruck von ihr. Im zweiten Kapitel findet man sich dann im Jahre 1831 wieder. Hier wird die Geschichte von Bethia erzählt. Bethia ist eine Frau, die einen wohlhabenden Ehemann hat und der es gut geht, jedenfalls auf den ersten Blick. Sie leitet ein Armenhaus und setzt sich für Menschen ein, die allein nicht überleben könnten. Mit Bethia erfährt man, wie das Leben im 19. Jahrhundert war. Ihr ganzes Schicksal erschließt sich so nach und nach. Mir hat gut gefallen, wie die Geschichte sich beim Lesen entwickelt hat.


    Die Handlungsstränge wechseln sich immer wieder ab. Am Anfang scheint es sogar fast so zu sein, als hätten die zwei Zeitebenen nichts miteinander zu tun. Erst so nach und nach werden die Zusammenhänge klar. Auch die Charaktere entwickeln sich mit den Seiten. Während Liv langsam ihre Trauer verarbeiten kann, erfährt man über Bethia das ganze Ausmaß ihres Lebens. Mir persönlich hat der Part in der Vergangenheit etwas besser gefallen. Ich fand ihn vielschichtiger und auch interessanter. Die Autorin hat sogar noch einen weiteren Handlungsstrang hinzugefügt, der im letzten Drittel des Buches im ausgehenden 18. Jahrhundert spielt und einiges über das Verhalten der Charaktere erzählt. In diesem historischen Teil der Geschichte erzählt Katherine Webb anschaulich, wie das Leben in dieser Epoche sich gestaltet hat, gerade für die ärmer Bevölkerung oder Dienstboten.


    Die Handlung in der Gegenwart war mir fast zu mystisch und geisterhaft. Mit dem Charakter von Liv bin ich nicht wirklich warm geworden. Ihre Art der Trauerbewältigung und ihr Verhalten waren mir manches Mal ein wenig zu überdreht. Obwohl ich sagen muss, dass die Art, wie die Autorin hier schildert, was der Verlust eines Kindes mit einer Frau macht, durchaus glaubhaft erscheint. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob dies der Fall in der Gegenwart ist oder in der Vergangenheit.


    Fazit:

    „Besuch aus ferner Zeit“ ist ein lesenswerter Roman über Trauer und Verlust, aber auch über Liebe und Hoffnung. Mir hat das Buch im Ganzen gut gefallen. Wobei der Teil, der im 19. Jahrhundert und sogar teilweise Ende des 18. Jahrhundert gespielt hat, besser gefallen hat als die Gegenwart. Ich fand die Charaktere im historischen Teil ausgefeilter und vielschichtiger. Der angenehme Erzählstil von Katherine Webb zieht einen allerdings in die Seiten und so war dieses Buch auch schnell ausgelesen. Es war tatsächlich mein erstes Buch dieser Autorin, aber bestimmt nicht mein letztes.


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